Emmerich/Rees/Isselburg/Bislich. 23 Jahre war Herbert Scheers (73) Deichgräf von Emmerich bis Bislich. Warum er Düsseldorf wegen der schleppenden Deichsanierung kritisiert.
Als kleiner Junge lieh er sich verbotenerweise immer mal wieder ein Mähboot aus, das direkt vor seinem Elternhaus am Netterdenschen Kanal angebunden war. „Ich habe also immer schon einen besonderen Bezug zu Wasser gehabt“, lacht Herbert Scheers. Da wundert es nicht, dass er 23 Jahre als Deichgräf aktiv war – davon 16 Jahre für den Deichverband Bislich-Landesgrenze, dem größten Deichverband in Nordrhein-Westfalen. „Jetzt ist es an der Zeit, dass ein Jüngerer die ehrenamtliche Aufgabe übernimmt“, sagt der 73-Jährige, der, wenn es um gerechtfertigte Kritik geht, kein Blatt vor den Mund nimmt. Jetzt endet seine Amtszeit am 30. April.
Natürlich werde er es vermissen, fast täglich in der Geschäftsstelle des Deichverbandes an der Stadtweide vorbeizuschauen, um sich immer auf den aktuellsten Stand der Themen zu bringen. Bis zu elf Stunden in der Woche ist der Rentner auch heute noch vor Ort, studiert Unterlagen, spricht mit den Fachleuten, ist so immer im Thema. „Ich muss ja wissen, was wichtig ist. Und es auch verstehen“, erzählt Herbert Scheers. Denn als Deichgräf habe man schon „eine enorm hohe Verantwortung“ mit Blick auf den Hochwasserschutz für die gut 24.000 Mitglieder zwischen Bislich, Isselburg und Elten.
Während seiner Zeit als Deichgräf kam es zu keinen brenzligen Situationen
Die größte Herausforderung in seiner Zeit als Deichgräf, sagt der Landwirt im Ruhestand, war sicher der Wechsel von acht Deichschauen und Verbänden in der Region zum größten Deichverband in NRW. 2007 hatte der Deichverband Bislich-Landesgrenze, seitdem zuständig für 45 Kilometer Hochwasserschutz, seine Arbeit aufgenommen. Da habe man erst einmal ‘den Dampfer auf Kurs bringen müssen’. Froh und glücklich ist er natürlich darüber, dass es während seiner Zeit als Deichgräf zu keinen brenzligen Situationen gekommen ist, wie etwa beim Hochwasser 1993 und 1995.
Amtsmüde sei er nicht, aber er könne eben aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mehr den Deich entlang laufen, um dort nach dem Rechten zu sehen. „Da fehlt mir einfach die Fitness“, räumt Scheers ein, der ja als Deichgräf an der Spitze des Deichverbandes steht und den Deichverband auch gerichtlich und außergerichtlich repräsentiert und besonders für seine große Detail-Kenntnis geschätzt wird. „Eben weil er immer bei Besprechungen dabei ist“, würdigt Holger Friedrich, Geschäftsführer des Deichverbandes, den langjährigen Weggefährten. Unterstützt wird der Deichgräf übrigens von zwei Stellvertretern.
Neuer Deichgräf wird am 28. März auf dem Erbentag gewählt
Jetzt also endet die Ära von Herbert Scheers, der für seinen Einsatz und seine Leistungen im grenzüberschreitenden Hochwasserschutz sogar 2017 in den Niederlanden mit der königlichen Auszeichnung ‘Ridder in de Orde van Oranje-Nassau’ ausgezeichnet wurde. Einen potenziellen Nachfolger gibt es auch schon, der sich am 28. März – wie der gesamte Vorstand – auf der Erbentagssitzung im Bürgerhaus Bienen zur Wahl stellen wird. „Es ist einer meiner beiden Stellvertreter“, verrät Scheers. Sollte der die notwendigen Stimmen der 47 Erbentagsmitglieder erhalten, wird der neue Deichgräf für fünf Jahre das anspruchsvolle Ehrenamt antreten.
Doch bevor er ausscheidet, hat Herbert Scheers noch einmal bewiesen, wie ernst er seine Aufgabe, nämlich den Hochwasserschutz für die Mitglieder des Deichverbandes, nimmt. Es geht um die Deichsanierung des Planungsabschnittes 2 zwischen Dornick und dem Emmericher Klärwerk.
Juristischen Beistand geholt
Das 18-Millionen-Euro-Projekt sollte eigentlich schon längst in Angriff genommen worden sein. Doch sicherheitshalber, um keine Verfahrensfehler bei der europaweiten Ausschreibung zu begehen, die die Sanierung noch weiter verzögern würde, hatte der Deichverband Anfang Januar bei der Bezirksregierung für eine juristische Begleitung des Verfahrens eine Förderung beantragt – „Die nach Wochen des Wartens jetzt von der technischen Abteilung abgelehnt worden ist“, ärgert sich Scheers.
Und nahm das so nicht einfach hin. „Wir haben das Heft des Handelns jetzt selbst in die Hand genommen und die europaweite Ausschreibung, juristisch begleitet von einer Kanzlei, auch ohne zugesicherte Förderung weiterbearbeitet“, betont der Deichgräf. Dadurch sei sichergestellt, dass nach all den schon erfolgten Vorarbeiten auf dem 2,5 Kilometer langen Deichabschnitt im Sommer, und nicht erst eventuell 2024, mit den Arbeiten gestartet werden kann. „Die Deichsanierung muss absoluten Vorrang haben und darf nicht weiter, wie in all den zurückliegenden Jahren immer wieder geschehen, wegen bürokratischer Hürden ständig ausgebremst werden!“, unterstreicht der Deichgräf mit aller Deutlichkeit.
Druck auf Politik und Genehmigungsbehörden muss deutlich erhöht werden
Und mit Blick darauf, dass erst Zweidrittel der Deiche saniert sind, findet Scheers noch deutlichere Worte. „Es kann so nicht weitergehen. Der Druck auf Politik und Genehmigungsbehörden in Düsseldorf muss deutlich erhöht werden“, stellt er klar. Denn was das Tempo der Deichsanierung betrifft, hätte die Politik, egal welcher Couleur, in all den Jahren versagt.
Es sei schon deprimierend, wie langsam der Hochwasserschutz vonstatten gehe. „Der beste Plan schützt die Menschen eben nicht vor Hochwasser, wenn er nicht zügig umgesetzt wird“. Und die Pläne, spart Scheers nicht an heftiger Kritik in Richtung der Verantwortlichen in Düsseldorf, liegen dort seit Jahren in den Schubladen...