Voerde. Voerder Politik übt bei Verabschiedung des Doppelhaushalts nicht nur am Kreis scharfe Kritik. Vor allem Bund und Land bekommen ihr Fett weg.
Nur durch das Antasten ihres „Notgroschens“ kann die Stadt es nach jetzigem Stand vermeiden, dass unter dem Ergebnisplan ihres Doppelhaushaltes 2024 und 2025 ein dickes Minus steht: Der Griff in die – noch – gut gefüllte Ausgleichsrücklage macht es möglich, die deutlich klaffende Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen. Der Etat weist für 2024 ein Ausgabenvolumen in Höhe von fast 114 Mio. Euro und für 2025 von rund 117 Mio. Euro aus. Für das nächste Jahr prognostiziert Kämmerer Alexander Hauser ein Defizit von etwa 2,83 Mio. Euro und für 2025 von 3,63 Mio. Euro. Der Doppelhaushalt ist fiktiv ausgeglichen, strukturell ist er es nicht.
Stadtverwaltung und Politik in Voerde werden nicht müde, auf die Ursachen hinzuweisen, die den Kommunen die finanzielle Handlungsfähigkeit nehmen. So war es unlängst auch wieder im Rat, der den Etat einstimmig verabschiedete. „Die kommunalen Pflichtaufgaben steigen in ihrem Aufwand immer weiter, ohne dass eine angemessene Kompensation durch Bund und Land erfolgt“, kritisierte etwa SPD-Fraktionschef Uwe Goemann.
CDU-Fraktionschef hat wenig Hoffnung auf eine Änderung
Sein Amtskollege von der CDU stieß ins gleiche Horn: „Seit Jahren weist der Voerder Stadtrat schon darauf hin, dass das Konnexitätsprinzip nicht eingehalten wird. Bund und Land sorgen auch weiter nicht für eine auskömmliche Finanzierung“ der von dort auf die Städte und Gemeinden übertragenen Aufgaben, sagte Ingo Hülser. Der CDU-Fraktionschef hat wenig Hoffnung, dass dies zukünftig zu erwarten sei. Die vielen Förderprogramme seien erfahrungsgemäß auch keine Lösung, die Kommunen zu finanzieren. „Diese verursachen einen hohen Verwaltungs- und Personalaufwand. Besser wäre die Bereitstellung von zweckgebundenen Mitteln wie z.B. beim Programm Gute Schule, über deren Verwendung dann in Voerde eigenverantwortlich entschieden wird“, erklärte Hülser.
Die Einhaltung des Konnexitätsprinzips, das besagt „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch“, forderte explizit auch Ingrid Hassmann, Ratsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen, ein. WGV-Fraktionschef Christian Garden brachte die Folgen der andauernden misslichen Finanzlage Voerdes auf den Punkt: „Die Sprünge der Stadt, die wir hier machen können, sind klein. Der Beutel ist leer.“ Seit eh und je sei in der Haushaltsdebatte das Problem, dass Bund und Land nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung stellten. Dabei seien die Herausforderungen groß. Es bestehe die Gefahr, dass die Kommunen angesichts der ökologischen und digitalen Erfordernisse nicht nur finanziell „überfordert“ werden. „Wir dürfen weiter den Mangel verwalten, während die Politik insbesondere in Berlin die Probleme weiter zu ignorieren scheint, kritisierte Garden, der angesichts dessen von einem „fehlenden Respekt vor dem, was Kommunen leisten müssen“, sprach.
Grünen-Politikerin: Aktuelle Flüchtlingssituation erfordert kurzfristige Lösungen
Neben der Finanzierung der Kindertagesstätten oder der Digitalisierung der Schulen nannte SPD-Fraktionschef Goemann auch den Rechtsanspruch von Grundschulkindern auf eine Ganztagsbetreuung (OGS) sukzessive ab dem Schuljahr 2026/2027 und finalisiert bis August 2029 als eine von vielen unterfinanzierten Pflichtaufgaben: Die Mittel, die Voerde dafür erhalte, reichten gerade einmal für eine Grundschule aus „und nicht für fünf“. Eine weitere große, nicht nur finanzielle Herausforderung für die Stadt ist die Unterbringung von Flüchtlingen, zu der die Kommunen ebenfalls verpflichtet sind. Die aktuelle Situation erfordere kurzfristige Lösungen. Die Verwaltung handele hierbei „zielgerichtet“ und sei mit ihren Vorhaben und Maßnahmen „gut aufgestellt“, um dem gerecht zu werden, urteilte Ingrid Hassmann für die Fraktion der Grünen.
