Emmerich. Im Emmericher Rathaus wurden die offiziellen Aussagen der Stadt Münster zur Pleite der Greensill Bank zur Kenntnis genommen.

Die Stadt Münster hatte in der vergangenen Woche eine offizielle Pressemitteilung zur Greensill Bank veröffentlicht. Der Tenor: Münster ist nicht von der Insolvenz der Bremer Privatbank betroffen, da keine Anlagen getätigt wurden.

Intention der Aussagen ist nicht bekannt

Auch bei der Stadt Emmerich, die bekanntlich um eine Anlage in Höhe von sechs Millionen Euro bangt, wurden die Aussagen zur Kenntnis genommen. Und führten durchaus auch zum ein oder anderen Kopfschütteln. „Ich weiß nicht, welche Intention dahinter steckt, so eine Pressemitteilung herauszugeben“, sagt Tim Terhorst, Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Archiv bei der Stadt Emmerich.

Die Stadt Münster hatte in ihren Aussagen, die durchaus einen leicht oberlehrerhaften Charakter aufweisen, darauf hingewiesen, dass sie im Sommer 2019 „sehr genau hingesehen“ habe, als es galt, „ein vergleichsweise attraktives Angebot der Greensill Bank für die Anlage eines längerfristigen Festgeldes zu prüfen“.

Schweizer Agentur beauftragt

Die Verantwortlichen der Stadt Münster beauftragten damals eigens die Schweizer Agentur Independent Credit View (I-CV) mit einer besonders sorgfältigen Prüfung der Greensill Bank. Dieser Prüfauftrag der Stadt Münster führte dazu, dass die Schweizer I-CV-Experten schon 2019 zu einer warnenden Einschätzung hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit der Greensill Bank kamen, während die Privatbank mit Sitz in der Hansestadt Bremen in den Augen der meisten anderen Fachleute noch unauffällig war.

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Während Münster der Einschätzung der von ihr extra beauftragten Agentur folgte, verließ sich Emmerich auf die Bewertung anderer einschlägiger Ratingagenturen. Welches Honorar an die Schweizer Agentur Independent Credit View überwiesen wurde, sagt die Stadt Münster im Übrigen nicht.

Fünf Millionen waren für drei Monate angelegt worden

Zudem gibt es auch einen weiteren Unterschied zu Emmerich. Münsters Stadtkämmerin Christine Zeller nennt explizit die „Anlage eines längerfristigen Festgeldes“. In Emmerich kann von einer längerfristigen Anlage keine Rede sein. Denn zunächst wurde im vergangenen Jahr eine Summe von einer Million Euro angelegt. Diese Anlage sollte bis Juni 2021 laufen. In diesem Jahr wurden weitere fünf Millionen Euro für drei Monate nachgeschoben, die schon im kommenden Mai fällig werden sollten.

Negativzinsen vermeiden

Unterschwellig wird in einigen Teilen der Emmericher Bürgerschaft angenommen – und auch Kommentare von NRZ-Lesern gehen in diese Richtung, dass die Stadt Emmerich mindestens fahrlässig gehandelt habe. Nach dem Motto: Wenn ein Angebot einer Bank zu gut ist, muss man hellhörig werden. Zur Klarstellung: Mit der ersten eine Million Euro vor einem Jahr war noch ein kleiner positiver Zinssatz verbunden. Der genaue Zinssatz ist nicht bekannt, soll nach Angaben von Bürgermeister Peter Hinze aber weit weniger als 0,3 Prozent gewesen sein. Bei den letzten fünf Millionen habe es dann überhaupt keine Zinsen mehr gegeben. Die Anlage diente allein dem Zweck, Negativzinsen zu vermeiden.

Weitere Fragen sind noch offen

Dass die Stadt Münster nun mit einer Mitteilung an die Öffentlichkeit geht, könnte – neben möglichen parteipolitischen Erwägungen – auch an der Berichterstattung in den Medien liegen, vermutet Terhorst. „Es wurde ja immer davon geschrieben, dass eine deutsche Stadt nicht bei der Greensill Bank angelegt hat, weil sie Bedenken hatte. Es war bisher nur nicht bekannt, um welche Stadt es sich handelt“, so Terhorst. Die Frage nach der Stadt hat sich damit geklärt. Viele weitere Fragen zum Themenkomplex Greensill Bank sind aber weiterhin offen.

>> Das ist Independent Credit View

Die Schweizer Agentur Independent Credit View (I-CV) wirbt mit dem Leitspruch „the view behind the rating“ – also: „Der Blick hinter das Rating.“ Die Agentur analysiert, beurteilt und überwacht die Kreditqualität von über 800 nationalen und internationalen Kapitalmarktschuldnern, Privatplatzierungen und Darlehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in unabhängige Kredit-Ratings und wertorientierte Empfehlungen umgesetzt und verhelfen so zu einer besseren Anlageperformance.

Daniel Pfister, CEO von Independent Credit View, hat in einem Interview aus dem Jahr 2018 mit dem Schweizer Fachmagazin Finanz und Wirtschaft ganz allgemein festgestellt: „Nach unserer Meinung geben die Ratingagenturen den Unternehmen zum Teil zu viel Spielraum“.