Niederlande/Kreis Kleve. Über die Grenze zwischen NRW und den Niederlanden soll derzeit nur fahren, wer einen trifftigen Grund hat. Viele halten sich daran aber nicht.

Zwei junge Polizisten der Bundespolizei halten hier am Grenzübergang zur Niederlande jedes Auto an: „Wohin fahren Sie und was haben Sie in Holland gemacht?“. Die Bundespolizisten an der Grenze bei Nettetal-Kaldenkirchen haben jede Menge zu tun an diesem Vormittag. Die Fahrer in den Wagen mit niederländischem Kennzeichen müssen beantworten, warum sie nach Deutschland fahren, die mit deutschem Kennzeichen werden gefragt, was sie in Holland wollen.

Berufliche Fahrten sind kein Problem, bei Einkäufen und Ausflügen rät die Polizei dringend zur Umkehr. Die Grenzen sind offen, die Fahrt ins Nachbarland ist erlaubt, empfohlen wird sie in Corona-Zeiten jedoch ganz deutlich nicht. Dass der Besuch unter Umständen mit einer polizeilichen Befragung enden könnte, scheint die meisten Einkäufer und Ausflügler aber kaum zu stören.

Der Grenzübergang Geldern-Walbeck/Arcen im April - hier wird nicht kontrolliert.
Der Grenzübergang Geldern-Walbeck/Arcen im April - hier wird nicht kontrolliert. © Robin Kunte

„Ich fahre seit Jahrzehnten zum Einkaufen hierhin, hauptsächlich für Kaffee“, erzählt der Kempener Rüdiger Hornbucher, der am Grenzübergang Geldern-Walbeck/Arcen seinen Wagen geparkt hat. Diese Gewohnheit lasse sich jetzt nur schwer ablegen. „Und ich halte ja hier genauso Abstand wie in einem deutschen Supermarkt“, meint er, bevor er sich mit dem Einkaufswagen in die Schlange vor „Peeters Arcen“ stellt. An diesem Grenzübergang kontrolliert niemand und auch ansonsten ist es an diesem Mittag eher ruhig. „Das ist mal so, mal so“, sagt die Verkäuferin in der Pommesbude, die ebenfalls zu „Peeters Arcen“ gehört.

Appell in Corona-Zeiten: Keine Fahrten in die Niederlande

Sie bedient hier hauptsächlich deutsche Kunden mit Pommes und Frikandeln. Die Corona-Regeln gelten hier ebenso wie nebenan im Supermarkt. „Ostern war es sehr ruhig, da waren die Kunden abgeschreckt durch die klaren Ansagen von den Politikern.“ An anderen Tagen sei es brechend voll, vor allem weil das Wetter so gut sei. „Da musste ich öfter schon durchgreifen“, sagt sie. „Längst nicht alle halten sich an den Abstand und drängeln sich dann hier rein.“ Eigentlich sei sie aber froh, dass die Geschäfte einigermaßen normal weiterlaufen.

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Nur kleckerweise passieren deutsche Fahrzeuge an diesem Morgen die Grenze, um in Richtung Arcen weiterzufahren, trotzdem sind auf dem Parkplatz vor dem Arcener Gartencenter ausschließlich deutsche Kennzeichen zu sehen, die meisten gar nicht aus dem angrenzenden Kreis Kleve, sondern aus Duisburg, Dinslaken, Krefeld oder Viersen. „Die holländischen Gartencenter sind einfach schöner, die Auswahl ist toll“, erklärt Holger Durant, der mit seiner Partnerin in das Geschäft geht. Ein bisschen schuldbewusst ist er aber schon.

Die letzten Tankstelle vor der niederländischen Grenze

„Ich weiß, dass wir eigentlich im Moment nicht rüberfahren sollten.“ Irgendwie wolle man aber doch ein bisschen „rauskommen“, seine Partnerin nickt bekräftigend. „Platz genug haben wir hier“, sagt ein Verkäufer. Und gerade in den ersten Tagen des Lockdowns seien die Deutschen in Scharen gekommen. „Die wollten alle ihre Gärten auf Vordermann bringen“, schätzt er. Mittlerweile sei es etwas ruhiger. „Da ist wohl doch bei einigen angekommen, dass sie gerade eher zuhause bleiben sollten.“ Er selbst fahre derzeit auch nicht mehr zum Tanken in den Kreis Kleve.

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„Getankt wird sowieso im Moment weniger, ist ja klar“, sagt ein Tankwart in der Aral-Tankstelle an der A40-Abfahrt Straelen-Niederdorf, der letzten Ausfahrt vor der niederländischen Grenze. Jede Menge Lkw aus ganz Europa stehen hier, die meisten transportieren Gartenbauprodukte, Straelen ist dafür überregional bekannt. „Die Lkw kommen weiterhin, aber nur wenige Privatwagen“, so der Tankwart. Und nur wenige Niederländer, die sonst für das hier günstigere Superbenzin über die Grenze fahren.

"In den nächsten Wochen werde ich nicht mehr rüberfahren"

Ein paar Kilometer weiter in Venlo lockt ein weiteres Gartencenter, das zahlreiche Bundesbürger vor allem an den Feiertagen und am Wochenende besuchen. Bei „Leurs“ gibt es alles, was das Gärtnerherz begehrt. „Wir haben offen, aber machen Sie keinen Ausflug draus“, schreibt das Gartencenter auf seiner Homepage.

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Und daran scheinen sich die wenigen deutschen Besucher auch zu halten. „Ich hatte hier vor Wochen etwas bestellt, was jetzt angekommen ist. Das hole ich nur schnell ab“, erzählt ein Kunde aus dem Straelener Stadttteil Herongen, der direkt an Venlo grenzt. „Ich fahre immer über die grüne Grenze“, sagt er und meint die Straße, die direkt neben der A40 von Herongen nach Venlo führt. Auf der Autobahn werde ja derzeit auch häufiger kontrolliert. „In den nächsten Wochen werde ich aber nicht mehr rüberfahren, auch wenn’s schwerfällt, weil es schon so lange selbstverständlich geworden ist.“

Auch vielen Niederländern fällt Umstellung schwer

Ihre Gewohnheiten scheinen auch viele Niederländer nur schwer ablegen zu können. Vor allem in Nettetal-Kaldenkirchen tätigten sie weiter ihre Einkäufe oder tankten. „Es ist schon weniger geworden“, erzählt eine Verkäuferin im Rewe-Markt, der kaum einen Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Vor Ostern hatte der Nettetaler Bürgermeister Christian Wagner gesagt, dass die Situation an der Grenze ihm Sorgen bereite. Mehrfach hatten auch andere Politiker darauf hingewiesen, dass sich die Infektionsketten bei häufigen Besuchen ins Nachbarland immer schlechter nachvollziehen ließen.

„Aber es kommen immer noch mehr als genug, ist natürlich gut fürs Geschäft, aber eigentlich die falsche Entscheidung.“ Manche Lebensmittel seien hier deutlich günstiger, das locke die Nachbarn auch in Corona-Zeiten an. „Und es gibt ja auch genügend Wege über die Grenze, die können sie gar nicht mehr alle kontrollieren.“ Der Schengen-Raum sei eben nicht mehr auf umfassende Grenzkontrollen ausgerichtet. Auch an diesem Wochenende soll aber punktuell kontrolliert werden – in beide Richtungen.