Voerde. Kämen beim Wasserstoffplan fürs Kraftwerksareal Forschung und Entwicklung dazu, berge das für Möllen eine Chance, meint MdL René Schneider (SPD).

Mit dem Plan von RWE, aus dem Gelände des früheren Kohlekraftwerks einen Standort zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu machen, ist der zuvor viel diskutierte Wunsch der Stadt nach einer anteiligen Wohnbebauung auf dem Areal ad acta gelegt. Verwaltungsspitze und Politik haben damit – gemessen an der inzwischen öffentlich verstummten Kritik – offenbar ihren Frieden gemacht. Der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider (MdL) findet es einerseits bedauerlich, dass aus dem Ansinnen nichts wird: „Denn Fakt ist auch, dass es immer schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden.“

Veränderungen eingetreten

Andererseits führt Schneider die kurzfristig eingetretenen Veränderungen ins Feld, die man sehen müsse: die durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise. Der Krieg habe schmerzlich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern vor Augen geführt, sagt Schneider. Der Konzern RWE, dem das Areal an der Frankfurter Straße in Möllen gehört, spricht von einer vollständig geänderten „Ausgangssituation für die Beplanung“ der Fläche durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine – und die „Beschleunigung der Energiewende“.

Die habe Deutschland bis dahin „im Schlafwagen“ betrieben, erklärt der SPD-Landtagsabgeordnete Schneider und konstatiert: „Wir müssen jetzt in den Schnellzug kommen.“ Aus seiner Sicht ist „alles gut, was grünen Wasserstoff vorantreibt“. Das Land NRW sieht er in der Pflicht, „alles dafür zu tun, dies zu fördern“ – und „voranzugehen, falls es Investitionshemmnisse“ gebe.

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Schneider spricht beim „Energiepark Voerde“ von einem Vorhaben, „das für Voerde insgesamt gut ist“. Spannend wäre es seiner Meinung nach, wenn an dem Standort noch Forschung und Entwicklung hinzukämen: „Da könnte Möllen an Strahlkraft gewinnen.“ Schneider verbindet damit die Hoffnung, dass auf dem Gelände „gut bezahlte Arbeitsplätze“ entstehen – und der Stadtteil „für solvente, junge Familien“ auch aufgrund der unmittelbaren Nähe als Wohnort interessant werden könnte.

Von dem etwa 60 Hektar großen und seit Frühjahr 2017 ungenutzten Industriegelände sei jeder „Quadratmeter ideal“ für die Produktion von Wasserstoff geeignet, sagt der Sozialdemokrat, seines Zeichens auch umweltpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Aus der Fläche, auf der dereinst aus fossiler Steinkohle Strom erzeugt wurde, entstehe ein „Standort für eine Zukunftsenergie, die alle haben wollen“. Dabei betont Schneider die Notwendigkeit, alte Flächen neu zu nutzen. Die Realisierung des geplanten „Energieparks Voerde“ ist auf einem bestehenden Industriegelände vorgesehen – es handelt sich also um eine sogenannte Brownfield-Entwicklung.

Andere Situation in Emmelsum

Anders sieht die Gemengelage auf einem Areal im Norden des Stadtgebietes aus: In Emmelsum soll auf einer riesigen Freifläche in direkter Nachbarschaft zum Aluminiumhersteller Trimet ein weiterer Logistikstandort entstehen, wogegen sich auch nach abgespeckter Planung durch den Investor aufseiten der Bürgerschaft aufgrund der Flächenversiegelung und aus Gründen des Klima-, Natur- und Umweltschutzes nach wie vor Widerstand regt. Voerdes Bürgermeister Dirk Haarmann (SPD) hatte im NRZ-Interview anlässlich des Jahreswechsels darauf verwiesen, dass die „sogenannten Biotopflächen“, deren Schutz ein Hauptanliegen der Vorhaben-Gegner sei, mit der überarbeiteten Planung „nahezu gänzlich unangetastet“ bleiben würden.

Auch sollen, erklärte der Verwaltungschef, mit „dem neuen Bebauungsplan im Gegensatz zur jetzigen Situation die nicht gewerblich genutzten Teile dauerhaft geschützt werden“. Dies sei im jetzigen Planungsstand nicht der Fall. Der SPD-Landtagsabgeordnete Schneider beurteilt das Vorgehen im Rathaus so: Die Stadt versuche, aus der derzeitigen Situation einen besten Fall („best case“) zu machen. Der „worst case“ wäre für Schneider, extrem formuliert, dass „alles planiert und zu einer Schrottinsel“ werde. Schon jetzt habe ein Eigentümer das Recht, die Fläche ohne naturschutzrechtlichen Ausgleich zu räumen und gewerblich zu nutzen, hatte Bürgermeister Haarmann im NRZ-Interview auch konstatiert.

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René Schneider sieht außerdem die Gefahr möglicher Regressforderungen des Maßnahmenträgers, sollte dieser sein Vorhaben am Ende komplett zu den Akten legen müssen. Auch gibt er eine mögliche negative Signalwirkung zu bedenken: „Es stellt sich die Frage, wie zuverlässig eine Stadt noch für Investoren ist, wenn jeder Investor den Eindruck hat, dass er heute eine Industriefläche kauft, die morgen keine mehr ist.“ Die Herausforderung sei, ökonomisch, ökologisch und sozial zu denken. „Jeder sitzt in seiner Blase. Dabei kann die Wahrheit nicht das eine oder das andere sein. Themen sind nie eindimensional“, mahnt Schneider.

In Teilen werde man auch künftig nicht umhin kommen, weiter Flächen zu versiegeln. Allerdings gelte hier das „Netto-Null“-Ziel. Das bedeutet dem Umweltbundesamt zufolge: Langfristig soll nicht mehr Fläche neu in Anspruch genommen werden, „als der Landschaft durch Rückbau und Renaturierung zurückgegeben werden kann“. Bei der Umsetzung bedarf es nach Ansicht von René Schneider einer landesweiten Betrachtung. Gelinge es allerdings nicht, Alt-Areale möglichst schnell zu recyceln, werde es schwierig, das Flächenverbrauchsziel „Netto Null“ zu erreichen, fürchtet er.

>>Info: Voerder Grüne zum Thema fehlende Wohnbebauung auf dem Kraftwerksareal

Zu dem ad acta gelegten Wunsch einer Wohnbebauung auf dem ausgedienten Kohlekraftwerksgelände konstatieren die Voerder Grünen, dass man die „Realitäten anerkennen“ müsse: Die Fläche befinde sich im Besitz von RWE und könne somit nicht ohne das Einverständnis des Eigentümers von städtischer Seite überplant werden. „Sie ist außerdem im Regionalplan als Industrie- und Gewerbefläche ausgewiesen. Hinzu kommt die fehlende Rückbauverpflichtung seitens RWE.“

All diese Faktoren machten die Schaffung von Wohnbebauung auf dem Areal oder seine Renaturierung sowohl rechtlich wie auch finanziell unmöglich, konstatieren die Grünen in ihrem Positionspapier, das sie Ende November 2022 zu dem auf dem Areal geplanten „Energiepark Voerde“ verfasst hatten.