Emmerich/Rees. Deiche gibt’s schon seit über 600 Jahre am Rhein, auch in Emmerich und Rees. Der Deichverband arbeitet weiter an Chronik über die Geschichte.

Das Leben am Rhein war schon immer auch gefährlich. Hochwasser bedrohte mehrmals im Jahr die Menschen hier. Kein Wunder, dass schon früh nach Schutzmöglichkeiten gesucht wurde. „Schon vor 600 Jahren gab’s die ersten Deichverbände, auch hier in Emmerich und Rees“, weiß Holger Friedrich, Geschäftsführer des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze. Das, so der 52-Jährige, waren quasi die ältesten Bürgerinitiativen im Lande. Die Erfahrungen, die die Menschen mit dem Hochwasserschutz gemacht hätten, müsse man heute nutzen. „Selbstschutz“, sagt er, „ist der beste Schutz“. Und plädiert für die Selbstständigkeit der Verbände vor Ort.

Zudem soll weiter an der Chronik der Deichgeschichte am Niederrhein gearbeitet werden, sagt er. Seiner Aufgaben-Stellung heute sei er sich dabei sehr bewusst, sagt Friedrich, sprich dem Schutz der Menschen vor möglichen Flutkatastrophen. Der Blick zurück sei aber auch wichtig, findet er. Denn schon damals hätten die Menschen auch hier am unteren Niederrhein erkannt, dass man sich und seine Ernte vor den Unwillen des mächtigen Stroms schützen muss. Wobei sich auch in den Niederlanden damals das gleiche System etabliert hat und heute auch noch existiert, eben das der Deichverbände.

Ältesten urkundlichen Bestimmungen am Niederrhein gehen aufs 13. Jahrhundert zurück

Die ältesten urkundlich belegten Bestimmungen und Verordnungen des Niederrheins gehen auf das 13. Jahrhundert zurück. Eindeichungen waren aber bis Mitte des 18. Jahrhunderts nur örtlich begrenzte Maßnahmen, bei denen sich die von Hochwasser betroffene Bevölkerung zum Eigenschutz zu Deichverbänden zusammenschlossen.

„Nur langsam“, weiß Friedrich, „entwickelten sich durch die Verbindungen mehrerer Polder allmählich Erhöhungen der Deiche.“ Und erste Banndeichpolder wurden geschlossen. Aber es kam trotzdem immer wieder zu Überflutungen, teils aus technischer Unkenntnis, teils aber auch durch organisatorische Unzulänglichkeiten der verschiedenen Deichverbände. Deshalb, erzählt der heutige Deichverbands-Geschäftsführer, habe der preußische Staat vor rund 200 Jahren das Deichwesen einheitlich organisiert.

Der Rhein stieg schon immer bei Hochwasser aus seinem Flussbett, schon vor Jahrhunderten. Davor schützen sich die Anwohner seit jeher mit Deichen.
Der Rhein stieg schon immer bei Hochwasser aus seinem Flussbett, schon vor Jahrhunderten. Davor schützen sich die Anwohner seit jeher mit Deichen. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Mit dem Niedergang des preußischen Staates verfielen auch die Deiche

Mit dem „Clever Deichreglement“ vom 24. Februar 1767 hatte Friedrich II die öffentlich-rechtliche Grundlage für Deichanlagen geschaffen, die bis in dieses Jahrhundert ihre Gültigkeit behielt. Aber das verheerende Eishochwasser von 1784 in Köln stellte mit 118 Deichbrüchen das Deichwesen in Frage. „14 Städte und Dörfer, auch hier am Niederrhein, standen damals unter Wasser“, weiß der Namensvetter des damaligen Königs, Holger Friedrich. Aber ohne Deich hätte der Niederrhein damals aufgegeben werden müssen, also begann man mit einer staatlichen Förderung des Deichbaus.

Mit dem Niedergang des preußischen Staates 1806 verfielen auch die Deiche, es kam erneut zu zahlreichen Durchbrüchen bei Hochwasser. Als Folge davon ernannte die Regierung 1877 den königlichen Wasserbaumeister Gravenstein aus Magdeburg zum Oberdeichinspektor. „Seither hat das Wasserwirtschaftsamt- bzw. das Staatliche Umweltamt die Deichverbände bei ihren Aufgaben beraten – bis 2007“, sagt Friedrich. Dann wurde der Oberdeichinspektor abgeschafft. Friedrich: „Das war ein großer Fehler!“ Was auch die andere Deichverbände so sehen würden.

Wissen über die Vergangenheit soll auf jeden Fall bewahrt werden

Seit 1926 hat es am Niederrhein keinen Deichbruch mehr gegeben. „Wir müssen das Wissen über die Vergangenheit auf jeden Fall bewahren“, findet der Fachmann. Dabei soll das eigene Archiv des größten Deichverbandes in Nordrhein-Westfalen helfen. Denn nach der Umstrukturierung 2007, bei der zwischen Wesel und Landesgrenze die damaligen Deichschauen zum jetzigen Verband zusammengeschlossen wurden, kamen viele weitere alte Dokumente zusammen.

„Das ist wahrlich ein Schatz“, schwärmt Holger Friedrich von den historischen Unterlagen, die jetzt im hauseigenen Archiv schlummern – und hoffentlich bald als Chronik aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. „Was man da lesen kann, ist schlichtweg ein Plädoyer für den Erhalt der Deichverbände“, findet der Geschäftsführer. Und dafür müsse man kämpfen.

„Struktur des Ehrenamtes ist die absolute Grundlage für den Schutz der Menschen“

Wobei die Struktur des Ehrenamtes die absolute Grundlage auch für den künftigen Erfolg des Schutzes der Menschen hier vor Hochwasser ist. „Alle wissen mittlerweile“, und davon ist Holger Friedrich überzeugt, „wie wichtig der Deichverband ist“. Nicht nur die gut 100 ehrenamtlichen Helfer, die für den Fall der Fälle bei Hochwasser parat stehen, glaubt er felsenfest, sondern wohl auch die allermeisten der 24.000 Mitglieder des Deichverbandes.