Rees/Köln. Seit 50 Jahren existiert die biologische Forschungsstation am Niederrhein. Jetzt gibt es einen Neubau. Hinterm Deich – aus guten Gründen
Sie sind umgezogen. Ungefähr drei Kilometer landeinwärts. Die Forscherinnen und Forscher der Biologischen Station der Universität Köln haben jetzt ein neues Zuhause: Mitten in Bienen, mit stabilem Mobilfunk, schnellem Internet und Busanschluss nach Rees und Emmerich und damit in die Welt. Die Universität zu Köln hat jetzt den 4,4 Millionen Euro teuren Neubau eröffnet, in direkter Nachbarschaft zum Naturschutzzentrum, mit dem man eng kooperiert.
Doch der Umzug von Grietherbusch nach Bienen hat noch einen weit wichtigeren Grund: Jetzt steht die Station hinter dem Rheindeich und nicht mehr im hochwassergefährdeten Rheinvorland.
Denn auch, wenn unter anderem Hoch- und Niedrigwasser des Flusses und deren Folgen für Fauna und Flora ein wichtiger Forschungsgegenstand des Instituts sind: Forschen lässt sich doch besser, wenn einem das Wasser eben nicht bis zum Hals steht und die Forschungsstation nur per Boot erreichbar ist.
Denn neben dem Hochwasser gibt es auch eine gewaltige Aufgabenflut für das kleine Institut, das jetzt aus guten Gründen die direkte Nachbarschaft zum Naturschutzzentrum in Rees-Bienen gesucht und gefunden hat. Das machte Professorin Ann-Marie Waldvogel, die neue wissenschaftliche Leiterin der Ökologischen Forschungsstation sehr deutlich: „Der Klimawandel ist in Nordrhein-Westfalen messbar und spürbar.“
Beim Thema Hochwasser räuspert sich der Landrat
Die Auswirkungen am Niederrhein, zunächst und am eindrucksvollsten: Die Zahl der Hoch- und Niedrigwasserereignisse nimmt deutlich zu. „Darauf ist die Region mittlerweile recht gut vorbereitet“, so Professorin Waldvogel – was den Kreis Klever Landrat Christopher Gerwers (CDU), bis 2022 noch Bürgermeister von Rees, zu einem leisen Räuspern veranlasste.
Hinzu aber kommt ein massiver Wandel der Arten. „Mittlerweile verzeichnen wir hier fast ausschließlich ursprünglich gebietsfremde Arten“, so Professorin Waldvogel. Und daran knüpft sich auch die Forschung in der Rheinaue zwischen Emmerich und Wesel, einschließlich der alten Flussarme und Baggerseen rund um Millingen und Haldern an.
„Wir wollen wissen: Wie sieht die Biodiversität in der Rheinaue aus?“, so Professorin Waldvogel. Wie verändert sie sich im Fluss der Zeit und was bedeutet der Wandel für das Ökosystem Rheinaue? „90 Prozent der Arten, die wir heute hier haben, waren vor 50 Jahren noch nicht da“, so ihr Vorgänger Prof. Arndt. Und seit 50 Jahren weiß das die Uni Köln recht genau, denn 1973 übernahm sie eine ehemalige Volksschule in Grietherbusch als Forschungsstelle.
Nicht nur Studierenden und Forscherinnen und Forscher der Universität zu Köln kommen dafür nach Rees-Bienen, der Forschungsstandort wird auch u.a. von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Uni Duisburg-Essen, der Ruhr-Uni und weiterer Hochschulen genutzt. 2019 fiel der Baubeschluss, wegen Corona und Lieferengpässen wurde es mit der Neueröffnung nun 2024 statt 2022.
Die Aquarien sind noch leer
Für sie alle gibt es jetzt im Erdgeschoss eine Minimensa. Im Seminarraum schauen den Lernenden die ausgestopften Wasservögel und ein Fuchs über die Schulter, nebenan stehen die Mikroskope, noch eingepackt und in einem anderen Raum blubbert schon das Wasser in zahlreichen Aquarien und wartet auf die lebenden Forschungsgegenstände.
Unterm (sehr hohen und teils lichtdurchlässigen Dach) sind vier Vierbettzimmer eingerichtet, in denen es noch nach frischem Vollholz riecht. Für Langzeitforschende gibt es zwei Zweibettzimmer mit eigenem Bad und Blick auf den Deich. „Attraktiver als das Wohnen in manchem Studierendenheim in Köln“, meinte ein Besucher.
„Wir können jetzt uns wesentlich besser auf die Studierenden einstellen“, so Jost Borcherding, der schon seit Jahrzehnten in der Rheinaue forscht und 1993, in seinem ersten Jahr in Grietherbusch mit einem Rheinpegelstand von 80 Zentimetern im Erdgeschoss begrüßt wurde.
Flexible Verteilung zwischen Männern und Frauen
Derlei wird hinterm Deich nicht passieren. Und statt wegen der Raumaufteilung strikt je die Hälfte der Plätze für Männer und Frauen vergeben zu müssen aufgrund der Raumsituation, kann man jetzt dem Umstand Rechnung tragen, dass mittlerweile vier von fünf Studierenden des Faches Biologie weiblich sind.
Wo so viel über Ökologie geforscht wird, muss auch die Umweltbilanz passen: Mit Photovoltaik, Geothermie, Regenwassernutzung und Ladestation für Elektroautos will das Haus mit seinen 1120 Quadratmetern Vorbild sein. Die Gesamtfläche, so betont die Uni Köln, ist übrigens bis auf eine zusätzliche Küche gleichgeblieben.
Unklar ist noch, was aus der alten Forschungsstation wird.. „Wir wollen sie verkaufen“, so Markus Gerhards vom Gebäude- und Liegenschaftsmanagement. Muss man vermutlich als trockenen Humor werten, angesichts der zahlreichen Geschichten von Hochwasser, Rissen und Schimmel im Altbau, die an diesem Tag der Einweihung erzählt wurden.