An Rhein und Ruhr. Die Pleite hat Folgen für die Fahrgäste. Auf mehr als 20 Millionen Zugkilometer kamen die Züge und S-Bahnen von Abellio bisher pro Jahr in NRW.
Reisende und Pendler in Nordrhein-Westfalen bekommen die Folgen des Abellio-Marktaustritts in der kommenden Woche zu spüren. Am Montag tritt der größte Teil des Übergangsfahrplans in Kraft, der auf wichtigen Abellio-Linien weniger Züge und S-Bahnen vorsieht als im normalen Betrieb. Ab dann fährt der RE11 nicht mehr zwischen Düsseldorf und Essen, Fahrgäste sollen auf andere Linien umsteigen. Die Regionalbahn 35 von Mönchengladbach nach Gelsenkirchen wird ebenfalls eingestellt. Grund für das ausgedünnte Angebot sind Personalengpässe bei Abellio, dessen Beschäftigte ab Februar für andere Bahnfirmen arbeiten sollen und dafür Schulungen bekommen.
VRR: "Es wird ruckeln"
„Es wird ruckeln“, hatte VRR-Vorstandssprecher Ronald Lünser angekündigt, als das Ausscheiden von Abellio aus dem Zugbetrieb im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr offiziell war. Was sich jetzt für einen sechswöchigen Zeitraum ab dem 17. Januar ankündigt, ist allerdings durchaus ein Nahverkehrsbeben mittlerer Stärke und gleicht eher einem Fahren auf Sicht.
Nach NRZ-Informationen ist besonders der Niederrhein betroffen. Auf der Linie RE 19 von Düsseldorf über Wesel nach Arnheim müssen Lokführer für die Bahnsysteme in beiden Ländern ausgebildet sein. Zwar sind die Mitarbeitenden von Abellio in den allermeisten Fällen wechselwillig, dennoch muss die übernehmende Firma, hier die Vias-Rail , die Mitarbeitenden für den Umstieg auf eine neue Firma schulen.
RE19: Große Herausforderung für ein kleines Unternehmen
Auch, wenn die Züge die gleichen sind, hat jedes Unternehmen seine eigenen Richtlinien, müssen die Personale mit neuen Mobiltelefonen und Tablets ausgestattet werden. Kein Bahnunternehmen setzt ungeprüft Fahrzeuge auf die Schiene. Zwei bis drei Werktage für jeden der 1000 Abellio-Beschäftigten kalkuliert der VRR dafür ein und tritt daher beim Fahrplan erstmal auf die Bremse. Weil ein Ausdünnen mit Konzept für die Kunden immer noch besser ist als unvorhersehbare Ausfälle.
Der gesamte Übergang von Personal und Zügen wird den Betrieb bis Ende Februar massiv beeinflussen - ab 28. Februar soll der Verkehr dann wieder laufen. Der Betriebsübergang über Nacht, nicht einmal an einem Wochenende, sondern in der Nacht von Montag auf Dienstag, vom 31. Januar auf den 1. Februar, wird eine Herausforderung. Vor allem für die in Düren beheimatete Rath-Gruppe, die mit der Firma Vias-Rail das Niederrhein-Netz übernimmt, eine besondere Herausforderung dar, werden doch hier auf einen Schlag Mitarbeiterzahl und Zugkilometer verdoppelt. Und - noch ein kleines Extra – gleich am ersten Tag eine nagelneue, frisch elektrifizierte Strecke in Betrieb nehmen darf.
Denn DB Netz sichert zu: Die für ein gutes halbes Jahr zwecks Umbau gesperrte Strecke Wesel-Hamminkeln-Bocholt ist startklar. Bedeutet für Vias-Rail: Stündlich wird in Wesel der RE 19 von Düsseldorf kommend geteilt: ein Zugteil fährt nach Arnheim, der andere nach Bocholt. Und genauso kommen – hoffentlich einigermaßen zeitgleich – zwei Züge aus Bocholt und Arnheim in Wesel an und werden dort zur Weiterfahrt nach Düsseldorf vereinigt.
Starten solllte dieses Konzept für den RE 19 sollte eigentlich bereits ab Mitte Dezember - doch Kabeldiebe auf der Strecke und Krankheitsfälle zogen die Bauarbeiten in die Länge.
