Düsseldorf. Ingo Becker und Hund Monty sind obdachlos in Düsseldorf. Nun will der 50-Jährige wieder auf die Beine kommen. Wie ein Schließfach dabei hilft.
„Ich bin oft auf die Schnauze gefallen“, erinnert sich Ingo Becker an die vergangenen Monate. Neben ihm steht sein Bollerwagen, überzogen mit einer Plane, sein Hab und Gut hat er mit zwei Spanngurten befestigt. Der 50-Jährige lebt auf der Straße, vor Kurzem ist er in Düsseldorf gestrandet. Seit zehn Jahren an seiner Seite: Hund Monty.
Über 20 Jahre hat der heute Obdachlose auf den Balearen gewohnt und gearbeitet, kurz sogar auf der Ranch der Millionärs-Familie „Die Geissens“. Jetzt lebt Becker auf der Straße und hat einen festen Platz in der Notschlafstelle an der Graf-Adolf-Straße. Seinen Rucksack hat er für den heutigen Termin dort gelassen. Doch seinen schwarzen Wagen hat er dabei – und das aus gutem Grund. Er ist der erste Obdachlose, der die neuen Schließfächer am Bertha-von-Suttner-Platz hinter dem Hauptbahnhof einweihen darf.
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Neun Fächer gibt es in dem großen silbernen Container insgesamt – kostenfrei. Zur Verfügung gestellt wurde der große Schrank von der Landesinitiative „Endlich ein Zuhause“, gebaut haben ihn Häftlinge der JVA in Castrop-Rauxel und verwaltet werden die Fächer von dem Düsseldorfer Sozialwerk „Franzfreunde“. „Wir haben insgesamt neun Streetworker und Streetworkerinnen, die in Düsseldorf unterwegs sind. Aus unserer Erfahrung wissen wir, wie sehr die Menschen so einen Schrank benötigen“, erklärt Jürgen Plitt, Geschäftsbereichsleitung der Wohnungslosenhilfe bei den „Franzfreunden“, den Hintergrund des Projektes.
„Auf der Straße wird viel geklaut und gestohlen, wir glauben, dass diese Schließfächer die Lebensqualität steigert. Sie gibt den Menschen mehr Sicherheit“, so Plitt weiter. Eine Erfahrung, die auch Ingo Becker schon gemacht hat. „Auf seine Sachen muss man gut aufpassen, draußen laufen viele Bekloppte rum“, sagt der 50-Jährige. So sei ihm bereits eine große Plastikdose mit Geld gestohlen und selbst seinem Hund Monty der Geldbecher unfreiwillig weggenommen worden.
Obdachlosen-Schließfächer in Düsseldorf: „Gibt mir Unabhängigkeit zurück“
„Unsere Zielgruppe sind nicht nur Menschen wie Ingo Becker, wir wollen vor allem Leute ansprechen, die aus vielen verschiedenen Gründen nicht in die Notschlafstellen kommen und ihre Habseligkeiten trotzdem unterbringen möchten“, erzählt Bereichsleiter Plitt im Gespräch mit der NRZ bei dem Vor-Ort-Termin zur Inbetriebnahme.
Organisiert wird die Vergabe der Fächer in der Notschlafstelle Harkortstraße, dort müssen sich die Nutzer einmal monatlich melden und durch ihre Unterschrift bestätigen, dass sie ihren Schrank weiter nutzen wollen. „Damit wollen wir vermeiden, dass es Fächer gibt, die leer bleiben oder ungenutzt sind und andere keine Chance haben, diese in Gebrauch zu nehmen“, so Plitt. Ob es in naher Zukunft noch mehr solcher Schränke geben wird, könne Plitt nicht sagen. „Wir warten erst einmal ein paar Monate ab und evaluieren, wie das Angebot ankommt.“
Bei Ingo Becker kommt das neue Schließfach jedenfalls gut an. Im Bahnhof müsse man dafür viel Geld bezahlen. Und nicht nur finanziell sei das Angebot eine Entlastung: Normalerweise zieht er den ganzen Tag seinen Bollerwagen mit sich herum, zwar darf sein Wagen ausnahmsweise auch in der Notschlafstelle unterkommen, doch an die Sachen komme er immer erst abends wieder ran. „Jetzt habe ich 24/7 Zugriff auf mein Zeug. Das gibt mir die Unabhängigkeit zurück“, so Becker.
Neue Schließfächer für Obdachlose in Düsseldorf: „Hilft dabei, wieder auf die Beine zu kommen“
Gleich muss er los, der 50-Jährige will zu der Diakonie – dort hat er eine Postadresse – und seine Briefe abholen, vielleicht sei auch ein Schreiben des Jobcenters dabei. Der einstige Auswanderer möchte wieder auf Spur kommen und arbeiten gehen. Nur brauche er dafür einen Platz in einer Außenwohngruppe: „Ich muss den Hund ja irgendwo lassen können, wenn ich auf der Arbeit bin“, sagt Becker.
Doch der 50-Jährige klingt optimistisch – und freut sich, als er seinen Wagen zum ersten Mal in das große Fach hinter dem Bahnhof hievt. „Er passt ganz hinein“, sagt Becker und streichelt im nächsten Moment seinen treuen Begleiter Monty. „Das Projekt hilft mir dabei, wieder auf die Beine zu kommen. In zwei Monaten will ich wieder ein Teil der Gesellschaft sein“, sagt Becker. Gleich muss er los, Monty steht schon an der Leine bereit. Angst um ihre Habseligkeiten müssen die beiden in nächster Zeit wohl nicht mehr haben.