Essen. Nach der verstörenden Islamisten-Demo zeigt sich Essen von seiner weltoffenen Seite. 4000 kommen Sonntag zur Menschenkette vor der Alten Synagoge.

Es ist zehn Tage her, da rückten radikalislamistische Demonstranten, Judenhasser und fanatische Sympathisanten eines Kalifatstaates Essen in ein schiefes Licht. Bilder dieser verstörenden Manifestation gingen um die Welt. Eine Menschenkette mit Tausenden Teilnehmern zeigte Essen am Sonntagabend vor der Alten Synagoge nun von seiner besseren Seite: als weltoffene und solidarische Stadt, als ein Gemeinwesen, das Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt entschieden ablehnt.

OB erinnert an Islamisten-Demo: „Das sind Bilder, die nicht für Essen stehen“

Mehr als 4000 Essenerinnen und Essener folgten Sonntagabend dem Aufruf der Allianz für Weltoffenheit und kamen zur Alten Synagoge. Die Schützenbahn musste in beide Fahrtrichtungen gesperrt werden.
Mehr als 4000 Essenerinnen und Essener folgten Sonntagabend dem Aufruf der Allianz für Weltoffenheit und kamen zur Alten Synagoge. Die Schützenbahn musste in beide Fahrtrichtungen gesperrt werden. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Es war dem Oberbürgermeister anzumerken, wie sehr ihn die Islamisten-Demo vom 3. November persönlich getroffen hat. „Das sind Bilder, die nicht für Essen stehen“, rief Thomas Kufen, und fügte unter dem lauten Beifall der Menge hinzu: „Das hat uns wütend und zornig gemacht.“

Man hatte im Rathaus mit Spannung erwartet, welche Resonanz der Aufruf zur Menschenkette haben würde. Um kurz vor 18 Uhr zeigte sich, dass der Andrang die Erwartungen übertroffen hatte. Nach Schätzungen der Polizei hatten sich gut 4000 Menschen vor der mit Baugerüsten eingekleideten Alten Synagoge eingefunden. Die meisten hatten Lichter und Kerzen dabei, einige Israelfahnen waren zu sehen, auch eine Regenbogenfahne. Die Schützenbahn musste in beide Fahrtrichtungen für den Verkehr gesperrt werden.

Der Polizeipräsident, der Ruhrbischof und die Superintendentin, der Stadtdechant und der Generalvikar, der DGB-Vorsitzende und der Caritas-Chef, Rats- und Parteimitglieder, Vertreter von Behörden und Organisationen – sie alle hatten sich demonstrativ auf den Treppenstufen hinter dem grünen Banner der Allianz für Weltoffenheit aufgestellt. Der OB ging in seiner Rede immer wieder auf die Islamisten-Demo vom vorvergangenen Freitag ein. „Wir wollen diese Gruppierungen nicht in unserer Stadt“, sagte er und warnte davor, dass solche Ereignisse das Zusammenleben in Essen vergiften können.

Botschaft an Juden und Jüdinnen in Essen: „Ihr seid nicht allein, wir sind an Eurer Seite“

Wer beide Hände frei hatte, applaudierte. Die anderen streckten als Zeichen der Zustimmung ihre Lichter in die Höhe.
Wer beide Hände frei hatte, applaudierte. Die anderen streckten als Zeichen der Zustimmung ihre Lichter in die Höhe. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Kufen ging auch auf die schwarzen Banner mit islamischen Glaubensbekenntnissen ein, die auf Essener Straßen gezeigt wurden. Es sind dieselben, die auch die Dschihadisten und IS-Kämpfer hochhalten. Eine Konsequenz müsse sein, dass Demonstranten in Zukunft nur noch Transparente in deutscher Sprachemitführen dürften.

Stadtdechant Jürgen Schmidt, Pfarrer der katholischen St. Ludgerus-Pfarrei in Werden, sagte: „Es erschüttert uns ins Mark, wenn auf den Straßen unserer Stadt Angriffe, Geiselnahmen und Ermorderungen bejubelt und wenn Hass und Hetze geschürt, Gewalt verherrlicht und Zerstörung propagiert werden.“

An die Juden und Jüdinnen dieser Stadt gerichtet versprach der OB: „Ihr seid nicht allein, wir sind an Eurer Seite.“ Antisemitismus komme von rechts und links und allzu oft auch aus migrantischen Communitys. „Wir müssen hier selbstkritisch anerkennen, dass besonders der eingewanderte Antisemitismus von Deutschland zu lange ignoriert und verharmlost wurde.“ Kufen kündigte eine große Bildungskonferenz gegen Antisemitismus an.

„Engagement gegen Antisemitismus gehört zum Kern des heutigen Deutschlands“

Führende Repräsentanten der Essener Stadtgesellschaft stehen vereint vor der Alten Synagoge: OB und Polizeipräsident, Ruhrbischof und Superintendentin, Stadtdechant und Generalvikar, der DGB-Vorsitzende und der Caritas-Chef, Rats- und Parteimitglieder, Vertreter von Behörden und Organisationen.
Führende Repräsentanten der Essener Stadtgesellschaft stehen vereint vor der Alten Synagoge: OB und Polizeipräsident, Ruhrbischof und Superintendentin, Stadtdechant und Generalvikar, der DGB-Vorsitzende und der Caritas-Chef, Rats- und Parteimitglieder, Vertreter von Behörden und Organisationen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Superintendentin Marion Greve, die Sprecherin der Allianz für Weltoffenheit ist, machte deutlich, dass diese Partei ergreife für alle Menschen, die unter Gewalt und Terror leiden – für Jüdinnen und Juden in Israel ebenso wie für die Palästinenser im Gaza-Streifen, die von der Hamas als Schutzschild missbraucht würden.

Sie erinnerte an die Pogrome der Nazis vor 85 Jahren und betonte, dass das Engagement gegen Antisemitismus zum Kern des heutigen Deutschland gehöre. „Deshalb stehen wir heute hier und stellen uns mit dieser Menschenkette vor die jüdische Gemeinde in Essen.“

Schalwa Chemsuraschwili, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde, bedankte sich für die Solidarität der Menschen in dieser Stadt, zugleich forderte er die Freilassung der israelischen Geiseln und die Vernichtung der Hamas.

„Wir sind Essen, wir stehen für Frieden, für ein freies Leben“

Muhammet Balaban, Vorsitzender der Kommission Islam und Moschee in Essen, nahm an der Menschenkette teil und Sanel Hajdarovac vom Essener Verbund der Immigrantenvereine verlas die Erklärung des Initiativkreises Religionen Essen. Musliminnen und Muslime fielen bei der Menschenkette kaum auf. Der Aufruf an die vielen Moschee- und Kulturvereine war offenbar weitgehend ohne Resonanz geblieben.

Die Redner des Abends zeigten sich erfreut darüber, dass die Bilder der Menschenkette mit den Lichtern in den Händen ein starkes und ermutigendes Zeichen weit über Essen setzten. Marion Greve beschwor das Wir-Gefühl so: „Wir sind Essen, wir stehen für Frieden, für ein freies Leben.“

Am Ende der Veranstaltung stellten die Menschen unter dem Glockengeläut der Domkirche ihre Lichter tausendfach auf die Treppenstufen der Synagoge und verwandelten den Platz in ein beeindruckendes Lichtermeer.

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