Dortmund.. Serhou Guirassy ragt beim 6:0 des BVB über Union Berlin heraus. Überbewerten wollte kein Dortmunder den Sieg. Aus gutem Grund.

Mit Emre Can willst du dich besser nicht anlegen. Borussia Dortmunds Kapitän haut gerne mal dazwischen, setzt seinen Körper ein, in der Innenverteidigung kommt die Zweikampfstärke besonders gut zur Geltung. Und nicht nur das. Wenn jemand aufmuckt, muss derjenige auf dem Platz mit einer Ansage Cans rechnen.

Serhou Guirassy aber hat nichts zu befürchten. Es wäre natürlich schön, so Can, wenn der 28-Jährige in die eigene Tasche greift und nach seinem sensationellen Viererpack gegen Union Berlin am Samstagabend der Mannschaft einen ausgibt. „Wir zwingen ihn aber nicht“, meinte Can nur.

BVB: Serhou Guirassy und Pascal Groß ragen heraus

Das 6:0 gegen die Köpenicker, der erste Bundesliga-Sieg unter Trainer Niko Kovac, ein Befreiungsschlag – in Wahrheit wurde die Partie jedoch zur großen Serhou-Guirassy-Show. Vier Treffer in einem Spiel, das gelang im Trikot des BVB in diesem Jahrtausend bloß Erling Haaland und Pierre-Emerick Aubameyang. „Es ist ein toller Abend“, sagte Guirassy, der seine Bescheidenheit im Rausch der Tore nicht ablegen wollte: „Ich freue mich natürlich über meine vier Tore, aber das wichtigste ist der Sieg für die Mannschaft.“

Das nächste Tor: Serhou Guirassy schiebt nach Vorlage von Maximilian Beier zum 4:0 für den BVB ein.
Das nächste Tor: Serhou Guirassy schiebt nach Vorlage von Maximilian Beier zum 4:0 für den BVB ein. © AFP | Ina Fassbender

An dem hatte der Guineer neben dem viermaligen Vorlagen-Geber Pascal Groß freilich den größten Anteil. Nach 40 Minuten köpfte er eine Flanke von Groß ein, weil er am zweiten Pfosten lauerte. Bei seinem zweiten Treffer knallte er den Ball mit links an der Kante zum Fünf-Meter-Raum unter die Latte (75.) – der Anfang von acht furiosen Minuten. Beim nächsten Tor veredelte Guirassy die exzellente Vorarbeit von Maximilian Beier, der den Ball mit der Sohle durch den Sechzehner streichelte. Und zum Abschluss wuchtete Guirassy eine Groß-Flanke per Kopf ins Eck. Echte-Neuner-Liebhaber kamen im Dortmunder Stadion voll auf ihre Kosten.

BVB gegen Union Berlin: Flanken werden zu einem probaten Mittel

Natürlich hat Guirassy diese Partie nicht im Alleingang gewonnen, viel mehr waren seine vier Treffer das Produkt von einer deutlich im Zusammenspiel verbesserten Offensive. „Wir haben heute vor allem das Gegenpressing sehr gut gemacht und wollten viele Flanken spielen. Die Stürmer standen dort, wo sie zu stehen hatten. Die Bälle kamen sehr gut, so muss es immer sein, das ist unser Ziel“, befand Kapitän Can. „Alle haben abgeliefert.“ Zu sehen war eine gewisse Galligkeit auf weitere Chancen und Tore, auch bedingt durch schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinnen. Laut Trainer Kovac ging es darum, Union zu „stressen“ und „den Druck aufrecht zu halten“. Flanken seien dafür ein probates Mittel, denn um nur durch Pass-Stafetten zum Erfolg zu kommen, „dafür schieben die Gegner inzwischen zu gut“. Und wenn dann auch ein „Weltklasse“-Stürmer (Kovac) wie Guirassy im Strafraum wartet, kommen eben sechs Tore dabei heraus.

BVB-Trainer Niko Kovac war die Erleichterung anzusehen. Hier wird er von Nico Schlotterbeck und Yan Couto geherzt.
BVB-Trainer Niko Kovac war die Erleichterung anzusehen. Hier wird er von Nico Schlotterbeck und Yan Couto geherzt. © AFP | Ina Fassbender

Wie nun mit diesem Sieg, in dieser Höhe durchaus als Statement zu sehen, umgehen? Diese Frage war nicht leicht zu beantworten. Einerseits kann Dortmund darauf hoffen, dass nun die eine oder andere Blockade in Kopf und Beinen gelöst ist. Wie bei der Flasche Ketchup, in der es lange klemmt, und die dann plötzlich den ganzen Teller flutet. Andererseits irritierten die Köpenicker in der Schlussphase mit einer unerklärlichen Passivität. Und Kapitän Can kann sich noch gut an die Reise nach Portugal vor zwei Wochen erinnern. „Wir haben schon in Lissabon gesagt, das ist die Wende“, meinte der 31-Jährige. Auf die starke zweite Halbzeit mit drei Toren folgte am Wochenende ein desolates 0:2 beim VfL Bochum. „Wir können jetzt erzählen, was wir wollen, aber am Ende zählt das Spiel nächste Woche“, sagte Can. Am Samstag gastiert der BVB beim FC St. Pauli (15.30 Uhr/Sky).

BVB gegen Union Berlin: Niko Kovac will nicht feiern

Trainer Kovac sah es ähnlich. „Wir werden nicht großartig anfangen, zu feiern, es gibt auch gar keinen Grund dafür“, stellte der 53-Jährige klar, wenngleich Kovac nach seinem ersten Erfolg mit dem BVB in der Liga die Erleichterung anzumerken war. Besonders, weil die Konkurrenz um das Minimalziel Champions-League-Qualifikation am Nachmittag gepunktet hatte. Dortmund stand unter Zugzwang. Doch auf die Tabelle wollte Sportdirektor Sebastian Kehl besser nicht schauen, es gehe darum, nun Siege einzufahren, „Auf die Tabelle können wir in ein paar Wochen gucken, aber davor müssen wir eine Menge tun, um den Blick zu genießen“, sagte Kehl. Er forderte: „Wir müssen dran bleiben gierig sein. Ich möchte, dass kein Millimeter nachgelassen wird, weil das wäre fatal.“ Man denke nur an Lissabon und Bochum. Da haben all die Appelle, die Sinne zu schärfen, keine Wirkung gezeigt.

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