Rees/Grietherbusch. Prof. Borcherding leitet seit 30 Jahren Uni-Außenstelle in Grietherbusch. 2022 zieht er um nach Rees-Bienen. Vorbereitungen sind angelaufen.

Auch wenn es ihm doch irgendwie schwer fällt. Mit den Umzugs-Vorbereitungen seiner Zoologie-Außenstelle der Uni Köln von Grietherbusch in Rees ins benachbarte Bienen hat Professor Jost Borcherding schon begonnen. „An dem Haus hier hängt viel Herzblut“, sagt der 63-Jährige. Seit 30 Jahren forscht er in der ehemaligen Grundschule. Jetzt sortiert er schon mal die ersten Papier-Unterlagen aus. Weil heute sowieso alles digital archiviert werde.

Charme hat das alte Gebäude ohne Ende. Jüngst, bei Hochwasser, konnte man sogar den Rhein sehen. „2003 standen die Fluten letztmalig direkt an der Türe, 1993 sogar 80 Zentimeter hoch im Untergeschoss“, erinnert sich der Doktor der Biologie. In dem Jahr damals hatte er seinen Job als Leiter der Außenstelle angetreten – der in knapp drei Jahren im jetzt entstehenden Neubau endet, drei Kilometer entfernt am Naturschutzzentrum.

Standort in Auenlandschaft ist für Forscher optimal

Betritt man das idyllisch gelegene alte Gebäude aus den 1960er-Jahren, wirkt alles wie ein Sprung in eine andere, lange vergangene Zeit. An den Wänden hängen vergilbte Zeitungsausschnitte, man erkennt, wo das Hochwasser damals gestanden hat, oberhalb der Treppe gibt’s noch ein buntes Mosaik von früher, als hier noch von einem Lehrer eine Klasse über vier Jahre unterrichtet wurde.

Prof. Jost Borcherding untersucht Zwerg-Grundeln am Mikroskop.
Prof. Jost Borcherding untersucht Zwerg-Grundeln am Mikroskop. © NRZ | Remy

„Für die Uni-Außenstelle ist der Standort einfach optimal, weil man mitten im Auen-Gebiet ist, sozusagen von Wasser umgeben“, erzählt Professor Borcherding. Der eigentlich gar keinen Lehrauftrag inne hat. Den Professoren-Titel habe ihm die Uni 2017 wohl wegen seiner nachweislichen Verdienste in der Forschung hier an der Außenstelle, weitab der Rhein-Metropole, außerplanmäßig verliehen, erzählt der gebürtige Düsseldorfer. Der, wenn nicht gerade Studenten im Hause sind, alleine mit dem Hausmeister-Ehepaar seinen Dienst tut.

Grundlagen-Forschung an Zwerg-Grundeln

Während im Aquarien-Raum Goldfische Asyl erhalten, die sonst wohl hätten getötet werden müssen, sitzt Professor Borcherding in der ersten Etage im Labor, untersucht gerade winzige Zwerg-Grundeln unter dem Mikroskop. „Die gibt’s hier normalerweise nicht und sind ganz neu aus dem Donaugebiet eingewandert“, weiß Borcherding. Der jetzt Grundlagen-Forschung betreibt und untersucht, was die Fische fressen, von wem sie gefressen werden, welchen Einfluss sie auf ihr Umfeld haben. Später folgt eine Abhandlung, die veröffentlicht wird.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Emmerich, Rees und Isselburg. Den E-Mail-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Begeistert war Professor Borcherding zunächst jedenfalls nicht wirklich von der Idee, das Gebäude im nächsten Jahr verlassen zu müssen und in den über vier Millionen Euro teuren Neubau in Bienen umzuziehen. „Es macht aber Sinn“, gesteht er heute ein, während er in seinem Büro, der ehemaligen Garage des Lehrers, am Computer sitzt. Die Rahmenbedingungen für die Forschungsarbeiten würden künftig einfach viel, viel besser sein, besonders auch für die Studenten.

