Bangkok. Der BVB braucht neue Gesichter, neue Führungskräfte. Julian Brandt soll jemand sein, der einen Schritt nach vorne tritt. Kann er das?
Nur eine Glaswand trennt die Fans von ihren Lieblingen, die im Innern des kleinen Fitnessraums an Seilen ziehen, auf Barren klettern, während draußen knapp 200 Schwarz-Gelbe das Geschehen bestaunen. Dies hat etwas Zoohaftes, doch genau darum dreht sich für Borussia Dortmund auf dieser Asienreise alles, um das Gesehen werden, darum, Aufmerksamkeit zu erregen.
Als die Kraftübungen beendet sind, gehen die hochtalentierten Fußballer aus dem Ruhrgebiet, darunter Julian Brandt, die neue Nummer 10, ein paar Meter weiter auf den Fußballplatz. Im Hintergrund flimmern die Lichter von Bangkoks Wolkenkratzern, ein riesiger Bildschirm an einem der Häuser wirbt für den Hollywood-Actionfilm Wolverine, gelegentlich rauscht ein Zug auf einer höher gelegenen Trasse vorbei. Die Luft drückt, manchmal tröpfeln Regentropfen vom Himmel, immer zeigt das Thermometer am Samstagabend in der thailändischen Metropole 30 Grad an.
Julian Brandt trägt beim BVB nun die 10 - „Ich fühle das“
Eigentlich sehnt man sich in solchen Momenten nach einer Klimaanlage, einem Freibad, die Fußballer des BVB aber müssen trotzdem rennen, animiert von Trainer Nuri Sahin, der sich mit seiner Mannschaft zwar auf einer Werbetour befindet, aber nicht daran denkt, deswegen weniger hart zu trainieren. Knapp 10.000 Kilometer entfernt von der Heimat schlafen die Dortmunder, und es ist immer schwierig zu erfassen, wie groß das Interesse an dem zweitmächtigsten Klub des deutschen Fußballs wirklich ist. Bei der Landung am Samstagvormittag hatten einige Fans gewartet, zur ersten Einheit kamen immerhin 200 von ihnen. Wenn hier aber Real Madrid trainieren würde, dann würden sich die Menschen drängeln.
So oder so braucht es neue Gesichter, die in die großen Fußspuren von Marco Reus und Mats Hummels treten. Zwei Ikonen, die fast überall auf der Welt erkannt werden. Und da führt der Weg zurück zu Julian Brandt, 28, der jemand sein soll, der nun einen Schritt nach vorne geht.
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Man spüre hier, wie groß der Verein sei, sagt Brandt nach dem Training. Sein Kopf glüht rot, sein gesamtes Trikot ist durchnässt. „Die Luft steht, wir haben eine hohe Luftfeuchtigkeit“, sagt der Mittelfeldspieler. Seit dieser Saison prangt die Nummer 10 auf seinen Klamotten. Eine mystische Nummer, die größten Fußballer haben sie getragen und tragen sie immer noch. „Ich fühle das tatsächlich“, erklärt der gebürtige Bremer. „Alle meine Idole haben diese Nummer getragen, da gibt es einen Verbindungspunkt.“ Die 10 sei nun frei gewesen, weil Jadon Sancho den BVB wieder verlassen habe. „Ich habe die Chance genutzt.“
BVB-Profi Julian Brandt: „Ich sehe mich in der Pflicht“
Kann er denn, ausgestattet mit der sagenumwobenen Zahl, eine Führungskraft sein? „Man lernt mit den Jahren dazu“, sagt Brandt. „Ich sehe das auch als Chance, dass Führungsspieler fehlen. Da sehe ich mich selbst in der Pflicht, das erwartet Nuri von mir.“
Mit Nuri meint Brandt natürlich den neuen Trainer, Nuri Sahin. Übernommen hat er das Amt von Edin Terzic, der sein Aus selbst gewählt hatte. „Ich war überrascht“, gibt Julian Brandt zu. Er habe nicht damit gerechnet. „Aber ich respektiere die Entscheidung, und ich freue mich sehr auf Nuri, ich halte sehr viel von ihm.“ Er selbst strebe nach dem Maximum, erklärt der Spielgestalter, deswegen habe er das Thema Nationalmannschaft nicht abgehakt. Alle sei möglich, schließlich habe es die eigene Mannschaft bis ins Champions-League-Finale geschafft, sagt Brandt.
Dann geht er weiter, versucht die Fans, die noch ausgeharrt haben, glücklich zu machen. Die Uhren stehen mittlerweile auf 22 Uhr, ein Bus bringt die Spieler zurück ins Hotel - über die Straßen Bangkoks, auf denen man nie wissen kann, ob der Weg schnell zum Ziel führt oder ein lähmender Stau alles verstopft. Schon am Sonntag (15 Uhr, deutscher Zeit) findet das erste Dortmunder Testspiel gegen BG Pathum United statt. Die Belastung bleibt hoch, aber es geht nun mal darum, gesehen zu werden.