Augsburg. Borussia Dortmund zeigt besorgniserregende Leistungen. Auch die Spieler sind ratlos, stärken aber Trainer Nuri Sahin den Rücken.
Lars Ricken fand am Tag nach dem Schock, nach dem 1:2 (1:1) von Borussia Dortmund beim FC Augsburg deutliche Worte. „Ich erwarte, dass sich jeder Einzelne die einfache Frage stellt, wie er seine individuelle Qualität, die ihn letztlich zum BVB gebracht hat, im Sinne der Mannschaft effektiv ausschöpft“, sagte der noch immer recht neue Sport-Geschäftsführer des BVB dieser Redaktion. Ricken, 48, hält sich aus dem Tagesgeschäft bisher zurück, doch da sich sein Klub in der Bundesliga „in einer offensichtlich sehr herausfordernden Situation“ befindet und weder Leistungen noch die Punkte-Ausbeute zufriedenstellend sind, sah sich Ricken gezwungen, einen Appell an seine Profis zu senden.
Am Vortag hatte Ricken frustriert in der Mixed Zone des Augsburger Stadions gestanden. Nicht, weil eine Auswärtsniederlage beim nickligen FCA so überraschend kam wie die Färbung der Blätter im Herbst. Nur einen Punkt holte der BVB in dieser Saison in vier Spielen in fremden Stadien. Die Blamage brachte vor allem die Gewissheit, dass eine Krise nicht mehr wegzudiskutieren ist bei Borussia Dortmund. Mehr noch: Panik macht sich wegen akuter Ratlosigkeit breit.
BVB am Dienstag im DFB-Pokal beim VfL Wolfsburg
„Es gibt so viele Warum- und Wieso-Fragen, ich kann sie alle gar nicht beantworten“, meinte Julian Brandt. „Ich bin seit Jahren hier und habe so eine Phase auch noch nicht erlebt, wie es sein kann, dass du fast jedes Auswärtsspiel verlierst.“ Eines sei jedoch klar: „Wir dürfen auf keinen Fall aufhören und uns nicht mehr gegenseitig vertrauen oder im Stich lassen. Ich weiß noch nicht, ob es Glück oder Pech ist, dass wir am Dienstag wieder ein Auswärtsspiel haben.“ Dann gastiert der BVB in der zweiten Pokal-Runde beim VfL Wolfsburg, es geht darum, die womöglich einzige Titelchance in dieser Saison am Leben zu halten.
Brandt, 28, ist ein reflektierter Gesprächspartner nach Arbeitseinsätzen, da der Mittelfeldspieler ein Auge für das große Ganze rund um die Entwicklung des Klubs und der Mannschaft hat. Weil er sich bemüht, Dinge zu erklären. „Es gibt viele Wiedererkennungsmerkmale aus den vergangenen Spielen, die sich heute auch wieder gezeigt haben“, sagte Brandt. Da ist zum einen die hohe Anzahl an Gegentoren, die auch der FCA mit „gefühlt sehr wenig Aufwand“ durch Alexis Claude-Maurice (25./50.) schießen konnte. Dabei lief alles nach Plan für den BVB nach dem frühen 1:0 von Donyell Malen nach vier Minuten.
BVB: Julian Brandt liefert besorgniserregenden Einblick
Irgendwann aber brach dem BVB die Struktur weg, bis zum 1:2, dem „absoluten Nackenschlag – genau ab dem Zeitpunkt war es wild, genau da gingen die Bälle in die Luft, da kamen die körperbetonten Duelle zustande. Dass das nicht unsere Paradedisziplin ist, hat man in den letzten Jahren gemerkt, vor allem aber in dieser Saison“, sagte Brandt.
Und hier wäre man beim zweiten Punkt, der den Klub besorgt, die Frage, wie man mit Stresssituationen umgeht. Ein Führungsproblem? „Ich habe das Gefühl, dass jeder mit sich selbst beschäftigt ist, jeder will erstmal seine eigenen Probleme in den Griff bekommen“, sagte Brandt und nannte zwei Beispiele: „Ein Tau ist leichter zu ziehen mit vielen Leuten als allein. Und dieses Synchronschwimmen kriegen wir nicht hin.“ Der BVB ging baden. Alles sei „vogelwild und verwirrend auf dem Platz. Du kannst als Führungsspieler versuchen, alle zusammenzubekommen. Aber es ist wie bei einem Lehrer: Wenn in der Unterrichtsklasse alle sabbeln, hört ihm auch keiner mehr zu. Wir müssen erstmal wieder bei den Basics anfangen.“ Brandt lieferte einen besorgniserregenden Einblick in die Gedanken der Dortmunder Profis.
Julian Brandt und Sebastian Kehl stellen sich hinter BVB-Trainer Nuri Sahin
„Es ist bei uns gerade verkopft“, stellte auch sein Trainer Nuri Sahin fest. „Der Kader ist nicht unerfahren. Daher erwarte ich, dass wir alle gemeinsam und ich als Trainer vorne weg dieser Situation standhalten, dass wir gemeinsam dadurch gehen, wenn es unangenehm wird.“ Diese Widerstände zu überstehen, „das fehlt uns gerade“. Natürlich wird daher auch der Druck auf den Trainer größer. Auf eine Debatte um den 36-Jährigen wollte sich am Wochenende aber niemand in Schwarz und Gelb einlassen. „Ich vertraue dem Trainer zu 100 Prozent und zweifle auch nicht an ihm“, betonte Brandt. Sportdirektor Sebastian Kehl erwähnte lobend Sahins Akribie: „Daher marschieren wir gemeinsam weiter, wir stehen komplett dahinter.“ Auch Ricken sehe täglich, wie „gewissenhaft, konstruktiv und sehr intensiv“ Sahin mit seinem Trainer-Team agiere. Es gehe nun darum, pragmatisch Lösungen zu finden.
Am Ende spielte Julian Brandt den Ball auch seinen Kollegen zu. „Das ist der Druck bei diesem Verein, dass du jedes Spiel gewinnen musst“, meinte er. „Jetzt wird sich zeigen, wer damit klar kommt.“
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