Kreis Kleve/Kreis Borken. Mehr Fälle in 2022: Es kommt immer häufiger zu Widerstand und Gewalt gegen Polizisten. Warum die Polizei von der Spitze des Eisbergs spricht.

  • Im Kreis Kleve: 122 Widerstandshandlungen in 2022 stehen 116 im Corona-Jahr 2021 gegenüber.
  • Im Kreis Borken: Anstieg von 83 Fällen in 2021 auf 126 in 2022.
  • Auch nicht erfasste freche Kommentare und ständiges Hinterfragen der Polizei nehmen zu.

Es war am 5. März dieses Jahres an der Rheinpromenade in Emmerich, als eine Polizeistreife einen 19-jährigen Graffiti-Sprayer auf frischer Tat ertappte, als dieser die Fassade eines Restaurants verunstaltete. Als das Polizei-Duo den jungen Mann festnahm, leistete dieser heftigen Widerstand. Die 24-Jährige und der 36-Jährige wurden dabei verletzt: „Die 24-jährige Kollegin war erstmal nicht mehr dienstfähig deswegen“, berichtet Polizeisprecherin Corinna Saccaro.

Wechsel auf die andere Rheinseite. Goch, 16. Juni: Ein 26-jähriger Autofahrer verursacht unter Alkoholeinfluss einen Unfall. Als die Polizei ihn anhält und er mit auf die Wache kommen soll, wehrte sich der Mann mit körperlicher Gewalt. Später stellte sich heraus, dass er auch keinen Führerschein besaß. Von Fällen wie diesen kann Corinna Saccaro leider vermehrt berichten. Zuletzt beim Parookaville in Weeze ist es auch vorgekommen, dass der Polizei mit Aggressivität begegnet wurde.

Zahlen müssen eingeordnet werden: 2021 war ein Corona-Jahr

Es sei eine Entwicklung über Jahre, so Saccaro. Aktuell sieht es so aus: Von Januar bis Ende September 2022 kam es zu 122 Widerstandshandlungen gegen die Polizei im Kreis Kleve. Dass dies kaum mehr sind als 116 Fälle im Vergleichszeitraum 2021 ist im Verhältnis zu sehen: „Im vergangenen Jahr gab es viele Corona-Einschränkungen. Viele große Events, auf denen sonst Alkohol konsumiert wird, fanden nicht statt“, erinnert Saccaro.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich allein bei den Beleidigungen ab. Hier stehen im genannten Zeitraum 2022 insgesamt 45 Fälle den 40 Fällen des Vorjahreszeitraum gegenüber. „Jeder Vorfall ist einer zuviel“, macht die Polizei-Sprecherin deutlich. Es sei eine Entwicklung, die nicht nur die Polizei, sondern auch etwa Einsatzkräfte der Rettungsdienste so erlebten.

Deutlicher Anstieg im Kreis Borken

Noch gravierender ist die Entwicklung im Kreis Borken. Polizei-Sprecher Frank Rentmeister verzeichnete von Januar bis September 2021 noch 83 Widerstandshandlungen, davon sieben mit tätlichen Angriffen. Im gleichen Zeitraum 2022 waren es schon 126 Fälle, davon 34 mit körperlichen Übergriffen.

Die Polizei sei für Konfliktsituationen ausgebildet: „Wir gehen dahin, wo andere nicht mehr klar kommen. Wir versuchen, Konflikte kommunikativ zu lösen. Aber manchmal ist Zwang nötig. Und da wehren sich die Leute“, erklärt Rentmeister.

Freche Kommentare und ständiges Hinterfragen

Polizisten müssen sich zunehmend auch dafür erklären, warum Straßen gesperrt sind. Die Bürger hinterfragen vermehrt.
Polizisten müssen sich zunehmend auch dafür erklären, warum Straßen gesperrt sind. Die Bürger hinterfragen vermehrt. © WAZ FotoPool | Markus Joosten

Die genannten Zahlen, seien „nur die Spitze“, macht Rentmeister deutlich. Denn sowas wie freche Kommentare gegen Polizisten kommen nicht zur Anzeige. Und das ständige Hinterfragen, das habe sich auch gesteigert. „Bei einer Straßenabsperrung erklärt uns dann der Autofahrer: ‘Ich muss da durch’.“ So sehe sich die Polizei zunehmend genötigt, sich zu rechtfertigen. Auch die sozialen Medien spielten womöglich eine Rolle. Immer häufiger seien es Bürger gewohnt, enthemmt zu kommentieren. „Das spiegelt sich im richtigen Leben wider“, so Rentmeister.

>> Kreis Borkener Polizei ist nun im Präventionsnetzwerk #sicherimDienst

Die Polizei im Regierungsbezirk Münster und somit auch die Kreis Borkener Polizei ist jetzt dem Präventionsnetzwerk #sicherimDienst beigetreten. Dem feierlichen Rahmen wohnte auch Landrat Dr. Kai Zwicker bei.

Die NRW-Initiative #sicherimDienst bietet in einem Zusammenschluss von mehr als 300 Behörden wichtige Hilfestellungen für Sicherheit und Schutz von Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Verbale Anfeindungen und physische Gewalt gehörten im öffentlichen Dienst zum Alltag: Immer häufiger werden auch Rettungskräfte, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher oder Beschäftigte in Behörden mit Publikumsverkehr mit Gewalt konfrontiert. „Wir setzen mit unserem bundesweit einmaligen Netzwerk ein starkes Signal für mehr Sicherheit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“, machte NRW-Innenminister Herbert Reul bei der Veranstaltung deutlich.

„Es ist wichtig, dass wir solidarisch zusammenstehen“, betonte Landrat Dr. Kai Zwicker. Der öffentliche Dienst sei eine tragende Säule unseres Gemeinwesens, die es unbedingt zu schützen gelte. Dabei bezog er ausdrücklich auch die Politiker ein, die sich ehren- und hauptamtlich für die Gesellschaft einsetzen und dabei nicht selten Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt seien.