Aus den Niederlanden. Auch in den Niederlanden herrscht ein Alltag auf Abstand, eine Mundschutz-Pflicht gibt es aber im Nachbarland nicht. Eine Reportage aus Nimwegen.

Auf dem Weg über die A57 Richtung Nimwegen warten sie hinter der Grenze: Die Tafeln mit der Aufschrift „Reise nicht notwendig? Bleiben Sie bitte zu Hause!“ Und auch bei der Fahrt in die Nimweger Innenstadt springen Sätze wie „Blijf thuis“ – bleiben Sie zu Hause – oder „samen tegen corona“ – zusammen gegen Corona – von Plakaten ins Auge.

Doch sonst: Freie Fahrt mit deutschem Kennzeichen auf der Autobahn und durch die niederländische Stadt. Doch obwohl die Grenze zu den Niederlanden weiterhin offen ist, fallen kaum deutsche Kennzeichen auf den Autobahnspuren Richtung Nimwegen und in der Grenzstadt selbst auf.

Corona in den Niederlanden: Ein ganz normaler Freitagnachmittag in Nimwegen?

Wirklich voll scheint die Stadt für einen Freitagmittag nicht zu sein. Zumindest im Außenbezirk des Stadtkerns. Am Bahnhof: Nur wenige Menschen auf dem Vorplatz, während das Fahrrad-Parkhaus unter dem backsteinernen Bahnhofsturm voll belegt ist. Im Bahnhofsgebäude: noch weniger Menschen. Trotzdem mahnt die Anzeigetafel: „Houd anderhalve meter afstand“ – „Haltet eineinhalb Meter Abstand.“ Am leeren Bahnhof-Piano wirkt der Hinweis auf die landesweite Regel unnötig.

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Auf dem Weg in die Innenstadt reihen sich geschlossene Restaurants und Bars, einige Gastronomen bieten Liefer- und Abholservice an. Ein Schild mit der Aufschrift „Toilet, 25 Euro. Gratis toiletpapier, gratis muziek“ am Eingang eines Cafés zwingt geradezu zum Anhalten. „Nou echt – echt jetzt?“ Das sei als Scherz gemeint, antwortet ein Mann mit Fliegerbrille an der Eingangstür auf Deutsch. „Wir verdienen ja derzeit nichts.“

Niederländischer Gastronom in Nimwegen veranstaltet Karaoke im Freien

Marco van Deelen, Inhaber des gleichnamigen Cafés, vor dem das Schild steht, kennt die Corona-Regeln in den Niederlanden und Deutschland. Seine Mutter stammt aus Dinslaken. Die Deutschen machten es besser, findet er. Niederländische Gastronomen bekämen weniger Geld als von ihrer Regierung versprochen, sagt van Deelen. Andererseits halte er nicht viel von der deutschen Mundschutz-Pflicht .

Der Gastronom stellt sich in der abgedunkelten Bar hinter den Tresen, dreht Musik auf und singt einige Zeilen in ein Mikro. Solange noch niemand an seine Bar darf, bietet van Deelen mehrmals in der Woche Karaoke auf der Terrasse an, auf der ein Kollege gerade die Stühle reinigt. „Einer kann drinnen Karaoke singen, die anderen warten draußen“, sagt der Inhaber. Mit Abstand selbstverständlich.

Vor Marco van Deelens Café gibt es trotz Corona-Pandemie regelmäßig Karaoke-Abende.
Vor Marco van Deelens Café gibt es trotz Corona-Pandemie regelmäßig Karaoke-Abende. © FUNKE Foto Serivces | Madeleine Hesse

Schilder vor den Spirituosenflaschen im Regal stellen auf Niederländisch klar: Hände schütteln nein, mit Karte bezahlen, ja gerne. Wenn die niederländischen Gastronomen Anfang Juni wieder öffnen dürfen, muss Marco van Deelen im Café für 1,5 Meter Sicherheitsabstand sorgen. Dann passe aber kaum mehr jemand in die Bar. „Am liebsten würde ich den ersten Tag geschlossen bleiben und gucken wie die anderen Kollegen in der Stadt das machen.“

