An Rhein und Ruhr. Vom Radschnellweg Ruhr sind bislang nur wenige Kilometer fertig. Der Fahrrad-Club „ADFC“ macht Druck für eine Fertigstellung bis zum Jahr 2025.
Es kann so schön sein, das Radeln auf dem Radschnellweg. Jetzt zum Beispiel: Die ersten knapp 20 Kilometer sind geschafft, Duisburg und Mülheim gequert, ich nähere mich der Stadt Essen. Die begrüßt mich mit dem Hinweis, dass sie fahrradfreundliche Stadt ist, direkt danach folgt das Schild „Grüne Hauptstadt 2017“.
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Um den ökologischen Anspruch zu unterstreichen, verzichtet Essen auf eine Asphaltdecke. Die so genannte „wassergebundene Decke“ tut, was sie verspricht: Bindet Wasser noch Tage nach dem Regen, formt Schlaglöcher und sorgt für matschbraune Sprenkel an Rad und Gesäß.
Ein Gebet zum heiligen St. Asphalt
Das Gebet zum heiligen St. Asphalt wird bald erhört. Mehr noch: Essen hat an die seit 2008 existierende Radeltrasse etliche Anschlussstrecken angeflanscht und tut dies auch weiter: Die starke Stammstrecke entwickelt Äste! Bald mahnt eine Tafel zur gegenseitigen Rücksicht. Weil auch Kinder und Gassigänger den Weg im dicht bebauten Stadtteil nutzen. Dass die Strecke malerisch über einen kleinen See führt, macht sie charmant, aber mit zügigem Radeln von A nach B nur bedingt vereinbar.
Genauso wie die fehlende Brücke über den Berthold-Beitz-Boulevard: Dass Bauwerke, die bei Güterzügen tausende Tonnen tragen konnten, fast immer zu marode für Radler sind, gehört zu den Mysterien der Baustatik. Hier musste man nur eine halbe Brücke abreißen: die Straße war breiter als die alte Bahnbrücke über eine Krupp-Werksbahn. Jedenfalls geht es jetzt seit Jahrenrunter zur Bettelampel, Knopf drücken und Kopfweh kriegen. Vom Kopfschütteln.
Darüber, dass es möglich ist, noch heute eine vierspurige Innenstadtstraße zu bauen, ohne an einen Radweg zu denken – die wird hier gekreuzt. Und weil es hier eh keinen Anschluss an ein großstädtisches Radwegenetz gibt, wird die Brücke neu errichtet. Man kann durchradeln. Für noch zwei Kilometer. Dann endet der Radweg endgültig am Uni-Campus Essen.
Direkt dahinter hat man den Fehler direkt wiederholt: Bahnbrücke abgerissen. Der Grünstreifen in der Mitte der vierspurigen Trasse ist plattgetrampelt von risikofreudigen Radlern, die hier irgendwie verzweifelt eine Fortsetzung der Ost-West-Verbindung suchen.
Hoffen auf den großen Investor
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CDU und SPD hoffen auf den großen Investor. Der Bahndamm soll (vielleicht) weg, der Radweg mitten durch oder über noble Häuser führen. So realistisch wie Fahrräder mit eingebautem Rückenwind.
Es werden ein paar Kilometer Irrfahrt für mich, bis ich hinter Essen-Kray wieder ein schönes Stück finde. Der Radweg folgt wieder der Bahntrasse, balanciert auf der Stadtgrenze zwischen Gelsenkirchen und Wattenscheid, bis kurz hinterm Stadion Lohrheide. Danach ist der RS1 fertig asphaltiert. Leider nur, weil er zur Baustelle des Emscherumbaus führt. Gesperrt. Aber: Straßen.NRW in Person von Radplaner Sebastian Artmann macht Hoffnung: „2020 sollte das komplette Teilstück in Gelsenkirchen fertig werden.“
Ich weiche aus über die schönste aller Radeltrassen im Revier: nach dreimal aufs Handy gucken, zweimal wenden und einmal einen kurzen, knackigen Anstieg fahren: Die Erzbahntrasse nach Bochum kreuzt in luftiger Höhe. Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse aller Radwege auf alten Bahntrassen: Sie sind weitgehend frei von Straßenkreuzungen und Steigungen.
In Bochum, kurz vor der Jahrhunderthalle hat man endlich auch mal so getan, als wäre man in den Niederlanden oder in Dänemark: Geld rausgehauen und dem Radverkehr ein spektakuläres Bauwerk spendiert. Das war vor knapp 20 Jahren. Danach hat einen der Radelalltag im Revier wieder: In der Bochumer Innenstadt sind immerhin Radwege auf einstige Autospuren gemalt, in Ehrenfeld und am Schauspielhaus.
„Schließlich wollen wir ja keinen zweiten Berliner Flughafen“
Auch südlich der Innenstadt geht es gut, dann beginnt wieder eifriges Wegesuchen. Bis ich auf den guten alten Hellweg stoße. Den haben einst Mittelaltermenschen in die Wildnis gestampft. Heute geht es hier für Radler vergleichsweise glatt nach Osten. Durch Werne, Oespel, Kley und Dorstfeld zur Dortmunder Innenstadt. Hier, kurz vorm Stadion, steht eine Radfahrerzählanlage. Ich bin heute Nummer 678.
Der RS1 soll von hier entlang der S-Bahn-Linie nach Unna führen, dann nach Norden Richtung Kamen und dann nach Hamm. Dort, so erzählt mir Thomas Semmelmann vom ADFC, ringt man darum, ob er an der Seite des Kanals oder in der Mitte geplant und gebaut werden soll. „Da stellt sich das Wasser- und Schifffahrtsamt quer.“ Dennoch: „Der Radweg sollte 2025 fertig sein können.“ Echt jetzt? Wo sogar Straßen.NRW das Jahr 2026 nennt? „Na ja, wir werden weiter Druck machen. Schließlich wollen wir ja keinen zweiten Berliner Flughafen.“
Für die knapp 70 Kilometer bis hierher habe ich gute fünf Stunden gebraucht. Wegen Wege suchen und wegen Kalorien tanken. Pommes Schranke und Currywurst. Die würde ich für den Rest des Lebens klaglos gegen Frikandel Spezial tauschen. Wenn wir dafür niederländische Radwegeplaner importieren...