An Rhein und Ruhr. In Oberhausen werden Ratssitzungen live übertragen, so wie bereits in Duisburg oder Essen. Warum das für einen Experten nur der Anfang sein kann.

Licht, Ton, Kamera, Action! Ab Montag können Bürgerinnen und Bürger in Oberhausen auch dann das politische Geschehen in ihrem Stadtrat verfolgen, wenn sie nicht Platz auf der realen Zuschauertribüne genommen haben. An diesem Tag wird zum ersten Mal eine Video-Übertragung der Ratssitzung über das Internet live gehen. Ab 15 Uhr geht es los.

Die Stadt folgt damit Vorbildern wie Essen, Duisburg oder Düsseldorf, die zum Teil bereits seit über einem Jahrzehnt solche Livestreams anbieten und bis zu mehrere Tausend Zuschauerinnen und Zuschauern pro Sitzung verzeichnen. In Dinslaken soll ein erster Prototyp eines „Rats-TV“ im Juni an den Start gehen – zuvor gab es dort jahrelange Diskussionen in der Politik über das Für und Wider.

Livestreams aus dem Rat: Politikexperte begrüßt Anstrengungen vieler Verwaltungen

Der Politikwissenschaftler Christoph Bieber, Experte für „Digitale Demokratische Innovationen“ am „Center for Advanced Internet Studies“ (CAIS) in Bochum, begrüßt die Anstrengungen, die immer mehr Rathausverwaltungen unternehmen, um mit Bewegtbildern Bürgern Politik näherzubringen. „Es ist eben nicht nur Symbolpolitik, dafür sind die notwendigen Arbeitsschritte zu aufwendig. Im Hintergrund werden die gesamten Verwaltungsabläufe digitalisiert, bevor es zu den Übertragungen kommen kann.“

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Der Politikexperte, der mit seiner Forschungsgruppe die Übertragungen in Oberhausen interessiert verfolgt, setzt darauf, dass derartige Livestreams nur der Anfang sind. „Die nächsten Schritte sind dann hybride Sitzungen, bei denen Ratsmitglieder sich online zu Sitzungen zuschalten und mit abstimmen können.“

Oberhausens Oberbürgermeister Schranz: Politik lebt von Bürgernähe und Transparenz

„Politik – vor allem auch Kommunalpolitik – lebt von Bürgernähe und Transparenz“, ist Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz überzeugt. „Durch die Übertragung via Livestream und die Aufzeichnungen können Bürgerinnen und Bürger die Sitzungen des Rates von überall her verfolgen oder im Anschluss jederzeit anschauen. So stärken wir die Bürgerbeteiligung – und damit die kommunale Demokratie.“ Am Montag wird in Oberhausen etwa über verkaufsoffene Sonntage entschieden oder die Erweiterung einer Gesamtschule – hier geht es um Investitionen von knapp über 70 Millionen Euro.

Der Ratsaal der Stadt Oberhausen wurde für sieben Millionen Euro modernisiert.
Der Ratsaal der Stadt Oberhausen wurde für sieben Millionen Euro modernisiert. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Das Angebot in Oberhausen wird durch die im vergangenen Jahr abgeschlossene Sanierung des ursprünglich 1930 eingeweihten Ratssaals möglich. Sieben Millionen Euro hatte diese gekostet. Im Saal sind nun fünf Kameras angebracht, mit denen alle Plätze im Plenum fokussiert werden oder eine Totale der Bank des Verwaltungsvorstandes gezeigt werden können. „Einzelne Plätze werden nur fokussiert, wenn das jeweilige Mikrofon aktiviert ist“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Die Einstellungen der Kameras sind automatisiert, die Regie korrigiert lediglich geringfügig den Bildausschnitt.

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Die originalen, nicht bearbeiteten Aufnahmen werden nach Abschluss der Wahlperiode nicht mehr online abrufbar, sondern dem Stadtarchiv übergeben und nur noch dort im Lesesaal für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Ausgenommen ist jeweils der nicht-öffentliche Teil, in dem Angelegenheiten beraten werden, deren Geheimhaltung erforderlich ist, etwa Personalangelegenheiten, Grundstücksgeschäfte oder Bürgschaften.

Essen: Ratssitzungen locken bis zu 2000 Zuschauer an

In Essen werden Ratssitzungen bereits seit Januar 2013 live übertragen. Im Saal gibt es zwei Kameras, die eine ist fest auf den Verwaltungsvorstand ausgerichtet, die andere auf das Rednerpult. Schwenke ins Plenum oder Publikum gibt es nicht.

„Alle Ratsmitglieder und auch die Verwaltung werden nur mit schriftlicher Einverständniserklärung gefilmt, die widerrufen werden kann. Diejenigen, die nicht einwilligen, werden nicht aufgenommen“, erklärt Pressereferentin Maike Papenfuß. Die Kameras könnten jederzeit nach einem entsprechenden Hinweis abgeschaltet werden.

