Aus den Niederlanden. Dem niederländischen Fußballverband droht wegen des Saisonabbruchs eine Klagewelle. Der KNVB hofft auf staatliche Finanzhilfen in Corona-Zeiten.

Nach dem vorzeitigen Saisonabbruch in den Niederlanden wegen der Corona-Pandemie droht dem nationalen Fußballverband KNVB eine Klagewelle. Der niederländische Fußballverband (KNVB) hofft nun auf staatliche Finanzhilfen.

„Wir schlagen Alarm wegen der Konsequenzen für unsere Branche“, schreibt KNVB-Sportdirektor Eric Gudde in einem Brief, der dem Fernsehsender NOS vorliegt: „Wir bitten Sie, mit uns gemeinsam nach kreativen, realen und verfügbaren Lösungen für den Profifußball zu suchen.“

Mindestens 300 Millionen Euro Schaden für niederländischen Fußball erwartet

Den Schaden für das vorzeitige Saisonende aufgrund der Coronakrise beziffert Gudde auf mindestens 300 Millionen Euro, dieser Betrag könne bis auf 400 Millionen steigen. „Um all dies zu bewältigen, ist Hilfe und Zusammenarbeit mit der Regierung erforderlich, um das Überleben des Sektors zu sichern“, so Gudde.

Die drohenden finanziellen Probleme sollen allerdings nicht einzig durch den Staat aufgefangen werden. Laut Gudde haben die Spitzenklubs „die schwere moralische Verpflichtung“, 25 Prozent ihrer Startgelder aus den europäischen Wettbewerben mit finanzschwachen Ligakonkurrenten in den Niederlanden zu teilen.

Kein Meister im niederländischen Fußball gekürt

Die niederländische Meisterschaft war am Freitag abgebrochen worden, da Großveranstaltungen in den Niederlanden noch bis mindestens September verboten bleiben. Ein Meister wurde nicht gekürt, ebenfalls wird es keine Absteiger aus der Eredivisie und keine Aufsteiger aus der 2. Liga geben. Da einige Klubs mit diesen Entscheidungen unzufrieden sind, droht dem KNVB eine Klagewelle. Vor allem den beiden besten Teams der 2. Liga stößt auf, dass die Abstimmungsergebnisse über Auf- und Abstieg vom Verband einfach überstimmt worden sind.

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Der erste Club aus der Eredivisie will gegen die Verbandsentscheidung klagen. Der Wirbel könnte ein Vorgeschmack für andere Elite-Ligen sein. Gleich mehrere Vereine fühlen sich von der Entscheidung des nationalen Verbands KNVB sportlich und finanziell schwer benachteiligt.

FC Utrecht will gegen Entscheidung vor niederländisches Gericht ziehen

Der FC Utrecht spielt durch das vorzeitige Ende kommende Saison nicht im Europapokal - und will nun sogar vor Gericht gehen. Aus Sicht von Manager Thijs van Es ist es ein „schwarzer Tag für den Fußball“. Den Entscheidungen des KNVB „mangelt es an Transparenz und Objektivität“, schimpfte er.

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Doch der niederländische Fußballverband KNVB zeigte den Zweitligisten die kalte Schulter - trotz klarer Tendenz: 16 von 34 Klubs hatten trotz des Saisonabbruchs für jeweils zwei Auf- und Absteiger gestimmt, nur neun dagegen und ebenfalls neun enthielten sich in der Abstimmung. Der KNVB wertete das Ergebnis in einer Stellungnahme jedoch ganz nach seinem Gusto: „Die Abstimmung zeigt, dass es keine eindeutige Mehrheit gibt.“

Weitere niederländische Fußballvereine kündigten rechtliche Schritte an

Während bei den akut abstiegsbedrohten Erstligisten ADO Den Haag und RKC Waalwijk der Klassenerhalt in der Eredivisie gefeiert wurde, regte sich an der Spitze des niederländischen Unterhauses (Eerste Divisie) großer Unmut nach der KNVB-Entscheidung: Der SC Cambuur und De Graafschap, die beiden besten Vereine der 2. Liga, kündigten prompt an, rechtliche Schritte einzuleiten.

