Voerde. Der Hausarzt-Beruf ist für junge Mediziner nicht unbedingt attraktiv. Dr. Janina Ingenhoff erzählt von den Besonderheiten einer eigenen Praxis.
Für Dr. Janina Ingenhoff war es, anders als für viele andere angehende Mediziner, eigentlich keine Frage, ob sie sich vorstellen könnte, Hausärztin zu werden. Ihr Vater, Jörg Ingenhoff, leitete vor ihr 30 Jahre lang die Hausarzt-Praxis am Alnwicker Ring im Herzen von Voerde. „Vom Grundsatz her hatte ich schon immer den Gedanken, dass ich mal die Praxis übernehme“, sagt die Ärztin. Obwohl sie während des Studiums in München offen für Alternativen blieb, kristallisierte sich immer mehr heraus, dass das, was ihr Vater machte, genau das war, was sie auch machen wollte.
Eine Karriere als Haus-Arzt oder -Ärztin in einem eher ländlich geprägten Raum – für viele angehende Mediziner ist das nicht unbedingt ein Traumjob. „Einerseits ist erst seit einigen Jahren die Allgemeinmedizin fester Bestandteil des Lehrplans im Medizinstudium. Über die betriebswirtschaftlichen Aspekte, die unweigerlich dazu gehören, erfährt man jedoch wenig bis gar nichts. Zusätzlich ist es ist schon viel Arbeit“, sagt Dr. Janina Ingenhoff. „Man kann nur selten abschätzen, was über den Tag kommt, und wann der Arbeitstag zu Ende ist“, erklärt die Hausärztin. Zwar seien die Arbeitszeiten durch die Sprechstunden grob vorgegeben. Aber ob in der Zeit dann 20 oder 50 Patienten in die Praxis kommen, sei nicht immer abzusehen. Selbst an einem Mittwoch – eigentlich als kurzer Arbeitstag geplant – arbeitet sie häufiger bis in den späten Nachmittag.
Als Ärztin auf dem Land ist man oft immer im Dienst
„Und dann kommt noch alles außerhalb der Sprechstunden dazu“, erzählt sie. Zum einen sind da Hausbesuche und die Versorgung von Patienten in Senioreneinrichtungen. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich. Und dann gibt es noch die eigene Selbstständigkeit zu organisieren – was mit Abrechnungen und allerlei anderer Bürokratie verbunden ist. „Das ist nichts, was ich während der Sprechstunde machen kann“, sagt die Ärztin. „Meine Sprechstunde ist die Zeit, die ich mir für meine Patienten nehmen möchte.“
Die sieht man, gerade als Ärztin oder Arzt auf dem Land, natürlich nicht nur in den Wänden der eigenen Praxis. Beim Einkaufen, im Restaurant - im ländlichen Raum ist die Welt oft klein. „Es ist nicht immer scharf getrennt, ob ich gerade als Privatperson irgendwo bin oder eben als Ärztin“, sagt Dr. Janina Ingenhoff. Schlimm findet sie das allerdings nicht. „Am Anfang ist das komisch, aber irgendwann gehört das dazu“, sagt sie.
Treue Patienten - aber wenige Facharzt-Kollegen
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Und natürlich gibt es auch noch andere Besonderheiten, wenn man als Hausarzt in einer ländlichen Gegend arbeitet: „Ich denke, dass die Patienten hier treuer sind, beziehungsweise man ganze Familien über Generationen betreut und man dadurch längere Verbindungen zu den Menschen hat“, sagt die Medizinerin. Sie selbst ist seit vier Jahren in der Praxis tätig. Vor zwei Jahren – nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters – übernahm sie die Praxis. Trotzdem habe sie in dieser vergleichsweise kurzen Zeit schon viele ihrer Patienten sehr gut und auch facettenreich kennengelernt. In einer anonymen Großstadt, wo man vielleicht auch mal eher versucht ist, einen anderen Hausarzt auszuprobieren, kommt das wahrscheinlich seltener vor.
Zudem bekommt man als Hausärztin im ländlichen Raum auch einfach mehr Krankheitsbilder zu sehen, als Kollegen in der Stadt. „Allein dadurch, dass die Facharzt-Dichte hier nicht so hoch ist und man oftmals die erste Anlaufstelle für die Patienten ist“, erklärt die Ärztin. Bei Herz- oder Atemproblemen wären die Menschen in der Stadt schneller beim Facharzt in der Nähe. Auf dem Land sind dafür oft weitere Anreisewege erforderlich, die gerade ältere Menschen auch nicht immer alleine bewältigen können und oftmals sind die Wartezeiten bei Facharztterminen lang.
„Bei manchen fachspezifischen Fragen muss ich den Patienten aber auch sagen, dass bestimmte Erkrankungen und deren Behandlung in fachkundige Hände gehören“, sagt die Ärztin. Dann müssen sie doch mal den Weg zum Spezialisten nach Dinslaken, Wesel oder Duisburg antreten.
Nachfolger finden für Hausärzte auf dem Land oft schwer
Dass Kolleginnen und Kollegen in der nahen Umgebung oftmals vergeblich nach einer Nachfolge für den eigenen Praxisbetrieb suchen, hat die Medizinerin durchaus auch schon mitbekommen. In Voerde hat eine Hausarztpraxis zum Jahresanfang geschlossen, weil ein Nachfolger fehlte. „Dadurch kamen vermehrt Patienten zu uns“, sagt Dr. Janina Ingenhoff, die gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Kevin Marciniak, der ebenfalls Allgemeinmediziner ist, in der Praxis die Patienten versorgt. „In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sicherlich auch noch der ein oder andere Kollege in den wohlverdienten Ruhestand gehen.“ Und ob dann immer Nachfolger da sind, steht noch in den Sternen.
Den eigenen Start in die Selbstständigkeit als Hausärztin hat Dr. Janina Ingenhoff auch durchaus als Herausforderung erlebt. Trotz der „maximalen Unterstützung“, wie sie es beschreibt, durch das gesamte Praxisteam, das schon mit ihrem Vater über Jahre zusammen in der Praxis gearbeitet hatte und durch diese Erfahrung eine große Stütze war. „Trotzdem kommen erst mit der Zeit die Erfahrungswerte, welche Behandlungsmöglichkeiten und welchen Spielraum man hat, auch wirtschaftlich gesehen“, sagt die Ärztin.
Manche Aufgaben gehören zum Beispiel ganz klar zu den Fachärzten. Dann muss ein Patient zum Beispiel auch mal zum Orthopäden, um Physiotherapie oder ähnliches zu bekommen. „Mir sind dann manchmal auch die Hände gebunden, da ich vorrangig für die Grundversorgung zuständig bin“, sagt die Ärztin. Da wäre es, um die Patienten zu versorgen, sicherlich manchmal einfacher, in einer Großstadt zu praktizieren, wo man sie eventuell zum Facharzt nebenan schicken kann. Ihren Job als Ärztin „auf dem Land“ macht sie dennoch mit Herzblut, trotz der Besonderheiten - oder vielleicht auch einfach gerade deswegen.