Köln/Essen. Ab 8. Januar verbessert der VRR das Bahn-Angebot zwischen Krefeld und Neuss. Die eingesetzten Fahrzeuge wirken aus der Zeit gefallen.

Die Fahrt mit der neuen Linie RB37, die ab dem 8. Januar zwischen Krefeld und Neuss das dortige Regionalzugangebot wochentags verdoppelt, wird auch eine Zeit-Reise. Auf modernen Komfort müssen Nutzer in den Zügen des Bahnanbieters TRI verzichten. Dafür könnte die „Niers-Erft-Bahn“ mit einer Eisenbahn-Tugend aufwarten, die Pendler von der Bahn heute selten gewohnt sind: Pünktlichkeit!

Kein WLAN an Bord und keine Klima-Anlage, statt dessen Fenster, die man Oberkörper weit öffnen kann, und Türen mit Drehgriff, die man kräftig anpacken muss, sonst kommt man weder rein noch raus: Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) spricht von „älteren Reisezugwagen“, die auf der nur 19,13 Kilometer langen Linie zum Einsatz kommen. Tobias Richter, Chef von TRI, dessen Kürzel etwas von Fluglinie hat und für Train Rental International steht, präzisiert das: „Unsere Züge sind zum Teil 50 Jahre alt, die Loks bis zu 60 Jahre.“ Lesen Sie auch: Neuer Regionalexpress RE47 fährt Mini-Strecke

Neue Bahnlinie zwischen Krefeld und Neuss: Alte Züge, aber im „Top-Zustand“

„Wir werden auf der Linie zwischen Neuss und Krefeld sogenannte N-Wagen einsetzen“, zuletzt modernisiert im Jahr 2010, erklärt Richter. Die Fahrzeuge sind „in Top-Zustand im Sinne der Nachhaltigkeit“, versichert er. Ältere Bahn-Nutzer könnten sie noch aus früheren Tagen kennen - als die guten alten „Silberlinge“ der einstigen Bundesbahn. Die bis dato letzten im Bereich des VRR wurden Ende 2016 verabschiedet. Sehen Sie dazu die Fotostrecke:Tschüss, alte Regionalbahn RB35!

Der Einsatz solcher Fahrzeuge habe viele Vorteile, meint Richter: Sie sind „voll analog“, deshalb „sehr zuverlässig“ und seien, „vernünftig in Stand gehalten, praktisch unkaputtbar“, wirbt Richter. Betriebsstörungen wegen technischer Probleme „sind bei uns sehr selten“, sagt der TRI-Chef. Zumal bei TRI vom Personal noch die alten Eisenbahner-Tugenden gefordert seien, wie der Bahn-Unternehmer erklärt: „Lokführer bei uns bedienen keinen Triebzug mit Joystick, die eher Computer auf Schienen gleichen, sondern müssen bei unserer analogen Lok-Technik auch in der Lage sein, eine Störung auf der Strecke selbst zu beheben.“

Fan-Sonderverkehr: „Wir fahren Fußball-Anhänger, die andere nicht transportieren wollen“

Manche Fußball-Anhänger dürften TRI von Fan-Sonderzügen kennen. Bei Begegnungen der NRW-Teams untereinander ist TRI seit 2018 Anbieter aller „Sonderverkehre“ für den Fan-Transport von der 1. bis zur 3. Liga. „Wir fahren da für manche Vereine die Anhänger, die andere Unternehmen nicht transportieren wollen. Und trotzdem sind die Vandalismus-Schäden in den eingesetzten Fahrzeugen vergleichsweise gering“, sagt Richter.

