Dinslaken. Das sagt Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger zu Ursachen der städtischen Finanzmisere – und über künftige Sparmaßnahmen.

Dinslaken geht das Geld aus. Wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, droht die Stadt im Jahr 2023 in die Haushaltssicherung zu rutschen und somit ihre finanzielle Handlungsfähigkeit zu verlieren. Das teilte Kämmerer Dr. Thomas Palotz den Ratsmitgliedern – wie berichtet – überraschend in einem Schreiben mit. Wir haben mit Bürgermeister Dr. Michael Heidinger über Ursachen für die Finanzmisere und Wege aus der Krise gesprochen.

Das sind Ursachen

Wie kam es zu der angespannten Finanzlage?

Die schwierige finanzielle Situation der Stadt Dinslaken ist im Wesentlichen dadurch begründet, dass die Art der Gemeindefinanzierung so nicht in Ordnung ist. Das heißt, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dinslaken Ausgaben zu finanzieren haben, die an anderer Stelle beschlossen wurden – nämlich Bundesgesetze, die bei uns dazu führen, dass rund 90 Prozent unserer Ausgaben fremdbestimmt und letztlich auf Bundesgesetze zurückzuführen sind. Trotz all der Aktivitäten, die wir auch im Städtebündnis unternehmen scheint dieser Trend ungebrochen zu sein. Das ist der Grund für die prekäre Situation im Haushalt der Stadt Dinslaken.

Hätte man diese Situation also aus eigener Kraft gar nicht vermeiden können?

Nein, das kann man nicht. Und jetzt droht die nächste Ausgabe: das Angehörigenentlastungsgesetz, das zu erheblichen Mehrausgaben bei der Stadt Dinslaken führen wird. Nach meiner Wahrnehmung ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, wo ja drinsteht, dass die Umsetzung des Konnexitätsprinzips Grundlage all unseren Handelns ist. Das bereitet uns die nächsten finanziellen Probleme.

Laut Gemeindeprüfungsanstalt und eigenen Erkenntnissen der Stadt Dinslaken fehlen der Stadt vor allem Einnahmen in Form von Gewerbesteuern. Woran liegt das?

Das hat zum großen Teil historische Gründe. Wenn Sie besonders zahlungskräftige Unternehmen haben, die zufällig in einer Stadt angesiedelt sind, dann haben Sie eben Glück. Wir betreiben eine Wirtschaftsförderung, wo wir das Thema Gewerbesteuer immer wieder zur Grundlage machen. Da unsere Gewerbegrundstücke praktisch weg sind, sind wir von den Möglichkeiten her sehr eingeschränkt. Wir versuchen gerade, neue Flächen auszuweisen, ich erinnere an die Regionalplanänderung, bei der wir den Logistikpark Barmingholten ausgewiesen haben. Insofern ist es auch schwierig, dass da nun eine Verschiebung ansteht. Die Stadt Dinslaken tut alles, nur sie ist eingeschränkt was Flächenverfügbarkeiten anbelangt. Und was die Ausschüttung der Stadtwerke betrifft, eine der Einnahmen städtischerseits, da kann man sich ja nun wirklich nicht beklagen. Aber das reicht alles nicht, wenn die Ausgabenintensität des Bundes, der die Kommunen durch seine Gesetze belastet, weiter so anhält.

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Die Stadt hat gerade das Vermögen der Stadtwerke erhöht und damit auch deren Ausschüttung verbessert. Wäre die Haushaltssicherung ohne diese Maßnahme schneller gekommen?

Ja sicher, dann würden ja sechs Millionen Euro auf der Einnahmenseite fehlen.

Bürger halten der Stadt immer wieder vor, den Haushalt durch übermäßige Investitionen zu belasten und somit für die finanzielle Schieflage verantwortlich zu sein. Welche Rolle spielen die Investitionen?

Das kann man relativ schnell entkräften. Es ist ja die Idee, durch eine Reduzierung der Investitionen den Haushalt ausgleichen zu können. Ein einfaches Rechenexempel: Wir haben ein Defizit von etwa zehn Millionen Euro. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Investitionsguts sind 30 Jahre, es wird über 30 Jahre abgeschrieben, die Zinsen sind nach wie vor null. Wenn Sie zehn Millionen konsumtive Ausgaben reduzieren wollen, um den Haushaltsausgleich herbeizuführen, müssten Sie die Investitionen um 300 Millionen Euro reduzieren. Soviel investieren wir noch nicht einmal im Ansatz. Von den 40 Millionen, die die Bürger an die Stadt Dinslaken über Gewerbesteuer, Ausschüttung der Stadtwerke, Grundsteuer B bezahlen, benutzen wir für uns, also für Investitionen in Gebäude, in Parks, Kultur und Sport, also die gesamten freiwilligen Leistungen gerade mal 20 Millionen. Zu sagen, das sei der Grund für die Schieflage, ist falsch.