Durchschnittlich, so berichtet es Maike Papenfuß, würden etwa 1000 bis 1200 Zuschauerinnen und Zuschauer die Ratssitzungen verfolgen. „Darunter befinden sich auch diejenigen, die sich nur einen Teil der Sitzung ansehen.“ Eine höhere „Einschaltquote“ erreichen Sitzungen mit besonders gefragten Themen auf der Tagesordnung. Das sei etwa die jährliche Haushaltsdebatte, fügt die Pressereferentin an, dann würde das Publikum auf bis zu 2000 Personen oder mehr anwachsen.

Die Sitzungen werden von einem externen Dienstleister aufgezeichnet. Die Kosten liegen pro Ratssitzung bei etwa 1000 Euro. Das Streamen weiterer Sitzungen sei nicht vorgesehen.

In Düsseldorf „schalten“ in der Regel 350 bis 400 Personen ein

„Die Anzahl der Besucher unserer Rats-Streams ist in der Tat recht unterschiedlich und es zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit von den Themen auf der Tagesordnung“, antwortet Mario Brembach, Sprecher der Landeshauptstadt, auf Anfrage. „Werden ‚normale‘ Ratssitzungen von durchschnittlich rund 350 bis 400 Personen verfolgt, steigt der Wert bei brisanten Themen deutlich an.“ Spitzenreiter sei, ähnlich wie in Essen auch, traditionell die Etat-Sitzung, die meist über 1000 Online-Besucher zählt.

Die Aufzeichnungen der Ratssitzungen, die in der Regel donnerstags stattfinden, seien immer ab dem folgenden Montag online verfügbar. Mit Verabschiedung der Niederschrift der betreffenden Sitzung würden diese wieder herausgenommen. Als „Publikumsmagneten“ können die Aufzeichnungen nicht gelten. „Die Abrufzahlen sind hier recht übersichtlich und bewegen sich im mittleren zweistelligen Bereich“, berichtet Mario Brembach. Die Kosten für die Übertragung – in Düsseldorf gibt es zwei parallele Streams, einen mit Gebärdendolmetscher – und die Aufzeichnung belaufen sich pro Sitzung auf 3570 Euro.

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„Seit der Corona-Zeit werden auch unsere Ausschüsse per Livestream übertragen“, ergänzt Brembach. „Damals aus der Not heraus eingerichtet, blieb die Nachfrage nach den Streams auch in der Nach-Corona-Zeit bestehen.“

In Duisburg, wo seit September 2023 Sitzungen übertragen werden, rufen 1200 bis 2000 Bürger den Livestream auf. Größerer Beliebtheit erfreuen sich die Aufzeichnungen. Jede Sitzung werde im Nachhinein 2000 bis 4000 Mal abgerufen, heißt es dort vom Unternehmen „Multibc“, das im Auftrag der Stadt tätig ist.

Der Landtag überträgt ebenfalls Sitzungen

Plenarsitzungen des nordrhein-westfälischen Landtags werden bereits seit mehr als zehn Jahren live übertragen, führt Sprecher Stephan Malessa an. Anfang 2023 sei das Angebot auch auf Sachverständigen-Anhörungen und Ausschusssitzungen ausgeweitet worden. „Die Fraktionen des Landtags haben sich auf eine Initiative von André Kuper, Präsident des Landtags, für eine transparentere Ausschussarbeit und einfache Informationsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger geeinigt“, so Malessa.

Wer beruflich oder familiär eingebunden ist, könnte so vielleicht die Möglichkeit bekommen, mitzuwirken.
Christoph Bieber - Politikwissenschaftler beim „Center for Advanced Internet Studies“ (CAIS)

Im Jahr 2023 habe es rund 30.900 Zugriffe auf Livestreams von Plenar- und Ausschusssitzungen gegeben. Auf die Aufzeichnungen wurde rund 8.000 Mal zugegriffen. Einzelne Kosten können nicht ausgewiesen werden, vertröstet Malessa „Die Kameratechnik wurde sukzessive bei der sowieso fälligen Renovierung der Sitzungsräume installiert, Serverkapazitäten sind ebenso vorhanden.“

Livestreams nur der Anfang: Das verspricht sich Christoph Bieber

Politikexperte Christoph Bieber merkt an, dass die „Digitalisierungsdynamik“ nach dem Ausklingen der Coronapandemie insgesamt eher verhalten ausfalle. „Es wird in einigen Bereichen gebremst.“ Dabei gebe es eine große Chance, die Demokratie durch eine stärkere Teilhabe zu stärken. Neue „Zielgruppen“ könnten für die Mitarbeit in der Kommunalpolitik begeistert werden, wenn es etwa keinen Zwang mehr zur Anwesenheit vor Ort gebe. „Wer beruflich oder familiär eingebunden ist, könnte so vielleicht die Möglichkeit bekommen, mitzuwirken.“