Die Wagen, die TRI einsetzt, sind bis zu 50 Jahre alt, aber wurden 2010 umfangreich modernisiert. WLAN und Klimaanlage sind aber nicht an Bord.
Die Wagen, die TRI einsetzt, sind bis zu 50 Jahre alt, aber wurden 2010 umfangreich modernisiert. WLAN und Klimaanlage sind aber nicht an Bord. © TRI Train Rental GmbH | TRI Train Rental GmbH

Das liege seinen Worten nach auch am „Gute-Laune-Prinzip“ an Bord von TRI: „Unser Servicepersonal ist geschult, sich in besonderer Weise den Fahrgästen zu widmen in puncto Hilfsbereitschaft und Service. Zug-Durchsagen zum Beispiel sind da häufig etwas unterhaltsamer formuliert.“ Der VRR hebt hervor: „Die Fahrzeuge sind durchgehend mit Zugbegleitpersonal besetzt und können bei Bedarf den Fahrgästen beim Einstieg helfen. Die Wagen sind mit einer Rampe bzw. einem Hub-Lift für Rollstühle ausgestattet.“ Doch Tobias Richter schränkt ein: Große E-Rollstühle zu befördern, könne man bei der Linie RB37 nicht garantieren. Deren Barrierefreiheit hat leider Grenzen.

TRI sprang im VRR schon öfter ein, wenn andere Anbieter in Not waren

Die neue Linie, die wochentags im Stundentakt verkehrt, dürfte auch Bahn-Fans anziehen, glaubt Tobias Richter. So kenne man es zum Beispiel aus Baden-Württemberg, wo TRI inzwischen mehrere Regionalzuglinien im Raum Stuttgart betreibt. Manche Nutzer könnten die Wagen aber auch als „Schrottzüge“ empfinden, wie 2020 auf der Linie S3 (Oberhausen-Hattingen), als der damalige Anbieter Abellio mangels Lokführern die S-Bahnlinie kurzerhand einstellte und TRI einsprang. Abellio ist im VRR inzwischen Geschichte wegen Millionen-Verlusten.

Richter kennt solche Reaktionen, doch hätte man bei Kundinnen und Kunden eine andere Erfahrung gemacht: Das Meinungsbild zeige, „es muss nicht das neueste und modernste Material sein, das im Einsatz ist“, sagt er. Kunden lägen mehr Gewicht auf Pünktlichkeit, Sauberkeit und die persönliche Ansprache der Servicekräfte an Bord. „Dass wir dem offenbar in besonderer Weise gerecht werden, ist unser Erfolgsrezept“, freut sich Richter: „Fahrgäste fühlen sich bei uns gut und angenehm aufgehoben und unterhalten.“

RB37: Mehr Pünktlichkeit durch einen kurzen Laufweg

Womit man bei der Pünktlichkeit wäre: Soweit es TRI auf der Strecke in der Hand hat, sollten Verspätungen auf der Linie RB37 die Ausnahme bleiben. Ein wichtiger Grund: Der Laufweg hat nur zwei Zwischenstopps in Krefeld-Oppum und Meerbusch-Osterrath, je Richtung stehen 16 Minuten von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof im Fahrplan: Da bleibt nicht viel Raum für Verspätungen. Anders als auf der Linie RE7, der bis dato einzigen direkten Regionalzugverbindung zwischen Neuss und Krefeld. Deren RRX-Strecke jedoch ist 13-mal länger und führt mit 24 Halten von Krefeld über Köln, Solingen und Wuppertal bis ins westfälische Rheine. In Richtung Krefeld ist da immer mal wieder bereits in Neuss Schluss, damit die Linie auf dem Rückweg einige Minuten Verspätung aufholen kann. Aber in Krefeld sind Reisende dann abgehängt.

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„Die RB 37 schließt nicht nur eine Lücke zwischen Krefeld und Neuss, sie bietet auf der Verbindung Krefeld – Meerbusch - Köln eine zweite attraktive Fahrtmöglichkeit je Stunde“, hebt Tobias Richter hervor. In Neuss Hauptbahnhof sind RB 37 und RE 6 (RRX Köln/Bonn Flughafen - Minden) von „National Express“ in beiden Richtungen mit einem „quasi garantierten“ Anschluss zueinander verknüpft. Ist der RE6 verspätet, warte die RB 37 nach Meerbusch und Krefeld in Neuss Hbf etwa bis zu 5 Minuten auf den Regionalexpress nach Köln, erläutert Richter. RB37-Fahrgäste, die weiterreisen wollen, sollten an Bord das Zugpersonal informieren, rät Richter.