Alte Grundschule „Hotspot für Eheschließungen“

Für die stehen bislang große Schlafräume und eine Küche zur Verfügung, dazu eine ziemlich in die Jahre gekommene Sanitär-Einrichtung. Wie gesagt: Charme hat das Ganze, und hat wohl auch in früheren Jahren zu vielen Beziehungen geführt. „Das war ein richtiger Hotspot für Eheschließungen“, schmunzelt der Gelehrte. Und verrät nebenbei, dass auch er seine Frau hier kennengelernt hat.

Die alte Grundschule, die damals übrigens nach nur vier Jahren aufgegeben und von der Uni Köln erworben wurde, soll jetzt verkauft werden. Das Gebäude müsse zwar von Grund auf saniert werden, nicht nur energetisch. „Es gibt aber jede Menge Kaufinteressierte“, weiß Borcherding. Nach dem, was er gehört habe, kämen sie alle aus der näheren Umgebung. Einer, meint der Professor, will das Gebäude beispielsweise später für Ferienwohnungen nutzen, ein anderer möchte es zum Wohnhaus ausbauen.

Wissenschaftler will später weiter ehrenamtlich tätig sein

Auf seine Pensionierung freut sich der Uni-Mitarbeiter. „Aber natürlich werde ich meinem Nachfolger oder meiner Nachfolgerin bei der Einarbeitung zur Seite stehen“, kündigt der Wissenschaftler an. Alleine schon seiner vielen Kontakte wegen will er auch in den ehrenamtlichen Funktionen weiter aktiv sein, etwa im Vorstand des Naturschutzzentrums.

Fast 20 Aquarien stehen in der ehemaligen Grundschule in Grietherbusch. Die Uni Köln wird den Standort nächstes Jahr aufgeben und in den nahegelegen Neubau ziehen.
Fast 20 Aquarien stehen in der ehemaligen Grundschule in Grietherbusch. Die Uni Köln wird den Standort nächstes Jahr aufgeben und in den nahegelegen Neubau ziehen. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Und natürlich werde er im Förderverein für die Außenstelle der Uni Köln in Grietherbusch, so die offizielle Bezeichnung, weiter arbeiten, den er selbst 2003 mit einigen Kollegen aus Köln gegründet hat. „Weil die Uni weit weg ist“, sagt er. Nicht nur das Auto, das Studenten hier unbedingt brauchen und für das es von der Uni kein Geld gegeben hätte, habe man so anschaffen können. 100 Mitglieder hat der Verein, viele von ihnen waren als Studenten in Grietherbusch.

Schon als Student in Forschungseinrichtung am Rhein gewesen

Apropos Außenstelle der Uni in Grietherbusch: Zwar leitet Professor Jost Borcherding die Forschungseinrichtung nun schon seit knapp 30 Jahren. Er kennt sie aber seit 40 Jahren, also von Beginn an: „Ich war hier schon als junger Student und habe 1982 meinen ersten Kurs hier gemacht“, erinnert er sich. Wohl auch deshalb ist ihm das alte Gebäude so ans Herz gewachsen.

>> Altes Gebäude sollte ursprünglich saniert werden

Den Plan, das alte Grundschulgebäude zu renovieren und weiter als Uni-Außenstelle zu nutzen, gab es schon lange, sagt Professor Borcherding. 2009 stand eigentlich im Prinzip fest, dass man – trotzt latenter Hochwasser-Gefahr – diesen Schritt machen wollte.

Dann aber kam der Vorschlag von Dr. Ulrich Werneke, dem Leiter des Naturschutzzentrums in Bienen, der das Grundstück hinter der Einrichtung zur Verfügung stellte. Auf Erbpacht-Basis, für einen symbolischen Preis von einem Euro. Was jetzt in die Tat umgesetzt wird.