Abstand halten: In den Läden in Nimwegen nicht immer einfach

Weiter Richtung Rathaus treffen immer mehr Passanten zum Einkaufen aufeinander, die Straßen füllen sich gegen Nachmittag. Über das Kopfsteinpflaster radeln und laufen Menschen alleine oder zu zweit, selten zu dritt. Denn auch in den Niederlanden sind Gruppenbildungen verboten, Ausnahmen gelten für Menschen eines Haushaltes. An den Ampeln stauen sich bei Rot kleine Gruppen aus Fußgängern und Radfahrern – ausweichen kaum möglich.

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Das ist auch in vielen Geschäften gar nicht so leicht. Obwohl Hinweisschilder, Abstandsmarkierungen und Desinfektionsspender an den Eingängen die neue Normalität geworden sind. Doch nicht jeder kann und will zwischen den Regalen ausweichen. Vor einem Fischstand, der gegenüber eingezogener Sonnenschirme auf dem Rathausplatz steht, gelingt das deutlich besser.

Corona-Vorkehrungen unterscheiden sich in Nimwegen je nach Geschäft

Je nach Geschäft variieren die Sicherheitsvorkehrungen. Allgemein gilt nur: Sicherheitsabstand wahren. Glasscheiben an der Kasse bei der Supermarktkette Albert Heijn, Stühle und Tische als Abstandsgarant am Tresen des Delis „Bagels and Beans“ oder Desinfektionsmittel und Papiertücher vor einem Second-Hand-Laden – die weiteren Hygienevorkehrungen sind ähnlich, nur Einweghandschuhe für das Personal an den Kassen scheinen durchweg zu fehlen.

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Mitunter bilden sich kürzere Schlagen vor den Läden. Ein Schuhgeschäft bittet Kunden, jeweils einen Schuhlöffel beim Einkaufen in die Hand zu nehmen. Um so einen besseren Überblick zu bekommen, ob die Höchstanzahl an Menschen im Geschäft schon überschritten ist. In anderen Läden sollen wie in Deutschland Einkaufskörbe und -wagen dabei helfen. Sind die Körbe aus, gibt es keinen Einlass.

Drei Frauen aus Kleve shoppen trotz Corona in Nimwegen

Bei allen Vorkehrungen: Eine Mundschutzpflicht in Geschäften wie in Deutschland gibt es nicht, draußen trägt kaum jemand Maske. Doch der Blick durch das Schaufenster eines „Barbershops“ zeigt: Der Friseur trägt ein Plastikvisier. Verpflichtend ist das nicht für die sogenannten Kontaktberufe. Betriebe dieser Branchen sind bereits wieder geöffnet, während niederländische Fitnessstudios bis September geschlossen bleiben müssen.

Auf dem Weg aus der Innenstadt hinaus dann doch: Drei Frauen, die Deutsch sprechen. Jana, Saskia und Lara – zwischen 24 und 26 Jahre alt – sind zum Einkaufen über die Grenze gefahren. Die Kleverinnen kennen Nimwegen gut. Normalerweise kämen viele Menschen aus Deutschland, denn die Auswahl an Geschäften sei größer als in Kleve.

So haben auch sie sich wieder einmal auf den Weg gemacht. Wirkliche Bedenken haben sie nicht, kommen die drei Frauen doch bloß aus zwei unterschiedlichen Haushalten. Und sie hätten gehört, dass die Coronaregeln in den Niederlanden nicht so streng seien. Tatsächlich fährt ein Polizeiauto die Straße hinab – ohne einmal anzuhalten. Auch wenn die Kleverinnen es etwas komisch finden, ohne Mundschutz in die Geschäfte zu können – Jana braucht neue Hosen, Online-Shopping habe sie da nicht weitergebracht. Und sowieso: „Wir waren einfach sehr lange zu Hause.“