Emmerich. Vorsitzender des Landesverbands Sinti und Roma NRW sprach in Emmerich. Deutsche Sinti würden sich nicht als solche outen. Das ist der Grund.

Ein Typ mit dunkler Haut und schwarzen Locken ist am Tatort gesehen worden – das muss ein Zigeuner gewesen sein. Jemand von den Sinti oder Roma… Mit Stereotypen wie diesen wird diese Minderheit sehr häufig diskriminiert. Und das schon sehr lange.

Wer sich als Sinto oder Roma outet, bekommt den Job nicht. Oder die Wohnung. Das, so Roman Franz, Vorsitzender des Landesverbands Sinti und Roma NRW sowie Vorstandsmitglied im Zentralrat und Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, sei leider auch heute noch Alltag.

Die Integrationsagentur der AWO lud ein

Auf Einladung der Integrationsagentur der AWO referierte Franz im Rahmen des Förderprogramms „Zuwanderung aus Südosteuropa“ im Emmericher Rathaus über die Minderheit, ihre Geschichte sowie ihre aktuelle Situation – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den oft südosteuropäischen Herkunftsländern vieler Neuzuwanderer, die beispielsweise als Arbeitsmigranten den Niederrhein erreichen.

Roman Franz erklärte, dass viele deutsche Sinti sich nicht als solche bekennen würden. Dies würde Diskriminierungen zur Folge haben.
Roman Franz erklärte, dass viele deutsche Sinti sich nicht als solche bekennen würden. Dies würde Diskriminierungen zur Folge haben. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Für Vera Artz, Stabsstelle Integration und Demografie der Stadt Emmerich, ein passendes Thema, denn auch Vertreter dieser Minderheiten seien als Leiharbeiter der niederländischen Fleischindustrie in Emmerich wohnhaft: „Die Leiharbeitsfirmen suchen jene, die es in den Herkunftsländern schon schwer haben“, so Artz.

Sinti outen sich in Deutschland nicht

Während in deutschen Familien die Gräueltaten der Nazis im Alltagsgespräch eher tabuisiert worden seien, so Franz, wurde in den Sinti-Familien regelmäßig darüber gesprochen. Entsprechend hat die Geschichte geprägt.

„Die Sinti in Deutschland sind Bürgermeister, Politiker, Polizisten, Nationalspieler – aber sie outen sich nicht!“, sagte Roman Franz. Sie haben mitbekommen, wie andere nach einem Bekenntnis diskriminiert wurden. Die Zigeuner wollten nicht arbeiten, stehlen und seien dreckig, laute das Vorurteil.

Wie ein Bekenntnis alles änderte

Genau so habe es Franz’ Vater, der ein ganz normales Mitglied der Gesellschaft war, in dem Moment erlebt, als er zugab, Sinto zu sein. Ob im Karnevalsverein – er war auch Prinz – oder Kegelclub – überall flog er raus. „Zick Zack Zigeneuerpack“, wurde dann auch Sohn Roman auf dem Schulhof abgestempelt. Der Vater ging in die Politik, gründete den Landesverband mit.

Christoph Kukulies (AfD) fragte, ob auch Sinti und Roma seit der Flüchtlingswelle 2015 zunehmende Diskriminierung erlebten. Das bestätigte Franz zwar, stellte aber fest: „Die Jugend hat sich geändert.“ Hier habe er mehr Toleranz ausgemacht.

Sinti und Roma haben kein Vertrauen in die Mehrheitsgesellschaft

Etwas heikel wurde die Debatte, als es um die Leiharbeiter in Emmerich ging. Hier nahm Franz an, das seien keine Sinti, nur Roma. Das brachte Bernd Pastoors auf: „Meinen Sie nicht, dass sie die Roma damit diskriminieren?“ Franz meinte, er würde sich nur auf die tatsächliche Situation beziehen. Wobei er eher geschichtlich argumentierte, die Emmericher Situation im Detail kenne er nicht.

Aber Franz konnte erklären, warum es so schwer sei, Kontakt zu den ausgebeuteten Leiharbeitern aus dieser Minderheit zu bekommen: „Sie werden seit Generationen an den Rand der Städte verdrängt. Sie haben wenig Vertrauen in die Mehrheitsgesellschaft.“ Und wenn sie hier überhaupt mal eine Arbeit haben, dann seien sie defensiv und ließen sich mit Hinweisen, dass es eigentlich bessere Umstände gebe, kaum locken.

Büro für faire Arbeit berät vor Ort

Als Brückenbauer vor Ort dient übrigens eher das jüngst gegründete Büro für faire Arbeit im Ebkes. Der Landesverband hat nicht so viele Mitarbeiter, um selbst beraten zu können.

Für Roman Franz war es schwer, über die Historie zu sprechen, denn auch 36 Verwandte kamen in Auschwitz ums Leben.

>> 150.000 Sinti und Roma in NRW

300.000 Sinti und Roma wurden während des Zweiten Weltkriegs ermordet. Seit 1982 wird der Völkermord an den Sinti und Roma erst anerkannt. Allerdings waren da ihre Rentenansprüche schon verjährt.

Den Landesverbands Sinti und Roma NRW gibt es seit 1981. Deutsche Sinti gibt es seit 600 Jahren. In NRW leben rund 150.000 Sinti und Roma, weltweit gibt es 14 Millionen.