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„Das fühlt sich wie die größte Schande in der Geschichte des niederländischen Sports an“, sagte Cambuur-Manager Henk De Jong im niederländischen Fernsehen. Seine Mannschaft hatte elf Punkte Vorsprung auf die Play-off-Plätze, als die Liga in den Niederlanden unterbrochen wurde.

„Nicht ganz ernst genommen“ fühlt sich Geschäftsführer der Eerste Divisie

Volle Rückendeckung und Empathie erhielt De Jong auch vom Geschäftsführer der Eerste Divisie, Marc Boele. „Es fühlt sich so an, als würden wir nicht ganz ernst genommen werden“, sagte Boele enttäuscht: „So, als ob wir eine Art abgewerteter Wettbewerb sind. Das ist bitter.“

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Doch nicht nur in den Niederungen ist der Aufschrei groß, auch im Kampf um die Meisterschaft und die internationalen Plätze sind die Gemüter in den Niederlanden erhitzt. Vor allem beim Tabellenzweiten AZ Alkmaar, aber auch beim Pokalfinalisten FC Utrecht. Alkmaar, das bei Unterbrechung der Saison wegen des Coronavirus punktgleich mit Tabellenführer Ajax Amsterdam an der Spitze lag, will laut AZ-Sportdirektor Robert Eenhoorn gegen die KNVB-Entscheidung vorgehen.

Ajax Amsterdam will weiterhin niederländischer Fußball-Meister werden

Aber auch Ajax muss weiter auf seinen 35. Titel warten. Der Rekordmeister belegte nach 25 Ligaspielen nur aufgrund der besseren Tordifferenz Rang eins, Alkmaar gewann aber das Hin- und Rückspiel gegen den Rekordmeister - und dürfte bei einem Verfahren entsprechend argumentieren. Hinzu kommt: Ajax wurde für die Play-offs der Champions League nominiert, Alkmaar nimmt hingegen erstmal „nur“ an der zweiten Qualifikationsrunde zur Königsklasse teil.

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„Als Spieler und als Verein willst du natürlich Meister werden“, sagte Ajax-Geschäftsführer Edwin van der Sar und besänftigte: „Es ist schade, dass wir nicht zum Meister erklärt worden sind, aber in dieser Situation mag das verständlich sein. Es gibt im Moment wichtigere Dinge als Fußball.“ Der Abbruch bringt die Vereine allerdings auch wirtschaftlich in große Schwierigkeiten.

Bis zu 400 Millionen Euro Staatshilfen für niederländischen Fußball gefordert

KNVB-Sportdirektor Eric Gudde forderte aufgrund drohender Schäden in Höhe von bis zu 400 Millionen Euro am Sonntag staatliche Finanzhilfen. „Um all dies zu bewältigen, ist Hilfe und Zusammenarbeit mit der Regierung erforderlich, um das Überleben des Sektors zu sichern“, schreibt Gudde in einem Brief, der dem Fernsehsender NOS vorliegt. Zudem sollten die Spitzenklubs 25 Prozent ihrer Startgelder aus den europäischen Wettbewerben mit finanzschwachen Ligakonkurrenten teilen.

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Weil auch das Pokalfinale zwischen Feyenoord Rotterdam und dem FC Utrecht abgesagt wurde, droht dem KNVB eine weitere Klage. Wie Utrechts Mehrheitsaktionär Frans van Seumeren bei NOS sagte, wolle er „die besten Rechtsanwälte des Landes“ engagieren, um vor Gericht zu ziehen sowie bei den entsprechenden Instanzen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) gegen den KNVB zu klagen.

Die angekündigten Klagen gelten als nicht sehr aussichtsreich

Van Seumeren fühlt sich benachteiligt, weil Utrecht, das als Sechster der Eredivisie mit einem Spiel weniger ebenfalls leer ausgeht, sich im Falle eines Pokalsieges für die Europa League qualifiziert hätte. Den Vorschlag, das Pokalfinale nach dem 1. September zu spielen, hatte der KNVB abgelehnt. Der KNVB folgte bei der Vergabe der Tickets für die internationalen Wettbewerbe den Vorgaben der UEFA.

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Experten räumen Klagen aber nur geringe Chancen ein. „Ein Richter in den Niederlanden berücksichtigt die sportlichen Aspekte kaum, sondern beurteilt vor allem die Verfahrensweise“, sagte der Dozent für Sport und Recht Marjan Olfers dem Sender NOS.

(red. mit dpa und SID)