Voerde. Die Langzeitbaustelle der Fernwärmeversorgung Niederrhein in Voerde stößt auf harsche Kritik. Das Unternehmen wehrt sich dagegen.
Die Langzeitbaustelle der Fernwärmeversorgung Niederrhein (FN) in Voerde sorgt bei Anwohnern und in Reihen der Politik zusehends für Unmut. Die drei SPD-Ratsherren Stefan Schmitz, Bastian Lemm und Ulrich Neßbach monieren die aus ihrer Sicht „völlig unbefriedigende Situation“ auf der Rönskenstraße. Wegen der dort Anfang des Jahres aufgetretenen Grundwasserproblematik ruhten die Arbeiten dort monatelang. Die drei Sozialdemokraten aber haben auch schon vorher einen Stillstand auf der Baustelle ausgemacht. Sie deuten unter anderem auf das große Loch, das im Einmündungsbereich Rönskenstraße/Friedhofstraße klafft. „Warum ist da seit fast einem Jahr nichts passiert?“, fragt Stefan Schmitz. Einige Meter weiter, gegenüber der Einfahrt zum Kindergarten, stößt der Betrachter auf die nächste Baugrube. Auch dort sei monatelang nichts geschehen.
Die Situation auf der Rönskenstraße sei für alle „unzumutbar“. Insbesondere die Tatsache, dass dort viele Kinder auf dem Weg zur Erich-Kästner-Schule unterwegs sind, bereitet Schmitz, Lemm und Neßbach Sorge. Der bestehende Mehrzweckweg für Radfahrer und Fußgänger ist in Höhe der Einmündung Friedhofstraße wegen der in den Straßenraum der Rönskenstraße ragenden Baugrube verengt. Die Leitplanken, die dort vorher standen, seien abgeflext worden, erklärt Stefan Schmitz – ersetzt durch mobile Absperrgitterschranken. Auf der Straße ist ein metallenes Überbleibsel der Pfosten erkennbar, das „scharfkantig nach draußen“ rage. Da „fahren die Autoräder drüber“. Beim Ortstermin mit der NRZ ist gerade schönes Wetter. Ein Tag Regen reiche aus und der Weg neben der Fahrbahn stehe unter Wasser, berichtet Bastian Lemm.
Weiter stadtauswärts wird der Verkehr auf einem noch längeren Stück der Rönskenstraße über eine Ampel gelenkt, da diese aufgrund der Baustelle nicht in beiden Richtungen gleichzeitig befahrbar ist. Vor den Häusern zieht sich die Baugrube entlang, die Zufahrt zu den Grundstücken ist erschwert. Daneben befindet sich ein von der Stadt als „Notweg“ für Fußgängerinnen und Fußgänger bezeichneter Bereich, der von der Restfahrbahn „auf voller Länge durch Absperrschrankengitter“ abgetrennt ist. Die Stadt sieht dadurch eine „Sicherung gegen den motorisierten Verkehr“ gewährleistet, eine gefährdende Situation könne hier nicht erkannt werden, erklärt Pressesprecher Thorben Lucht auf NRZ-Anfrage. Radfahrer dürfen diesen Weg nicht benutzen. Dies aber scheint nicht jedem klar zu sein. Aufgrund der entgegenkommenden Fußgänger weicht gerade eine Radfahrerin auf die Fahrbahn aus.
Und noch eine heikle Situation lässt sich an dem Nachmittag beobachten: Der Fahrer eines Kleintransporters biegt von der Einfahrt zum Kommunalfriedhof nach links auf die Rönskenstraße ein. Dort bemerkt er dann, dass die Ampel für den Verkehr aus der Gegenrichtung „Grün“ zeigt, also setzt er seinen Wagen zurück. Die ohnehin schon schwierige Verkehrssituation hat sich nach Schilderung von Stefan Schmitz durch die am Montag erfolgte Vollsperrung der Bahnunterführung Steinstraße noch einmal verschärft: „Die Rönskenstraße wird als Hauptumgehungsstraße genutzt.“ Die Befürchtung hatte der SPD-Politiker, der selbst an der Rönskenstraße wohnt, bereits im Stadtrat geäußert. Anwohner sprächen ihn auf die Probleme an, erst vor wenigen Tagen wieder erreichte ihn die Anfrage zum Stand der Dinge – inklusive Kommentar: Mittlerweile sei es eine „Zumutung“.
