Düsseldorf. Am Samstagnachmittag haben rund 400 Menschen vor der Landeszentrale der Grünen in Düsseldorf demonstriert. Das steckt hinter dem Protest.

Reggae-Musik tönte aus den Lautsprechern, vereinzelt mischte sich süßer Cannabis-Geruch in die Luft, die Parole „Eins, zwei, drei - Gebt das Hanf frei!“ war lautstark zu hören: Vor der Landeszentrale der Grünen NRW an der Oststraße in der Düsseldorfer Innenstadt haben am Samstagnachmittag (16. März) rund 400 Menschen demonstriert. Der Grund: Die Cannabis-Aktivisten protestierten vor dem Parteibüro für eine rasche Umsetzung des Cannabisgesetzes, das am 23. Februar im Bundestag von der Ampel-Koalition beschlossen wurde.

Aufgerufen zu der Demo hatte ein Bündnis, bestehend aus mehreren Hanfverbänden aus der Region, darunter auch der Hanfverband Düsseldorf. Warum der Protest vor der Landeszentrale der Partei stattfand? „Weil die Grünen in NRW mit Justizminister Benjamin Limbach den Vermittlungsausschuss des Bundesrates anrufen, weil sie die Amnestie-Regelungen zum 1. April nicht umsetzen können“, erklärte Chris Demmer vom Hanfverband Düsseldorf den Grund für die Demo.

Hanfverband Düsseldorf fordert Umsetzung der Amnestie-Regel

Zum Hintergrund: Ursprünglich sollte mit dem Gesetz in einem ersten Schritt der Besitz von Cannabis zum 1. April entkriminalisiert werden. Ob es wirklich so kommt, wird nun am kommenden Freitag (22. März) im Bundesrat entschieden. Bei der finalen Hürde für das neue Gesetz droht eine mögliche Blockade durch Innen- und Justizpolitiker von SPD und Grüne sowie der CDU und AfD, vor allem in Nordrhein-Westfalen gab es zuletzt erheblichen Widerstand gegen das (zeitnahe) Inkrafttreten.

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Geht es nach NRW-Justizminister Limbach, soll das Gesetz erst ab dem 1. Oktober gelten. Der Grünen-Politiker führte bereits einige Tage nach der Abstimmung im Bundestag als Grund an, dass die Zeit zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes nicht ausreiche, damit Staatsanwaltschaften und Gerichte „die Regelungen zum rückwirkenden Straferlass fristgerecht umsetzen können“, wie er dem Fachdienst Table.Media sagte. Alleine in NRW müssen derzeit mehrere Zehntausende Fälle geprüft werden. Tritt das Gesetz in wenigen Wochen in Kraft, dürfen alle Menschen, die vor dem 1. April wegen Cannabis-Delikten verurteilt wurden, auf Straffreiheit hoffen.

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„Wir sind der Meinung, sie können die Amnestie-Regelung zum 1. April umsetzen“, so Chris Demmer vom Düsseldorfer Hanfverband weiter. Zuerst müsse es darum gehen, dass geschaut wird, wer aus der Haft entlassen werden kann. „Diese Fälle müssen zuerst geprüft werden, alle anderen Fälle müssen danach geprüft werden“, forderte der Sprecher des Verbandes am Rande der Veranstaltung. „Das Gesetz muss kommen.“ Zumal auch viele Cannabis-Clubs, in denen planmäßig ab dem 1. Juli Gras legal verkauft werden soll, „in der Luft hängen. Denn sie können aktuell alle überhaupt nicht planen, wann und wie es losgehen soll“.

Hanfverbände schlugen Grünen Dialog vor

Aus Sicht des Düsseldorfer Hanfverbandes wäre es zudem „zu tiefstes Unrecht“ wenn Cannabis entkriminalisiert wird, aber weiter „Leute im Gefängnis sitzen, oder Geldstrafen zahlen müssen, weil sie mit Cannabis erwischt wurden. Das geht nicht“, führte Chris Demmer weiter aus. Dass die Grünen als Teil der Ampel-Koalition das Gesetz erst noch in den Vermittlungsausschuss schicken wollen, stößt den Verbandssprecher besonders sauer auf: „Die Grünen in NRW brechen mit ihrem eigenen Wahlprogramm, wollen ihr eigenes Gesetz in den Bundesrat schicken. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar.“

Wie Demmer weiter berichtete, haben Vertreter der Hanfverbände den Grünen einen Dialog vorgeschlagen und um ein Gespräch in der Zentrale an der Oststraße gebeten. Eine Antwort blieb laut seinen Aussagen jedoch aus: „Wir haben nichts gehört und leider auch von der grünen Jugend kein klares Statement bekommen“, kritisierte der Sprecher.

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Rund 400 Menschen demonstrierten am Samstagnachmittag (16. März) vor Parteizentrale der Grünen NRW in der Düsseldorfer Innenstadt. Einige Teilnehmer hatten kreative Protestschilder dabei.
Rund 400 Menschen demonstrierten am Samstagnachmittag (16. März) vor Parteizentrale der Grünen NRW in der Düsseldorfer Innenstadt. Einige Teilnehmer hatten kreative Protestschilder dabei. © NRZ | Christopher Damm

Dass neben Vertretern der Grünen auch Teile der SPD zuletzt Skepsis an dem Gesetz zeigten, sei für Chris Demmer eine Hinhaltetaktik: „Auch das ist nicht nachvollziehbar. Wir hören aus Teilen der SPD und auch aus Teilen der Grünen, dass sie das Gesetz nie wollten. Alle drei Parteien der Ampel-Koalition haben eine Entkriminalisierung gefordert, die auch im Bundestag beschlossen wurde. Und jetzt wollen die drei Parteien das Gesetz im Bundesrat blockieren. Unglaublich.“ Die Bundesregierung müsse sich nun die Frage stellen, ob sich die „Ampel das noch leisten kann, wenn sie nicht auch noch die Gunst ihrer jüngeren Wähler verlieren will.“

Jugendrichter Müller: „Argumente sind fadenscheinig“

Der in der Szene bekannte Jugendrichter Andreas Müller, der sich seit mehr als 30 Jahren für die Entkriminalisierung von Cannabis in Deutschland einsetzt, kritisierte auf der Demo am Samstag in einem Redebeitrag ebenfalls das Vorgehen der Grünen: „Deren Argumente sind fadenscheinig.“ Der Jurist zeigte sich dabei enttäuscht von der Partei, die das Thema jahrelang als Wahlkampfthema auf der Agenda hatte, nun aber zumindest in einigen Teilen einen Rückzieher beim Cannabis-Gesetz machen will. „Ich habe bis vor Kurzem immer gedacht, dass die Grünen diejenigen sind, die uns bei der Legalisierung helfen.“

Nun blickt das Cannabis-Bündnis gespannt nach Berlin, wenn am Freitag im Bundesrat darüber entschieden werden soll, ob der Besitz von Gras ab dem 1. April in Deutschland endgültig legal wird. Jugendrichter Müller appellierte daher an alle Minister, die im Gremium abstimmen dürfen: „Sie haben es in der Hand, die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten durchzusetzen und damit über 50 Jahre langes Unrecht zu beenden.“