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Ein weiterer Vorwurf: Die Stadt Dinslaken gibt zu viel Geld für Flüchtlinge aus.

Auch das ist eine Frage der Konnexität. Wenn der Bund entsprechende Gesetze beschließt, und das ist auch völlig in Ordnung und entspricht unserem humanitären Anspruch in der Bundesrepublik, dann muss der Bund das auch bezahlen. Wir haben deutlich gemacht, dass das, was er uns dafür überweist, nicht auskömmlich ist.

Dennoch, so wird der Stadt vorgeworfen, hat sie sich zum Sicheren Hafen für 50 zusätzliche Flüchtlinge erklärt. Macht sich das finanziell bemerkbar?

Das führt derzeit nicht zu zusätzlichen Ausgaben. Es ist ein klares humanitäres Signal, das ich nachdrücklich befürworte. Ich bin froh und stolz, dass wir bis auf eine Gegenstimme und eine Enthaltung im Rat ein deutliches Signal gesetzt haben.

So geht es weiter

Die vom Kämmerer angekündigte Investitionsrahmenplanung stellt aber nicht bereits beschlossene Investitionen in Frage?

Nein. Was wir machen ist, alles, was wir noch in der Planung haben und was in den nächsten zehn Jahren auf uns zukommt, einmal aufzuschreiben und darüber zu diskutieren, wie ein Investitionsrahmen für die nächsten Jahre aussieht. Wir müssen ja gegebenenfalls Investitionen auch priorisieren. Insofern ist das eine gute Entscheidungsgrundlage auch für den neuen Rat.

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Laut Dr. Palotz kann man das Haushaltskonsolidierungskonzept wie es bereits durchgezogen wurde, nicht wiederholen, ohne die Lebensqualität zu mindern. Wie wird sich das neue Konzept vom vorherigen unterscheiden?

Das wird genau die gleiche Vorgehensweise sein. Das heißt, wir werden den gesamten Haushalt noch einmal überprüfen. Ob da dann das gleiche Volumen rauskommt, da darf man durchaus skeptisch sein. Ich glaube, dass der neue Rat einen Anspruch darauf hat, zu gucken, gibt es da noch Potenzial und zu welchen Konsequenzen würde es denn für die Menschen und deren Lebensqualität führen. Das ist die Grundlage, mit der sich der nächste Rat nach der Kommunalwahl beschäftigen muss.

Beim letzten Konsolidierungskonzept wurden Gebühren und Grundsteuer erhöht. Ist das auch diesmal eine Option?

Das werden wir jetzt noch nicht diskutieren, das muss der neue Rat entscheiden, wie er da vorgehen will. Deswegen haben wir vorgeschlagen, einen Doppelhaushalt darzustellen, damit nicht der neue Rat im Dezember 2020 schon über den Haushalt 2021 befinden muss. Wir gehen jetzt erstmal davon aus, dass wir dem jetzigen Rat einen genehmigungsfähigen Doppelhaushalt vorlegen können. Das heißt, wir haben dann auch die Zeit, in aller Ruhe die unterschiedlichen Optionen auszuloten und dazu muss sich der Rat dann positionieren.

Schließen Sie eine weitere Erhöhung der Grundsteuer B denn aus?

Das ist im Augenblick kein Thema und wird Bestandteil des Haushaltskonsolidierungskonzeptes sein. Und das müssen wir jetzt erst einmal erarbeiten. Es gibt die klare Aussage des Rates, dass es in dieser Wahlperiode keine Steuererhöhung gibt. Ob das im nächsten Rat passiert, das muss der dann tätige Rat entscheiden. Wir werden ihm Entscheidungsgrundlagen liefern, aber was darin steht, wissen wir erst, wenn die Vorlage fertig ist.

Ist von der angekündigten Kappung der Ausgaben der städtischen Geschäftsbereiche um 4,5 Prozent auch die Personalplanung betroffen?

Nein, der Personalkostenetat ist von dieser Kürzung ausgenommen.