Emmerich. In seinem Roman verarbeitet der gebürtige Emmericher Evan Tepest einen Besuch in der Heimat. Was der in dem queeren Autor auslöst.

Evan Tepest, in Berlin zu Hause, in Emmerich aufgewachsen, hat seinen ersten Roman vorgelegt. Es ist ein Buch über Offenheit, Toleranz, Kindheitstrauma und über Queerness. Es ist die Geschichte über die queer-lesbische Alex, die für einen Kurzbesuch in die niederrheinische Provinz zurückkehrt und sich dort mit alten Konflikten konfrontiert sieht.

Dabei geht es nicht nur um ihre geschlechtliche Orientierung im Spiegel der Kleinstadt, es geht auch um die schwierige, ja sprachlose Beziehung zu ihrer Mutter. Dabei hat die Autorin Alex gerade von ihrem Verlag den Auftrag erhalten, sich ihrer Mutter schriftstellerisch zu näheren unter der Überschrift „Schreib den Namen deiner Mutter.“ So lautet auch der Titel des Romans.

Mutter-Tochter-Konflikte

Der Grund, warum Alex zurück in ihre Heimat fährt, ist der Tod ihres Großvaters Kurt. Von einer Beziehung zu ihm mag sie kaum sprechen, ihr Kommen sieht Alex vielmehr als Tribut an die Konventionen ihrer kleinstädtischen Erziehung. Während Alex von ihrer Mutter vom Bahnhof abgeholt wird, spürt der Leser schon erste, unter der Oberfläche wabernde Mutter-Tochter-Konflikte, die im dritten und letzten Teil des Romans offen ausbrechen. Es sind Konflikte, wie sie nicht speziell queere Menschen durchleben, sondern Reibungspunkte, die im Zusammenhang mit der Loslösung aus emotionaler Abhängigkeit zur Mutter resultieren.

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Schon am ersten Tag ihres Heimatbesuchs macht sich Alex an die Arbeit für ihren Schreibauftrag. Sie soll einen Beitrag zu einer Ausstellung und einem Sammelband von Autorinnen/Künstlerinnen liefern, indem diese das Unaussprechliche zwischen sich und ihren Müttern thematisieren. Alex tut sich schwer, ist es doch gerade die Sprachlosigkeit ihrer Mutter, das Zurückhalten ihrer Gefühle, die Alex emotional verwirren und in Aufruhr versetzen.

„Schreib den Namen deiner Mutter“ über familiäre Beziehungen.
„Schreib den Namen deiner Mutter“ über familiäre Beziehungen.

„Ich glaube, ich bin keine Frau“

Warum das Verhältnis zwischen Alex und ihrer Mutter so belastet ist, klärt der Roman nicht endgültig auf. Der Leser kann sich dem Verhältnis zwischen Mutter und Tochter aber bedingt annähern durch die essayistischen Passagen, die im Rahmen des Auftrags „Schreib den Namen deiner Mutter“ entstehen und das Ende eines jeden Buchkapitels markieren. Wirkliche Emotionen, glückliche oder wahrhafte Momente, erfährt Alex nur mit Freundin Lena und ihrem ehemaligen Lehrer Wolfgang, der seine Homosexualität offen lebt.

Als Alex äußert, „Ich glaube, ich bin keine Frau“, erfährt der Roman einen Bruch. Von da an wird Alex formal zu einer geschlechtsneutralen Person, was durch geschlechtsneutrale Pronomen im Text abgebildet wird.

Der Autor

Evan Tepest ist als Eva in Emmerich aufgewachsen und lebt als Evan In Berlin. Evan Tepest studierte laut Wikipedia Arabistik und Middle Eastern Studies in Leipzig, Kairo und im schwedischen Lund. Seine Texte sind in Anthologien und Zeitschriften publiziert, zuletzt in „Delphi. Zeitschrift für neue Literatur“ und „Jenny“. Im März 2023 erschien der Essayband „Power Bottom“, Essays über Sprache, Sex und Community.

Der Roman „Schreib den Namen deiner Mutter“ ist erschienen im Verlag Piper, München 2024, 192 Seiten, 22 Euro. oha

Zum Nachdenken angeregt

Der Leser braucht etwas Atem beim Lesen, nimmt der Plot doch erst spät Fahrt auf. Es ist ein Buch, das nachdenklich stimmt, viele Reflektionen über sexuelle Identität, über Familien- und andere Beziehungen enthält. Diese gerinnen zu Sätzen wie, „Manchmal ist unser authentisches Ich eingemauert, und wir können nur versuchen, einzelne Ziegel aus der Mauer zu schlagen, damit das Licht einfällt“, „Familie nutzt Geheimnisse als Zahlungsmittel“ oder „Ich möchte, dass meine Mutter meine Realität anerkennt.“

Sätze, die nicht-queere Menschen genauso oder ähnlich empfinden und aussprechen. Nur, dass man deren Äußerungen nur im Hinblick auf ihre Beziehungen deutet, nicht noch zusätzlich aus ihnen den Grund für die andere, die seltenere sexuelle Orientierung, zu lesen versucht. Bis dahin scheint noch ein weiter Weg.