An Rhein und Ruhr. Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hat einen neuen Bericht vorgelegt. Doch neue Strecken für Radfahrer gibt es 2024 kaum.
Wer hofft, im irgendwann nahenden Frühling an Rhein und Ruhr womöglich auf etwas längeren und besseren Ausbaustrecken radfahren zu können, wird mutmaßlich enttäuscht. Im Sachstandsbericht zum Ausbau der Radschnellwege im Land muss der zuständige Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) einräumen: Es geht nur äußerst langsam voran.
Der ADFC zeigt sich demnach auch eher enttäuscht über die mangelnden Fortschritte: „Nüchtern betrachtet müssen die Radfahrenden (...) auf die Fertigstellung längerer Teilabschnitte der insgesamt 278 Kilometer noch lange warten“, so der ADFC-Landesvorsitzende Axel Fell. Zuletzt hatten die Rad-Aktivisten im November 2023 auf das fehlende Tempo beim Radschnellwegbau hingewiesen.
Beispiel Radschnellweg Ruhr, der berühmte RS1, gedacht mittlerweile von Kamp-Lintfort bis Hamm – insgesamt 118 Kilometer „Radelautobahn“ von West nach Ost durchs Revier. Nach mehr als 14 Jahren Planung und Bau befahrbar auf genau sieben Kilometern, verteilt auf drei Teilstrecken in vier Städten: in Mülheim, Bochum, Gelsenkirchen und Dortmund. Zum zehnten Geburtstag der Planung in 2019 hoffte man noch bis 2025 auf weitgehende Fertigstellung.
Wer mag, rechnet noch elf Kilometer „Modellstrecke“ von Mülheim bis zur Essener Innenstadt hinzu, die allerdings nicht den geforderten Ausbaukriterien entsprechen, was Beleuchtung, Belag und Mindestbreite angehen. Insgesamt rechnet Minister Oliver Krischer mit Baukosten von rund 238 Millionen Euro für das Projekt, das in sage und schreibe 38 Teilprojekte unterteilt ist. Jede Kommune frickelt je nach Haushaltslage und politischer Motivation vor sich hin. Für Duisburg beispielsweise gibt es noch keine Kostenschätzung.
Die Folge: In 2024, so Minister Oliver Krischer, kommt es für maximal weitere sechs Kilometer zum Baustart, in 2025 könnte der Baubeginn womöglich sogar für weitere 25 und 2026 gar für 43 Kilometer beginnen. Bauzeit, je nach Abschnitt, so der Minister „zwischen zwei und fünf Jahren“.
Doch vor den Bau hat der liebe Gott ja bekanntlich die Planung gesetzt und da kommt den Radwegplanern mal die Bahn in die Quere, die auf die geplante Trasse entweder Oberleitungsmasten setzt oder die ausgeguckte Trasse, wie in Bochum, nicht hergeben mag. Kommen dann noch aufwändige Träume von aufgeständerten Trassen oder durchfahrbaren Häusern hinzu wie in Essen, passiert erst einmal lange nichts. Jüngst immerhin begannen erste Rodungsarbeiten im Essener Osten.
Wer jetzt hofft, dass es auf dem platten Land vielleicht schneller geht, wo die Flächenkonkurrenz nicht so riesig ist, wird womöglich ebenfalls enttäuscht. 2013, so der ADFC, wurden die Planungen für die Radschnellwege RS2 bis RS5 vorgestellt. Zehn Jahre später sind gerade einmal 1,5 km fertig. Für Autos geht es leichter: im gleichen Zeitraum wurden 213 Kilometer Landstraße neu gebaut, so der ADFC.
Aber schauen wir mal im Detail. Beispiel: Radschnellweg Westmünsterland. Der RS2 soll auf 46 Kilometern Isselburg via Bocholt und Rhede mit Velen verbinden. Bei der Vorzugsvariante hat man sich auf die alte Bahnstrecke verständigt, die dort entlangläuft.
