Rees/Emmerich/Isselburg. Qualmwasser, Grundwasser, Regenfälle: Im Deichhinterland ist immer noch jede Menge Wasser. Was passiert, wenn das nicht kontrolliert abfließt.

Alle Hände voll zu tun hat in diesen regenreichen Tagen auch der Außendienst des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze. Der Grund dafür: Das gut 550 Kilometer lange, weit verzweigte Grabensystem im Hinterland des Deiches muss wieder in Ordnung gebracht werden. Denn der Sturm hat jede Menge Bäume und Äste in die Gräben geweht. „Das ist schlecht. Denn das viele Regenwasser, und zwar zusätzlich zum gestiegenen Grundwasser, muss unbedingt abgeleitet werden“, erklärt Holger Friedrich, Geschäftsführer des Deichverbandes. Sonst stehe das Hinterland schnell unter Wasser.

Das heißt, dass die Gefahr diesmal nicht vom Rhein, der Hochwasser führt, kommt, sondern vom Hinterland. „Wobei wir wirklich Glück hatten, weil der Rheinpegel nicht so hoch ist“, sagt Friedrich. Denn dann wäre die Situation am Deich wesentlich unangenehmer geworden. Bei prekärem Hochwasser, gepaart mit den Stürmen, hätten Bäume und Äste den Deich wasserseitig schwer beschädigen können.

Der Rhein bei Rees und Emmerich hatte Wellengang fast wie eine Brandung

Das ist nicht passiert. „Obwohl der Strom schon einen enormen Wellengang hatte, fast wie eine Brandung“, beschreibt Friedrich die Situation in den vergangenen Tagen. Sein Augenmerk lag und liegt aber mehr auf dem Hinterland. Immerhin ist der Deichverband hier für ein 230 Quadratkilometer großes Gebiet zwischen Wesel und Isselburg bis hin an die niederländische Grenze zuständig. Da haben die Abwasserkanäle eine große Bedeutung. Die entwässern die überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen, aber auch die Siedlungsräume.

Der Rhein führt wieder Hochwasser. In den nächsten liegt der Pegel bei Emmerich um die fünf Meter.
Der Rhein führt wieder Hochwasser. In den nächsten liegt der Pegel bei Emmerich um die fünf Meter. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Und das viele Wasser wird eben durch die Gräben in Richtung Rhein geleitet – wenn sie nicht verstopft sind. Deshalb werden sie gerade von dem fünfköpfigen Team immer noch aufgeräumt. Immerhin gibt’s im Zuständigkeitsbereich des Deichverbandes Gräben von Hunderten von Kilometern. Die Gräben sind im Schnitt zwei Meter breit, 1,50 Meter tief – und es gibt sie schon seit Jahrhunderten.

Deichverbands-Gechäftsführer Holger Friedrich am Schöpfwerk Löwenberger Tor. Pro Sekunde werden hier 3,7 Kubikmeter Wasser in Richtung Rhein gepumpt.
Deichverbands-Gechäftsführer Holger Friedrich am Schöpfwerk Löwenberger Tor. Pro Sekunde werden hier 3,7 Kubikmeter Wasser in Richtung Rhein gepumpt. © Remy

Drei Schöpfwerke pumpen das Wasser aus dem Hinterland in den Rhein

„Nicht nur der Deich sorgt also bei uns für trockene Füße, sondern auch die drei Schöpfwerke und eben das Grabensystem“, erläutert Friedrich die Hintergründe. Denn das viele Wasser fließe eben jetzt in diesen Tagen über die Gräben zum Rhein. Am Ende sind Schöpfwerke dafür verantwortlich, dass das Wasser in den Rhein gepumpt wird, sollte der Strompegel über dem des Grabens hinter den Schöpfwerken liegen.

„Gut ist, dass wir hier auf dem ‘platten Land’ leben“, sagt Friedrich. Deshalb gebe es keine hohen Fließgeschwindigkeiten, anders als an der Ahr im vorigen Jahr. Eine Situation wie dort könne hier nicht geschehen, beruhigt der Fachmann. Alles, was hier passiert, auch im Hinterland, passiere langsam, man könne sich darauf einstellen. Hier gebe es keine dynamische Fließgeschwindigkeit, kein Gefälle eben. Trotzdem wird es auch hier in Tieflagen zu Wasserschäden an den Gebäuden oder Wassereintritt in die Keller kommen.

„Der Sturm hat uns wieder viel Arbeit beschert“

Deshalb müssten die Gräben in Ordnung gehalten werden, was eine der vielen Aufgaben des Deichverbandes sei, betont er. Im Herbst würden sie turnusgemäß alle gereinigt. „Der Sturm hat uns da aber wieder Arbeit beschert“, berichtet der Geschäftsführer des Deichverbandes. Weil es auch weiterregnen soll, geht er davon aus, dass die angespannte Lage im Hinterland noch gut eine Woche andauern wird. „Die Situation zeigt aber, dass Hochwasserschutz nur funktioniert durch das Zusammenspiel von Deichen und Schöpfwerken“, unterstreicht Friedrich.

Die gibt es motorisiert übrigens erst seit Mitte der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Davor wurden die Schleusentore einfach nur geschlossen, so dass das Wasser im Hinterland kontinuierlich angestiegen war. „50 Prozent des Gebietes stand unter Wasser“, weiß der verantwortliche Mann vom Deichverband. Heute pumpt etwa das Schöpfwerk Löwenberger Tor, auf das Friedrich von seinem Büro des Deichverbandes an der Stadtweide schaut, pro Sekunde 3,7 Kubikmeter Wasser in Richtung Rhein „Das“, lacht er, „ist wirklich eine ganze Menge“.

Deichverband ist quasi „Feuerwehr der Wasserwirtschaft“

Führt der Rhein also Hochwasser, und es fällt sehr viel Regen über eine längere Zeit, kommt es im Deich-Hinterland mit Qualmwasser – also Wasser, das unter dem Deich durchsickert, gestiegenem Grundwasser und starken Niederschlägen eben zu einer Situation, in der jede Menge überschüssiges Wasser in Richtung Rhein geleitet werden muss. Dass das funktioniert, darum kümmert sich der Deichverband. Friedrich: „Wir sind quasi die Feuerwehr der Wasserwirtschaft. Wir löschen nicht, wir leiten dafür aber im Hinterland überschüssige Wassermassen ab“, bringt es Friedrich auf den Punkt.