Ein RRX-mit TRI-Logo ist äußerst unwahrscheinlich!

Vorerst läuft der Vertrag mit dem VRR bis 13. Dezember 2024, sagt Richter, dem nächsten großen Fahrplanwechsel. Wie es dann weitergeht, sei noch offen. „Ein Auftrag wie die „Niers-Erft-Bahn“ passt zu uns, denn wir können sehr gut kleine Nischen bedienen“, meint der TRI-Chef. „Bei der RB 37 haben wir zum ersten Mal „Regelverkehr“ NRW, sagt er: „Große Linien überlassen wir gerne unseren Partnern der Bahnen in NRW.“

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Warum TRI auf museumsreife Züge setzt, erklärt sich auch aus der Unternehmens-Größe: „Wir fahren ausschließlich mit lokbespannten Zügen, weil wir dann die Wagenzahl beliebig verändern können. Der eine Kunde verlangt 200 Sitzplätze, der andere 1.200. Die heute gängigen starren Triebzüge sind hier viel zu unflexibel“, beschreibt Richter. Eine RRX-Linie mit TRI-Logo wäre äußerst unwahrscheinlich, sagt Richter: „Neue Einzelwaggons gibt es nicht zu kaufen. Selbst ein 25 Jahre alter Doppelstockwagen koste immer noch eine halbe Million Euro, bis er wieder fährt, sagt der TRI-Chef: „Da kann man sich leicht ausrechnen, was ein gebrauchter Fünf-Wagen-Zug kostet – ohne Unterhalt!“ Dann also lieber ehemalige DB-“Silberlinge“...

Ab 8. Januar kann jeder testen, wie es sich darin fährt.

Hintergrund: Fast hätte das Unternehmen TRI Corona nicht überlebt

Tobias Richter ist Geschäftsführer des privaten Bahnunternehmens Train Rental (TRI).
Tobias Richter ist Geschäftsführer des privaten Bahnunternehmens Train Rental (TRI). © Train Rental GmbH | Train Rental GmbH

Beim Bahn-Unternehmen TRI ticken die Uhren anders als bei den Groß-Anbietern DB, Eurobahn und Co.: „Wir sind ein Familien-geführtes Unternehmen. Das ist im Schienenpersonenverkehr in Deutschland sehr selten“, erklärt TRI-Chef Tobias Richter. Es sei zudem ungewöhnlich mit überwiegend eigenem Zug-Material zu fahren, wie es TRI macht, sagt der 61-Jährige: “Ich will mit dem fahren, was mir auch gehört, ist mein Prinzip“, erklärt er: „So habe ich die Fahrzeuge als stille Reserve in den Büchern, falls das Unternehmen in eine Krise käme.“ Die gab es erst vor wenigen Jahren. „Unser Unternehmen hat mit Traditionsfahrten im hochklassigen Bahntourismus „TransEuropExpress“ begonnen“, beschreibt Richter. „Doch dieser Geschäftszweig hat die Corona-Pandemie nicht überstanden, da das Publikum, fast nur Senioren, über Jahre fernblieb“, erinnert sich Richter. Er habe alle historischen Wagen verkaufen müssen, um die Löhne weiter voll zu bezahlen: „Mit Kurzarbeit hätte ich mein Fachpersonal sofort verloren“, sagt der TRI-Chef. „Noch im Mai 2022 sollten wir die Sonderfahrten zur „Mensch“-Tournee von Herbert Grönemeyer durchführen“, erinnert sich Richter: „Zwei Tage vor dem Start der Tournee gabs in der Band plötzlich Corona-Fälle und alles wurde abgesagt. Alle Vorbereitung war umsonst!“ Als Privatunternehmer ohne starken Aktionär im Rücken „musste ich auch das Haus meiner Schwiegermutter und das meines Vaters verkaufen, um das Unternehmen betriebsfähig zu halten. Sonst würde es TRI heute nicht mehr geben.“

(dae)