Wermutstropfen für die Bahnpendler am rechten Niederrhein: Die Verstärkerzüge zwischen Emmerich und Düsseldorf fallen ab dem 17. Januar wegen des Betreiberwechsels genauso aus wie bereits ab 10. Januar der RE49 von Wesel nach Wuppertal
Und – nächstes Handicap: Bereits ab dem 19. Februar wird auf der Strecke nach Angaben von DB-Netz wieder massiv gebaut. Vollsperrungen sind an den letzten beiden Februarwochenenden sowie von 5. bis zum 20. März geplant. Zwei Monate (bis 22. April) kann die Strecke nur eingleisig befahren werden, an den Wochenenden wird komplett gesperrt.
Auswirkungen auch auf vielen weiteren Abellio-Linien
Nicht nur die Linien am Niederrhein sind von dem Betreiberwechsel betroffen: Bereits ab dem 8. Januar sollen deswegen die Züge der Linie RB 40 von Essen nach Hagen und zurück durch das Unternehmen TRI übernommen. Bahnfans werden sich erinnern: Als vor zwei Jahren das Abellio-Desaster mit massiven Ausfällen im S-Bahn-Betrieb begann, sprang die Firma bereits einmal ein. Mit einem Fuhrpark, den Bahnfans mögen, der aber in Sachen Barrierefreiheit und Klima nicht dem gewohnten Standard entspricht.
Ähnlich sieht es auf der RRX-Linie 11 von Düsseldorf nach Kassel aus: Hier sucht die in Mönchengladbach beheimatete Centralbahn AG bereits in sozialen Netzwerken nach Personal, das hier mit älteren Doppelstockwagen zumindest einen Zwei-Stunden-Takt zwischen Essen und Kassel sicherstellen soll, ebenfalls bis Ende Februar. Zwischen Düsseldorf und Essen fällt diese RRX-Linie aus. Was vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass der übernehmende „Nationalexpress“ sein gesamten Personalreserven dafür mobilisieren wird, dass zumindest die wichtigste Linie im NRW-Schienennetz, der RRX 1 von Aachen über Köln., Düsseldorf und Essen nach Hamm weitgehend störungsfrei weiterläuft.
DBRegio, das ab Februar das S-Bahen und das Ruhr-Sieg-Netz übernimmt, wird sich zunächst darauf konzentrieren, den Verkehr im Sauerland am Laufen zu halten: Denn mit den Linien von Essen und Hagen Richtung Siegen (RE16/RB91) soll den Menschen dort wegen der Sperrung der A45 zumindest eine erneute Blockade der gerade erst von Hochwasserschäden genesenen Bahnstrecke erspart bleiben. Auch hier noch eine kleine Einschränkung: Die Zugteilung in Letmathe fällt ab 1. Februar weg: Die Strecke nach Iserlohn wird für einen Monat nicht bedient. Es fahren Busse.
Im Bereich der S-Bahn-Rhein-Ruhr soll die Linie 2 (Essen bzw Recklinghausen-Gelsenkirchen-Dortmund) weiter fahren, gleiches gilt für die S9 (Wuppertal-Essen-Gladbeck-Haltern/Recklinghausen). Als eher verzichtbar gilt da hingegen die RB 35 Mönchengladbach-Duisburg-Gelsenkirchen vom 17. Januar bis zum 27. Februar. Ebenso die Linie RB46 Bochum-Gelsenkirchen, auch hier wird an einem Schienenersatzverkehr gearbeitet. Auf der Linie S7 (Wuppertal-Solingen) fahren vom 17. Januar bis Ende Februar nur zwei statt drei Züge pro Stunde und Richtung.
Das Abelliodrama noch einmal kurz erklärt:
Die Nahverkehrstochter Abellio war angetreten, im deutschen Markt Anteile zu erobern und zu lernen, wie man Geld verdient – zu Gunsten der Mutter Nederlandse Spoorwegen.
Indes: Die „Markteintrittspreise“ waren nicht kostendeckend. Die Kalkulation (nicht nur bei Abellio, u.a. beim französischen Töchterlein Keolis) gingen nicht auf, die Zahlen wurden rot und röter, Abellios Mutter mag nicht mehr zahlen. Die Folge: Schutzschirmverfahren und ab 1. Februar mutmaßlich eine Insolvenz sowie eine Notvergabe der Linien an drei andere Unternehmen: DBRegio, NationalExpress und Vias. Für mehr Geld. Jetzt zu zahlen vom hiesigen Steuerzahler.