Am Niederrhein. Herzog Johann II. von Kleve eroberte gerne Land und Frauen. Eher ungewollt stärkte er aber auch die Rechte der Städte am damaligen Niederrhein.
Im Stammbuch der Grafen und Herzöge von Kleve aus dem 17. Jahrhundert ist Herzog Johann II. von Kleve (geb. 1458, reg.: 1481-1521) als einziger mit Schwert und Streitaxt abgebildet. Letztere bildete in der dekorativen Form ein beliebtes Kommandozeichen für militärische Führer im Gefecht.
So setzt der unterlegte Text auch mit folgenden Worten ein: „Johannes...ist von seiner jugend auff bey dem Burgundischem Hofe erzogen worden und sich im Kriege weitlich gebrauchen lassen. Mit Carolo von Burgund war er 1477 in der Schlacht vor Nanci, da Carolus erschlagen ward. Er war eines Heroischen und Martialischen gemuts.“
Als Karl der Kühne starb...
Bereits bei der Belagerung von Neuss durch burgundische Truppen befand sich Jungherzog Johann im Feldlager Herzog Karls des Kühnen und wurde von ihm 1475 hier als erster im Angriffsheer zum Ritter des Goldenen Vlieses erhoben.
Auch zwei Jahre später, in Karls letzter Schlacht bei Nancy, focht Johann an dessen Seite. Kaum hatte Karl der Kühne den Tod gefunden, entbrannte der Konkurrenzkampf um die Hand seiner Tochter Maria und das reiche burgundische Erbe.
Zu den Anwärtern gehörte auch Johann, vermochte sich aber gegenüber Maximilian von Habsburg, den späteren Kaiser Maximilian l., nicht durchzusetzen. Sicher war dieser in den Augen Maries und ihrer Berater die weitaus bessere Partie und ließ erwarten, als wahrscheinlicher Nachfolger auf dem Kaiserthron, Burgund wesentlich wirksamer vor dem Zugriff des französischen Königs schützen zu können als Johann von Kleve.
Ein zweifelhafter Ruf als Schürzenjäger
Darüber hinaus verband Maria und Maximilian eine aufrichtige Zuneigung, während der ihr seit Jugendtagen wohlbekannte Johann schon damals seinen Ruf als eifriger Schürzenjäger erworben hatte.
Jungherzog Johann konnte so bei seiner Rückkehr nach Kleve zwar nicht das Einbringen des materiellen Erbes Burgunds verkünden, aber mit seiner Person kam ein besonderes Stück personifiziertes Burgund nach Kleve: das kriegerisch-ritterliche Erbteil seines Vorbilds Karl des Kühnen.
Wie dieser zog er militärische Lösungen den diplomatischen vor und pflegte einen luxuriösen Lebensstil als Teil seines ritterlichen Selbstverständnisses. Seinen um das Landeswohl besorgten Räten in Kleve verkündete Johann anlässlich seiner Thronbesteigung 1481: Kriege seien eben sein Lebenselixier und er brauche sie wie der Fisch das Wasser.
Krieg gegen Brügge, Gent und Ypern
Bereits ein Jahr später zog er gegen Maximilian aufseiten der rebellierenden niederländischen Städte zu Felde und eroberte das von Maximilians Truppen verteidigte Utrecht. Die Sache verlief jedoch unglücklich und Johann hatte feierlich zu versprechen, nie mehr Krieg gegen das Haus Habsburg zu führen.
In Zukunft sieht man ihn dann als habsburgischen Verbündeten in ständige militärische Operationen verstrickt, nun gegen aufständische niederländische Städte wie Brügge, Gent und Ypern, meist aber gegen das Herzogtum Geldern.
Angesichts dieser fortlaufenden militärischen Eskapaden des jungen Herrn seien die Räte nun auf einen besonderen Ausweg verfallen und hätten ihn, so der Chronist des Stammbuches, „durch schönen Frawen-Zimmer von den Kriegs gedancken abziehen wollen.“
Daher also der Nachname: Jansen
Ob Herzog Johann, der schon am burgundischen Hof kein Kostverächter gewesen war, dieser Anregung überhaupt bedurfte und ob es diese erotische Offensive der Räte überhaupt gegeben hat, sei einmal dahingestellt. Tatsache ist, dass Herzog Johann die Mädchen aus dem Klevischen in einem Umfang schwängerte, wie keiner seiner Vorgänger je zuvor. Während sein Vater so zehn „Bastarde“ zeugte, brachte es Johann wohl auf 63 uneheliche Kinder.
Da er seine Sprösslinge aber großzügig versorgte und so einen neuen Kleinadel aus herzoglichem Samen schuf, wurde die Finanzlage des Herzogs immer prekärer. Auch die Rechnung – sollte sie es je gegeben haben – die Begierde Johanns vom Schlachtfeld auf die Bettstatt abzulenken, ging nicht auf.
Um acht Uhr morgens aufstehen – ein Skandal
Einzelne Städte wie Wesel, das dem Herzog Gelder für seine Kriegszüge vorschoss und dafür einen Teil des Rheinzolls bei Lobith übertragen bekam, konnten zeitweise profitieren. Insgesamt wurde die Lage im Land durch die Kriegskosten und den Handelsrückgang mit Geldern jedoch immer prekärer. Schließlich riss den Landständen (besonders den Städten) der Geduldsfaden. 1486 stellten sie ihm Räte an die Seite, die nun die Stände auswählten. Der entsprechende Erlass griff auf schockierende Weise in den Tagesablauf des Herzogs ein. Der „gnedige here“ habe zeitig genug aufzustehen, um an der täglichen Ratssitzung ab 8 Uhr teilzunehmen. 1489 beklagten die Stände sein ungeschicktes Regiment und ernannten zwei staatliche Rechnungsprüfer, um seine Verschwendungssucht einzudämmen. Der Landtag in Büderich 1501 zog die Daumenschrauben weiter an.
So half ein kriegerischer und in leiblichen Genüssen schwelgender Landesherr ungewollt die Rechte der Landesvertretung auszubauen. Seine Untertanen nannten ihn „Jan, dä Kindermaker“. Noch lange hielt sich im Volksmund die Legende, dass die weite Verbreitung des Namens „Jansen“ („Jan sin Sohn“) am Niederrhein eine Spätwirkung seines produktiven Herzogs sei.