Emmerich. Der Niedergang Emmerichs lässt sich an einem konkreten Datum festmachen. Was die zuvor große Pracht der Stadt mit der Hanse zu tun hat.

Der Niedergang der Stadt Emmerich wird konkret mit einer Jahreszahl in Verbindung gebracht: Anno Domini 1672. Vor genau 350 Jahren besetzen die Franzosen unter Sonnenkönig Ludwig XIV. die Stadt. Dass die Truppen der Großmacht den Rhein überqueren können, soll im Übrigen nur gelungen sein, weil der Emmericher Bauer Jan Peters die Franzosen auf eine Furt im Strom hinweist.

Das heutige Emmerich ist während der Hanse als Embrica decora bekannt

12. Juni 1672: Der französische König Ludwig XIV. reitet über den Rhein bei Lobith am Niederrhein, nahe Schenkenschanz, gemalt von Adam Frans van der Meulen.
12. Juni 1672: Der französische König Ludwig XIV. reitet über den Rhein bei Lobith am Niederrhein, nahe Schenkenschanz, gemalt von Adam Frans van der Meulen. © RIJKSMUSEUM AMSTERDAM | NRZ

Wie auch immer: Wenn eine Stadt einen Niedergang erlebt, impliziert das gleichzeitig, sie hat auch mal eine Hochphase gehabt. Das ist in Emmerich zweifellos der Fall. Bis heute wird immer wieder Embrica decora zitiert. Ein Beiname, der die nach außen sichtbare Pracht der Stadt buchstäblich flankieren soll. Alte Abbildungen der Stadtsilhouette zeugen sowohl von weltlichen als auch sakralen Prachtbauten, die sich nicht hinter den Metropolen zur Zeit des Wechsels vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit verstecken brauchen.

Stadtarchiv Emmerich hat bei Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg erhebliche Verluste erfahren

Eine derart bestens situierte Stadt kann Emmerich wohl nur deswegen werden, weil sie Teil der Hanse ist. Laut Homepage der Stadt ist Emmerich „vor Ende des 14. Jahrhunderts Mitglied der Hanse“ geworden. Wobei es hier eine historische Lücke gibt. Denn wirklich belegen lässt sich der Zeitpunkt, an dem Emmerich der Hanse beitritt, nicht mehr von Seiten der Stadt. „Es gibt dazu keine historischen Quellen bei uns im Stadtarchiv“, erklärt Tim Terhorst, Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Archiv im Rathaus. Genauer gesagt: Es gibt heute keine Urkunden oder Ähnliches mehr im Archiv, das durch den verheerenden Bombenangriff am 7. Oktober 1944 erhebliche Verluste erlitten hat.

Das war mal anders: So sollen sich im Emmericher Stadtarchiv Hanse-Urkunden befunden haben, die bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen. Eine ausdrückliche Erwähnung Emmerichs gab es in diesen Unterlagen allerdings nicht.

Auf einer Landkarte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die auf Forschungen des Historikers Gustav Droysen (1838 - 1908) zurückgeht, wird Emmerich zwar ebenfalls als Mitglied der Hanse genannt, allerdings als eine Stadt, die erst nach dem Ende des 14. Jahrhunderts der Hanse beigetreten sein soll.

Abschließend muss festgestellt werden, dass es nach Quellenlage nicht mehr möglich ist, zu sagen, wann Emmerich Hanse-Mitglied wird. Doch schon Heimathistoriker Andreas Dederich kommt im 19. Jahrhundert zu der Annahme, dass Emmerich schon sehr früh einem entsprechenden Städtebündnis angehört.

Der Hansetag im Jahr 1567 fand in Emmerich statt

Ein neues Wandbild, das an die Zeit der Hanse erinnert, gibt es jetzt in Emmerich.
Ein neues Wandbild, das an die Zeit der Hanse erinnert, gibt es jetzt in Emmerich. © FUNKE Foto Services | Konrad Flintrop

Belegbar durch Quellen ist in jedem Fall, dass Emmerich im Jahr 1567 den Hansetag abgehalten hat. Das Kreuzherrenkloster wird als Veranstaltungsort genutzt. Der Hansetag ist die oberste Instanz des Zusammenschlusses der Kaufleute. Heute vielleicht mit einem G7-Gipfel vergleichbar. Dass Emmerich die Ehre bekommt, Ausrichtungsort zu werden, spricht für eine gewisse Stellung innerhalb der Gemeinschaft. Denn vor allem Küstenstädte sind bevorzugte Sitzungsorte. So finden zwischen 1356 und 1480 allein in Lübeck 76 der 111 möglichen Hansetage statt.

Während die Bedeutung eines Hansetages nicht überbewertet werden darf – in der Regel entsenden nur wenige Städte Vertreter, ist das Bündnis der Hanse durchaus ein modernes System, das mit der feudalistischen Grundordnung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bricht. Der Adel verliert nicht nur seine herausragende Stellung, sondern tritt teilweise im sozialen Rang hinter das wohlhabende Bürgertum zurück.

Die Stadt Emmerich profitiert von der Hanse

Eine Grundordnung wie geschaffen für eine Stadt wie Emmerich, die etwa im Gegensatz zu Kleve eben kein Herrschersitz ist. Doch um prosperierenden Handel treiben zu können, ist Frieden eine Voraussetzung. Der 30-jährige Krieg (1618 - 1648) macht dies zunichte. Der letzte historische Hansetag wird 1669 in Lübeck abgehalten – drei Jahre bevor Ludwig XIV. Emmerich belagert.

Der folgende Abstieg der Stadt ist dann rasant. Chroniken aus dem Jahr 1703 berichten von einem desolaten Zustand. Neben Kriegsverwüstungen schlägt auch die Natur zu: Überschwemmungen und Seuchen führen zu elendigen Verhältnissen. Es dauert über ein Jahrhundert bis es wieder aufwärts geht. Die industrielle Revolution ist in vollem Gange. Und wie einst die Hanse-Kaufleute haben die Industriellen in dieser Zeit die gute Lage am Fluss für sich erkannt. Emmerich strebt so einer neuen Blüte entgegen.

>>> Erinnerungen an die Hanse

Reminiszenzen an die Zeit der Hanse hat es in Emmerich auf verschiedene Weise gegeben. So trug bis zur Schließung im Juli 2019 die Hanse-Realschule am Grollschen Weg den Namen der Kaufmannsvereinigung.

Die Hansastraße, die von der Gerhard-Storm-Straße bis zur Wassenbergstraße führt, ist bis heute Postadresse für gleich zwei Schulen: das Willibrord-Gymnasium und die Leegmeerschule.

Als neueste Erinnerung an die Hanse gibt es das Wandbild am Steintor, das eine typische Szene aus der Zeit zeigt. Als historische Figuren werden dabei abgebildet die ehemalige Stadtführerin Monika Wirtz, Tourismus-Chefin Dr. Manon Loock-Braun sowie Bürgermeister Peter Hinze.