Voerde. Auf einer Informationsveranstaltung in Möllen stellte RWE die Pläne für den Rückbau vor. So viele Lkw könnten pro Tag durch Voerde fahren.

Die vielleicht beeindruckendsten Bilder des Abends, gibt es am Ende der Informationsveranstaltung der RWE zum Abbau des Kraftwerks Voerde (landläufig als Steag bekannt): Stefan Berrisch, Leiter Genehmigung bei der RWE, präsentiert digital bearbeitete Bilder, die Blicke aus unterschiedlichen Positionen in Voerde auf das Kraftwerk zeigen – einmal vor dem Abbau und einmal nach Errichtung der neuen Anlagen, die von RWE auf dem Gelände geplant sind.

Man sieht das Verschwinden einer Landmarke: Statt hoch aufragenden Kraftwerkstürmen verschwinden die neuen Anlagen fast in die Landschaft, falls sie überhaupt noch sichtbar sind. Für viele Menschen sicher schön, aber manche werden den Anblick, der seit mehr als 50 Jahren den Stadtteil prägt, sicher missen.

Dann soll der Rückbau des Kraftwerks Voerde abgeschlossen sein

Stellt sich die Frage: Wann wird es so weit sein, dass man vom Steinkohlekraftwerk nichts mehr sehen wird. Nach Plänen von RWE soll es im August 2026 so weit sein. Dann möchte das Unternehmen die Rückbauarbeiten abgeschlossen haben. Ab 2027 soll dann ein Elektrolyseur auf dem Gelände in Betrieb gehen, der aus erneuerbaren Energien den so genannten grünen Wasserstoff erzeugen kann. Ab 2030 ist dann der Betrieb eines Gaskraftwerkes vorgesehen, dass den so entstandenen Wasserstoff durch Verbrennung wieder in Strom umwandeln soll.

Stellten die Pläne von RWE für den Rückbau des Kraftwerks vor: Jörg Kerlen, Stefan Berrisch, Lutz Bochmann und Nils Schuchart (v.l.n.r).
Stellten die Pläne von RWE für den Rückbau des Kraftwerks vor: Jörg Kerlen, Stefan Berrisch, Lutz Bochmann und Nils Schuchart (v.l.n.r). © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

„Den Wasserstoff speichern wir nicht auf dem Gelände“, erklärte Jörg Kerlen, Leiter für Regionale Kontakte und Energiepolitik bei RWE und Moderator des Abends. Stattdessen wolle man die schon bestehenden Gasleitungen nutzen, um den Wasserstoff dann in neue Speicher oder umgenutzte Erdspeicher einzulagern. Standorte dafür gibt es in Gronau-Epe oder – noch näher gelegen – in Xanten.

Dann könnten einzelne Gebäude auf dem Gelände gesprengt werden

Momentan läuft auf dem Gelände schon der Rückbau der Kesselhäuser der vier Kraftwerksblöcke auf dem Gelände und der Rückbau der Bekohlungsinfrastruktur. Letzterer soll bereits im September 2024 abgeschlossen sein. Ab Herbst 2025 stehen dann der Rückbau des Schornsteins für die Blöcke A und B an. In 2026 sollen dann auch die Kesselhäuser und die anderen Schornsteine beseitigt werden.

Auf der Seite des Geländes, auf der sich bisher die Kohleförderung befand, sind die Rückbau-Arbeiten schon etwas vorangeschritten.
Auf der Seite des Geländes, auf der sich bisher die Kohleförderung befand, sind die Rückbau-Arbeiten schon etwas vorangeschritten. © RWE

Und da wird es vielleicht besonders spannend: denn am liebsten würde man diese Gebäude sprengen. „Mit einem Knall wäre dann alles weg“, erklärt Lutz Bochmann, Projektleiter für den Rückbau bei RWE. Wenn Sprengungen möglich sind, könnte es davon gut ein halbes Dutzend geben, um die vier Kesselhäuser, die Schornsteine und den Kühlturm dem Erdboden gleichzumachen. Natürlich mit entsprechenden Schutzmaßnahmen für die umliegende Bebauung und auch die Frankfurter Straße. „Uns liegt der Schutz der Anwohner sehr am Herzen“, betonte Bochmann. Wann das genau passiert, steht allerdings noch nicht fest.

Abtransport der Abbruchreste nur via Lkw über die Straße möglich

Was schon klar ist: Es wird zu mehr Verkehrsaufkommen vom Kraftwerk aus Richtung Norden auf der Frankfurter Straße kommen. Denn der gesamte Schutt, der beim Rückbau des Kraftwerks entsteht, muss über die Straße abtransportiert werden. Natürlich kam aus dem Publikum die Nachfrage, warum man dafür nicht die Schiene oder Schiffe nutze. Die Antwort dazu: einleuchtend. Man habe zwar die Möglichkeit, am Gelände alles entsprechend zu verladen – allerdings fehle es bei den Deponiebetrieben und Entsorgungsunternehmen über Zuwegungen via Schiene oder Schiff, erklärte Lutz Bochmann.

Es muss also zwangsläufig über die Straße laufen. Aktuell plant man bei RWE, dass bis Oktober rund 25 Lkw pro Woche vom Gelände rollen, um diese Aufgabe zu stemmen. Es könnten allerdings auch vereinzelt mal mehr werden. „Wir gehen von einem Maximum von 100 Lkw pro Tag aus“, sagt Bochmann. Die könnten auch nötig sein, wenn man sich die Dimensionen des Rückbaus veranschaulicht und die Menge an Material, die vom Gelände geschafft werden muss. Alleine beim Kühlturm rechnet man mit 15.000 Tonnen Material. Das entspricht etwa der doppelten Masse des Eiffelturms oder 150 Blauwalen.

Frankfurter Straße könnte für einige Tage gesperrt werden

Sollten die Gebäude wie angedacht gesprengt werden, dann müsste für die Sprengungen die Frankfurter Straße wohl zwangsläufig gesperrt werden. „Das lässt sich nicht vermeiden“, sagte Jörg Kerlen. Da es aber maximal sechs bis acht Sprengungen geben wird, ist auch die Anzahl der Sperrungen überschaubar. „Das wird sicher auch nicht alles direkt nacheinander sein“, beruhigte Kerlen die Anwesenden.

Gute Nachrichten gibt es dafür für Radfahrer: RWE hat zugesagt, im Rahmen der Neubaumaßnahmen auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände an beiden Seiten der Frankfurter Straße Radwege anzulegen. Zudem soll auch die Kurve unmittelbar hinter dem Kraftwerksgelände begradigt werden. Also auch gute Neuigkeiten für diejenigen, die nach dem Abschluss des Rückbaus die Landmarke vermissen werden.

>>>Das Kraftwerk Voerde

1970/71 wurden am Standort die ersten beiden Kraftwerksblöcke in Betrieb genommen. In den 80er-Jahren wurden dann die beiden neuen Blöcke in Betrieb genommen.

Das Kraftwerk lieferte rund 2400 MW Leistung, konnte also rechnerisch Strom für mehrere Millionen Haushalte liefern.

2017 wurde das Kraftwerk stillgelegt.