Kreis Kleve. Was passiert mit den Niederlanden, wenn ein Deich am Rhein bricht? Darüber klärte Deichgraf Hein Pieper auf und warb für Zusammenarbeit.
Es ist eine beängstigende Animation, die über die Leinwand im Saal des Reeser Bürgerhauses flimmert. Gezeigt wird was passiert, wenn im Gebiet des Deichverbands Bislich-Landesgrenze einer der Rheindeiche brechen würde. Das Wasser fließt auf der Landseite entlang, überflutet Emmerich und Rees, dehnt sich auch nach Isselburg aus. Jenseits der Grenze bahnen sich die Fluten ihren Weg nach Zevenaar, Duiven und Doetinchem.
„Wenn der Deich bei euch bricht, haben wir auch ein großes Problem“, kommentiert Hein Pieper, Deichgraf beim Waterschap Rijn en Ijssel, der gemeinsam mit dem hiesigen Deichverband für den Hochwasserschutz am grenzüberschreitenden Deichring 48 zuständig ist. Auf der Tagung zum 25-jährigen Bestehen des Arbeitskreis Hochwasserschutz und Gewässer NRW erklärt er die Auswirkungen eines solchen Ereignisses. „Bei uns käme das Wasser dann durch die Hintertür und dafür sind unsere Deiche nicht ausgelegt“, sagt Pieper.
Mögliche Schäden eines Deichbruchs wären immens
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Allein durch das Gebiet, das überflutet werden könnte, wären die Schäden immens. „Das Wasser kommt dann nicht mehr innerhalb von Tagen – es kommt in Stunden“, erklärt Hein Pieper. Wichtige Verkehrswege würden durch die Fluten unbrauchbar gemacht. Eine Evakuierung wäre nur schwer möglich und müsste sehr schnell gehen. In einem entsprechenden Fall geht der Experte aus den Niederlanden von rund 1000 Todesopfern und Schäden in Höhe von 40 Milliarden Euro in der Region aus.
Denn bricht ein Deich, könnte es zu einem Domino-Effekt kommen. Die Fluten könnten weitere Deiche überspülen oder brechen lassen. Für die Niederlande wäre das eine Katastrophe. „Für uns ist die Zusammenarbeit mit unseren direkten Nachbarn im Hochwasserschutz sehr wichtig“, erklärt Hein Pieper. Der aber, angesichts der Katastrophenszenarien, die er aufzeigt, trotzdem nicht den Humor verliert: „Wenn bei uns ein Deich bricht, dann habt ihr auch ein Problem: Dann kommen wir alle zu Euch!“, ulkt der Niederländer.
Klimawandel als Priorität beim Hochwasserschutz
In den Niederlanden hat jetzt schon der Klimawandel Priorität bei den Überlegungen zum Hochwasserschutz. „Die extreme werden jedes Jahr größer“, berichtet Hein Pieper. Auf der einen Seiten die Dürre, auf der anderen Seiten auch Starkregen-Ereignisse. Er verweist auf das Hochwasser in der Provinz Limburg, das dazu führte, dass Roermond und Venlo teilweise evakuiert werden mussten. „Da wurden eine Milliarde Euro in den Hochwasserschutz investiert. Wir hatten auch eine Milliarde Schäden, aber keine Toten“, erklärte er und wies damit auf die Notwendigkeit von Investitionen in den Hochwasserschutz hin. Im Gleichen Zeitraum hatte die Flutkatastrophe in NRW ungleich höhere Schäden verursacht und Menschenleben gekostet.
Und vielleicht auch darauf, dass die Sanierung der Deiche auf der deutschen Seite der Grenze eher langsam voran geht, als in den Niederlanden, was auch Holger Friedrich, Sprecher des Arbeitskreises Hochwasserschutz und Gewässer und Geschäftsführer des hiesigen Deichverbands kritisiert hatte (die NRZ berichtete). „Anpassung an den Klimawandel geht nur durch bessere Zusammenarbeit“, sagte Pieper.
Europa möchte Regionen unterstützen
Und genau dabei möchte auch die EU helfen. Hein Pieper, der als Experte im Mission Board der EU für die Anpassung an den Klimawandel aktiv ist, erklärt die Vorstellungen: 2030 soll die Hälfte des europäischen Haushalts für Klima-Anpassungen verwendete werden. Dabei sollen 75 Regionen als Vorreiter vorangehen, die dafür 100 bis 200 Millionen Euro für entsprechende Untersuchungen bekommen könnten. „Ich hoffe, da ist dann auch eine Region an der Grenze von Deutschland und den Niederlanden dabei“, sagt er.
Es bräuchte, so meinte er, zuerst einen Kulturwandel, um beim wichtigen Thema des Klimaschutzes und der Anpassungen an den Klimawandel auch alle Menschen mitzunehmen. Denn sonst könnte es einen starken Widerstand gegen Maßnahmen geben, die in Zukunft notwendig sind – auch, um die Menschen in der Region vor Hochwasser am Rhein zu schützen.