Eine wichtige Säule nicht nur bei der kurzfristigen Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge sind Containerlösungen. Im Falle des Ausbaus von Kita-Plätzen ist diese Option als Übergang bis zur Fertigstellung der hier geplanten Neubauten gedacht. Daniel Zielinski, Fraktionschef von Die Partei, merkte dazu trocken an: „Hoffentlich bekommen wir bei den nächsten Interimslösungen endlich mal Rabatte bei den Containerlieferanten. Schließlich sind wir schon seit Jahren Großabnehmer von Notunterkünften für Geflüchtete und Kinder.“
Voerder Politik nimmt auch den Kreis Wesel ins Visier
Nicht allein Bund und Land nahm die Voerder Politik vor der Verabschiedung des Doppelhaushaltes für 2024 und 2025 ins Visier. Ihren Blick ließ sie auch nur ein paar Kilometer weiter Richtung Norden schweifen. Es geht um den Haushalt des Kreises Wesel. Zwar bleibt der Hebesatz für die Kreisumlage, die von den Kommunen zu zahlen ist, mit 36,4 Prozent auch in den nächsten beiden Jahren stabil. Aufgrund der höheren Steuerkraft der Stadt aber wird für Voerde die Zahllast bei der Kreisumlage noch einmal deutlich steigen: Sind 2023 rund 21,86 Mio. Euro an den Kreis Wesel zu überweisen, werden es nach den Berechnungen des Kämmerers im nächsten Jahr rund 22,24 Mio. Euro und in 2025 fast 23,49 Mio. Euro sein. Kreiskämmerer Karl Borkes seinerseits hatte jetzt bei der Einbringung des Doppelhaushaltes erneut kein rosiges Bild für die Zukunft gezeichnet.
Voerdes SPD-Fraktionschef Goemann formulierte mit Blick auf das laufende Jahr die Erwartung, dass der Kreis „einen großen Teil“ der in 2023 „erwarteten Überschüsse an die Kommunen auskehrt“. Es könne nicht sein, dass die mit Kassenkrediten finanzierten Anteile der Kreisumlage, die den Städten und Gemeinden zur Sicherung der Liquidität dienen, „nun das Polster beim Kreis ausweiten sollen“.
Hebesätze bleiben stabil
An der Steuerschraube dreht Voerde auch 2024 und 2025 nicht. „Das hört man aus anderen Kommunen derzeit anders“, erklärte SPD-Fraktionschef Uwe Goeman, der dafür der Verwaltung seinen Dank ausdrückte. Neben der Gewerbesteuer und der Grundsteuer A bleibt auch die Grundsteuer B in den nächsten beiden Jahren stabil und liegt damit weiter bei 690 Prozent. Eine Anhebung der Abgabe trifft alle Haus- und Wohnungseigentümer – und letztlich alle, da Vermieter die Erhöhung an die Mieter weitergeben können. „Eine Senkung wäre wünschenswert gewesen, doch ist dies im aktuellen Umfeld leider nicht zu erreichen“, kommentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Ingo Hülser.
Für großen Unmut sorgen in Voerde auch die Pläne des Kreises zur ÖPNV-Umlage. Goemann erklärte, es sei „schon fast ein Witz“, dass diese im nächsten Jahr auf mehr als 800.000 Euro „verdoppelt wird“. Und dabei sei überhaupt nicht erkennbar, „dass auch nur ein Kilometer mehr Fahrleistung angeboten“ werde. „Im Gegenteil: Wir hören zunehmend die Klagen der Eltern, dass Busse im Schülertransport ausfallen und die Kinder deswegen von den Eltern gebracht oder abgeholt werden müssen. Und dies ohne entsprechende Kommunikation durch die Niag“, monierte Goemann. Die SPD-Fraktion erwarte hier eine schnellstmögliche Verbesserung der Situation. Und: Die Niag müsse endlich einen Teil ihrer Rücklagen einsetzen, „um die Kostensteigerungen zu kompensieren“.
Daniel Zielinksi kommentierte für die Fraktion von Die Partei süffisant: „Durch den regelmäßigen Ausfall von Fahrten trägt die Niag zum Verkehrschaos und einer erhöhten SUV-Dichte vor Voerder Schulen bei. Wenn das einem nicht 400.000 Euro mehr wert ist, weiß ich auch nicht.“