Kiel. Für Schalke gab es beim Zweitliga-Dritten Holstein Kiel nichts zu holen. Die Königsblauen verloren nur mit 0:1 - waren aber deutlich unterlegen.
Noch vier Minuten waren zu spielen im Kieler Holstein-Stadion, ein kalter Fußball-Nachmittag im Norden ging allmählich zu Ende, als die Fans des neuen Zweitliga-Zweiten den demütigendsten Sprechchor des Tages sangen. „Absteiger! Absteiger! Absteiger!“ riefen sie, Adressat waren die Profis des FC Schalke 04, die in Kiel zwar nur mit 0:1 (0:0) verloren, aber zwischendurch so deutlich unterlagen waren, dass sich das Ergebnis wie eine Klatsche anfühlte.
Dass es ein ungemütlicher Trip werden würde, hatte Schalkes Trainer Karel Geraerts bereits am Freitag geahnt. Auf die Mentalität würde es angekommen, sagte er in kleiner Runde nach einer Pressekonferenz - was er damit meinte: kalter Wind, ein uriges, aber luftiges Mini-Stadion, das eher nach Dritter als nach Erster Liga aussieht. Anders eben als eine ausverkaufte Veltins-Arena oder zum Beispiel der Betzenberg in Kaiserslautern.
Schalke-Trainer Karel Geraerts verzichtet auf Wechsel
Schalke, im Vergleich zum 1:0 gegen Braunschweig in unveränderter Formation, kam mit den Bedingungen aber überhaupt nicht zurecht. In den ersten 24 Minuten verließen die Königsblauen die eigene Spielhälfte nicht nennenswert, die bestürzenden Zahlen: 35 Prozent Ballbesitz, jeweils 0 Flanken, Torschüssen, Ecken. Schalke rannte nur hinterher. Die Kieler wollten unbedingt die Ausrutscher der Hamburger Aufstiegskonkurrenten HSV und St. Pauli nutzen und spielten variablen Offensivfußball. Immer wieder wechselten sie klug die Seite, fanden eine gute Mischung zwischen Kombinationen und langen Pässen nach vorn - und kamen allein in den ersten zehn Minuten zu drei Chancen. Nach 60 Sekunden verpasste Shuto Machino einen Querpass in den Fünfmeterraum nur knapp. Sechs Minuten tauchte Joshua Mees nach einem bösen Fehler des Schalkers Marcin Kaminski allein im Strafraum auf, schoss aber am Tor vorbei. Zwei Minuten später zielte Steven Skrzybski nicht genau genug und schoss knapp vorbei. Das Führungstor für Kiel schien nur eine Frage der Zeit zu sein, Schalkes Leistung war so bestürzend, dass sich die Spieler gegenseitig anschossen oder den Ball hilflos ins Seitenaus schlugen.
Der erste gescheite Schalker Angriff in der 24. Minute führte wie aus dem Nichts direkt zu einer dicken Chance. Kenan Karaman nutzte ein paar Zentimeter Platz, um bei einem Konter in die Kieler Spielhälfte vorzudringen, spielte den Ball in den Lauf des herbeeilenden Derry Murkin. Dessen Winkel im Strafraum war aber zu spitz, Torwart Timon Weiner konnte Murkins Schuss zur Ecke klären. Diese Szene beruhigte das Spiel. Schalkes Leistung war in der Offensive immer noch grauenvoll, bis zur 44. Minute kam keine Chance mehr hinzu. Aber die Deckung hatte sich auf Kiel eingestellt. Kurz vor der Pause bot sich S04 sogar zwei weitere Male eine Führungschance. In der 45. Minute wurde ein Schuss von Ron Schallenberg ans Außennetz abgefälscht, eine Minute später verpasste Darko Churlinov eine Flanke nur knapp. Das Chancenverhältnis war sogar ausgeglichen, als Schiedsrichter Dr. Arne Aarnink (Nordhorn) zur Pause bat.
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Marius Müller hält Schalke lange im Spiel
Auch in der zweiten Hälfte blieb das Spiel zunächst ruhig, fast sogar langweilig. Doch mit dieser Phase war es für die Schalker in der 54. Minute vorbei, als Joshua Mees Torwart Marius Müller zu einer Glanzparade zwang. Nach der folgenden Ecke flankte Marvin Schulz den Ball in den Strafraum, dort stand der langjähriger Schalker und S04-Fan Steven Skrzybski munterseelenallein und donnerte den Ball volley ins Tor. Skrzybski verzichtete auf großen Jubel, die Kieler unter den 15.000 Zuschauern feierten lautstark. Die Schalker hofften noch auf den Videobeweis, da Simon Terodde im Strafraum nach einem Luftkampf mit Machino zu Boden gesunken war, doch das Tor zählte.
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Direkt nach diesem Tor wirkten die zehn Schalker Feldspieler, als hätten sie kurzzeitig den Platz verlassen. Spielerisch leicht kombinierten sich die Kieler über den ganzen Platz, nur drei Minuten nach dem Führungstor stand Machino im Fünfmeterraum vorbei, schoss aber daneben - das war schwieriger, als den Ball aufs Tor zu bringen. Zwischen der 62. und 64. Minute versuchten Skrzybski und Becker, für die Entscheidung zu sorgen. Es gelang nicht.
Und die Schalker? Ihnen fiel nichts ein, um den Rückstand zu drehen - so wie vor zwei Wochen in Kaiserslautern, als sie nach dem Tor zum 1:2 aufgaben. Zwei Beispiele: In der 60. Minute führte Tobias Mohr den Ball aussichtsreich Richtung Kieler Strafraum, spielte aber einen Hackentrick ohne Sinn und Verstand. Fünf Minuten später sprintete Henning Matriciani auf der rechten Seite nach vorn, ließ sich aber von den giftigen Kieler Abwehrspielern den Ball abluchsen. Nichts deutete darauf hin, dass Schalke das Spiel noch würde drehen können, auch wenn Trainer Geraerts schon bis zur 70. Minute sein komplettes Wechselkontingent nutzte.
Schalke: Keine Schlussoffensive in Kiel
Eine Schalker Schlussoffensive fand nicht statt, allein die mitgereisten S04-Fans schienen begriffen zu haben, dass ein 0:1 leicht aufzuholen ist. Zwar hatten sie nun mehr Ballbesitz und verlagerten das Spiel in die Kieler Hälfte - aber vermeidbare Fehler zuhauf verhinderten gute Chancen. Die Kieler waren dem zweiten Tor viel näher. Joshua Mees hatte in der 83. Minute eine weitere dicke Chance - sein Schuss wurde aber von Tobias Mohr von der Torlinie gekratzt.
Es war die letzte Chance in einem über die meisten Phasen ungleichen Spiel. Als die Kieler „Absteiger! Absteiger!“ riefen, protestierten die Schalker nicht.