Die Fernwärmeversorgung Niederrhein müsse „endlich mal zu Potte kommen“, findet Schmitz. Die Tochtergesellschaft der Stadtwerke Dinslaken tritt dem möglichen Eindruck, dass sich die Gesamtmaßnahme verzögere, weil sich an den Baustellen nichts tue, vehement entgegen. Das sei so nicht richtig. „An der Verlegung der Fernwärmeverbindungsleitung zwischen Voerde und Friedrichsfeld wurde mit Ausnahme zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel ununterbrochen gearbeitet“, erklärt eine Sprecherin, die auf die Fertigstellung verschiedener Abschnitte verweist. Etwa auf diese: Mit den Baumaßnahmen auf der Rönskenstraße von der Friedhofstraße bis zur Rönskenstraße Hausnummer 84 sei Anfang Oktober 2023 begonnen worden. Der Leitungsbau über rund 150 Meter sei Anfang Dezember 2023 inklusive Asphaltarbeiten fertiggestellt worden.
Es ist nicht die einzige Aussage, der Schmitz wiederum widerspricht: Das Loch gegenüber der Einfahrt zum Kindergarten klaffe seit Oktober 2023 und es tue sich dort nichts. „Die 150 Meter Fertigstellung sind vielleicht ein Wunschgedanke, mehr aber auch nicht. Die Asphaltarbeiten sind hier auch nicht abgeschlossen, weil der Bereich ab Beginn Ecke Friedhofstraße/Rönskenstraße ja jetzt erneut aufgerissen wird, um den Abzweig aus der Friedhofstraße fertigzustellen“, sagt Schmitz. Der Kreuzungsbereich habe zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund der Kollision mit später geplanten Kanalbaumaßnahmen hergestellt werden müssen, erwidert die FN-Sprecherin. Eine Baumaßnahme dieser Größenordnung sei komplex und erschließe sich einem externen Betrachter nicht immer.
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Anfang Dezember wurde laut FN der nächste Abschnitt an der Rönskenstraße zwischen den Hausnummern 84 und 110 geöffnet und die Rohrleitung verlegt. Durch die starken Regenfälle zu Beginn des Jahres habe sich der Leitungsgraben mit Wasser gefüllt. „Das Wasser konnte aufgrund der gesamten Hochwasserlage und der Überlastung der Kanalsysteme nicht abgepumpt werden. Der Grundwasserpegel hat sich durch die starken Regenfälle um ca. 1,25 Meter erhöht“, führt die FN-Sprecherin weiter aus. Über den Sachverhalt habe die FN die Öffentlichkeit am 29. Februar mit einer Pressemitteilung informiert.
Fertigstellung im Sommer 2024 geplant
Die Niederschlagsmengen der vergangenen Monate hätten die der Vorjahre deutlich überstiegen und seien nicht vorhersehbar gewesen. Unter den sehr schwierigen Bedingungen mit sehr viel Regen habe die Maßnahme im Bereich des genannten Abschnittes „leider nicht wie ursprünglich geplant fortgeführt werden“ können. Stattdessen sei in anderen Bereichen der Gesamtmaßnahme gearbeitet worden. „Aktuell gehen die Pegel langsam zurück, sodass die Rohrleitungsbautätigkeiten fortgeführt werden können und der Rohrleitungsgraben in dem Abschnitt voraussichtlich bis Ende April verfüllt werden kann“, erklärt die FN-Sprecherin.
Mitte Mai 2023 hatte die FN die Dauer der Tiefbauarbeiten für die Errichtung der Fernwärme-Verbindungsleitung von Voerde nach Friedrichsfeld mit einem Gesamtzeitraum von 13 Monaten, beginnend ab Ende Mai, angegeben. Dies hätte eine Fertigstellung voraussichtlich Ende Juni 2024 bedeutet. Die FN peilt für die Maßnahmen auf der Rönskenstraße derzeit einen Abschluss im Sommer dieses Jahres an. Der ist bekanntlich lang, eine konkrete Monatsangabe macht das Unternehmen dazu nicht. „Die Verbindungsleitung muss zur Heizperiode 2024/25 in Betrieb genommen werden“, erklärt die FN-Sprecherin. Angesichts der grundwasserbedingten Verzögerungen dürfte sich die Frage stellen, ob diese selbst gesetzte Frist am Ende zu halten ist – zumal, da das Ende der Rönskenstraße längst nicht erreicht ist.
„In enger Absprache mit der Stadt“
Die Fernwärmeversorgung Niederrhein weist darauf hin, dass sie den Ausbau des Fernwärmenetzes „im Einklang mit der von der Bundesregierung angestrebten Wärmewende zum Schutz des Klimas in enger Absprache mit der Stadt Voerde und gemäß den behördlichen Auflagen“ betreibe. „Dabei sind wir stets bemüht, die Beeinträchtigungen für die Anwohner so gering wie möglich zu halten. Die Erfordernisse der Energiewende sind allerdings auch nicht ohne derartige Belastungen zu realisieren. So wie fossile Energieträger Schritt für Schritt ersetzt werden, so sind auch die Modernisierung und der Ausbau der Netzinfrastruktur mit ihren temporären Konsequenzen für das Straßenbild für das Gelingen der Energiewende unerlässlich“, betont die FN-Sprecherin.