Die aber ist in der „Zielnetzprognose 2040+“ als möglicherweise wiederzubeleben eingestuft worden. Auch, wenn zumindest zwischen Isselburg und dem Bocholter Westen sowie Borken und Velen nur die kühnsten Bahnbefürworter je wieder Züge für möglich halten.
Projekte auch in Aachen und Minden
Für hiesige Radenthusiasten wohl eher Wochenend-Ausflugsziel ab etwa 2032: Der RS3, der über 50 Kilometer Herford mit Minden verbinden soll. Die ersten 16 Kilometer von Herford nach Löhne sollen 2027 parat sein.
In die Niederlande, in Sachen Radverkehr NRW so etwa ein halbes Jahrhundert voraus, soll der RS4 führen, der von Aachen über Herzogenrath nach Kerkrade geht. Erste Etappen in Aachen sollen ab 2028 befahrbar sein. Die Gesamtstrecke, rund 15 Kilometer, soll zwischen 2032 und 2034 fertig werden.
Die stets knubblige Verkehrslange rings um die Landeshauptstadt Düsseldorf könnte der RS5 entlasten. Er soll über 24 Kilometer von Neuss über Düsseldorf nach Langenfeld führen. In Neuss soll zur Landesgartenschau 2026 ein erster Abschnitt von 2,5 Kilometern fertig sein.
Was in Düsseldorf geschieht, beschreibt Minister Krischer so: Die Verwaltung „konnte bislang noch keine Zustimmung der politischen Gremien zu einer favorisierten Linie einholen.“ Folge: zur Zeitschiene lässt sich noch nichts sagen, gleiches gilt für Langenfeld. Aber: Was spektakuläre Ideen angeht, will Düsseldorf natürlich Essen noch den Rang ablaufen. Wie wäre es mit einem hängenden Radweg?
Von Köln nach Frechen soll es schnell gehen
Die jüngste große Protestaktion des ADFC zur Schleichfahrt beim Radschnellwegebau begann am RS6 von Frechen nach Köln. Hier hat die Stadt Köln alles in einer Hand, deswegen soll es vergleichsweise schnell gehen. Zeitgleich soll in vier Abschnitten 2026 gebaut werden, zwei Jahre später wären die acht Kilometer fertig.
Und dann gibt es noch den RS7, als Ergänzung zum RS1 gedacht und folgerichtig auf der Zeitschiene noch nicht verankert. Lediglich ganz im Norden, in Gladbeck gibt es erste Planungen. Dermaleinst soll die Strecke 16 Kilometer lang werden, die Kosten werden auf rund 33 Millionen geschätzt.
Und es gibt sogar noch einen Bonustrack: Den Radschnellweg Monheim, ein kommunaler Radschnellweg mit finanziellem Rückenwind vom Land. Er ist bescheidene 5,4 Kilometer lang, ein erster Abschnitt von 1,25 km ist schon fertig. In diesen Tagen soll mit dem Bau des nächsten Kilometer begonnen werden. Was mit den anderen drei ist, ist derzeit noch offen.
Gesamtbilanz, so der ADFC: In den nächsten vier Jahren kommen pro Jahr mit etwas Glück je zehn Kilometer hinzu. Rechnet man mit den frühesten vom Land genannten Terminen, könnten in den Jahren 2026 bis 2032 weitere 106 Kilometer dazu kommen.
Langsamer Bau ist „besonders ärgerlich“
Damit wären in acht Jahren gerade mal 166 der 278 Radwegkilometer fertig. „Das ist besonders ärgerlich, weil das Land auch ein hohes Nutzerpotential sieht und die Städte im Berufsverkehr entlastet werden könnten“, so das Fazit von ADFC-Chef.
Die Baukosten, von denen der Bund etwa 75 Prozent übernähme, liegen bei rund 523 Millionen. Oliver Krischer hofft darauf, dass es immerhin mit dem Planen schneller wird: In jeder Regionalniederlassung von „Straßen.NRW“ wird eine AG Radverkehr Chefsache werden. Halbjahresgespräche zwischen Ministerium, Straßen.NRW und den beteiligten Kommunen sollen zudem helfen, damit die Radschnellwege endlich in Tritt kommen.