Duisburg. Die Beschäftigungsquote von Frauen liegt am Niederrhein unter NRW-Durchschnitt. Magdalena Kowalczyk erklärt, wie sich das ändern lässt.

Die gute Nachricht hat Magdalena Kowalczyk erst vor wenigen Tagen erhalten: Das zuständige NRW-Ministerium hat den eingereichten Antrag auf eine weitere Förderung bewilligt! Die Freude darüber ist ihr deutlich anzumerken, kein Wunder, denn damit ist die Finanzierung des „Kompetenzzentrums Frau & Beruf Niederrhein“ für die kommenden vier Jahre gesichert. Wieso das ein wichtiger Schritt ist und welche nächsten Ziele anstehen, erklärt die Leiterin aber am besten selbst...

Die Beschäftigungsquote von Frauen lag zum Stichtag 31. Dezember 2022 bei 48,1 Prozent in Duisburg und bei 55,1 Prozent in den beiden Kreisen Kleve und Wesel – und damit unter dem NRW-Durchschnitt von 55,8 Prozent und dem des Bundes von 58,9 Prozent. Woran liegt das?

Die Zahlen und Fakten waren sicher der Grund für das Ministerium für Kinder, Jugend, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW, uns als „Kompetenzzentrum Frau & Beruf Niederrhein“ weiter zu fördern. Spürbare geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gesellschaft und Wirtschaft gibt es auch weiterhin. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von der Berufswahl über Familienpflichten bis hin zu den Rahmenbedingungen für eine Karriereentwicklung. Außerdem arbeiten Frauen nach wie vor häufiger in Teilzeit als Männer und sind in Führungspositionen noch immer stark unterrepräsentiert.

Deshalb startet das Kompetenzzentrum nun in eine neue Förderphase, um seine Projekte zur Gewinnung und Bindung weiblicher Fachkräfte für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fortzusetzen. Zum einen geht‘s dabei um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Erst langsam merken die Unternehmen, wie wichtig familienkompatible – oder besser –lebensphasenorientierte Unternehmensführung ist. Zum anderen geht‘s auch um die Karriereentwicklung von Frauen, eine diversitätsorientierte Unternehmenskultur und die Unterstützung von Unternehmerinnen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Thomas-Prinzip – kennen Sie das?

Nee...

Das Thomas-Prinzip laut der AllBright-Studie meint, dass die Vorstände homogen sind. Die Mitglieder gleichen sich immer stark in Alter, Herkunft und Ausbildung, weil sie sich am liebsten mit Spiegelbildern ihrer selbst umgeben. Oder anders gesagt: Ein Thomas im Vorstand hätte auch gern einen Thomas als Kollegen. Das ist ein Erklärungsansatz, wie männlich besetzte Vorstände zustande kommen und wie das Ähnlichkeitsprinzip auch bei der Rekrutierung und Karriereentwicklung wirkt.

Kann die Frauenquote das Problem lösen?

Ich war eine gewisse Zeit dagegen, aber mittlerweile sehe ich durchaus, dass eine Frauenquote in gewissen Bereichen etwas erreicht – und auch dabei hilft, das Thomas-Prinzip zu durchbrechen. Das ist also eine Stellschraube, damit Frauen in Führungspositionen vordringen und ihnen Karrierechancen gegeben werden. Um nachhaltig etwas zu verändern, sollten aber Prozesse und Strukturen auf den Prüfstand gestellt werden, wie z. B. die Auswahlprozesse. Erfolgt die Personalauswahl über strukturierte Interviews, liegt der Fokus auf den Kompetenzen, was die Einstiegs- und Aufstiegschancen für Frauen erhöht.

Wieso ist Diversität so wichtig? Inwiefern kann ein Unternehmen davon profitieren?

Diversität wird meist mit „Vielfalt“ übersetzt. Unterschiedliche Denk- und Handlungsmuster können Teamarbeit grundlegend verändern und zu neuen Ansätzen sowie dann auch zu betriebswirtschaftlichen Erfolgen führen. Im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte ist das für kleine und mittelständische Betriebe von existenzieller Bedeutung – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.

Eine Ihrer Zielgruppen ist auch die der Unternehmerinnen...

Tatsächlich gibt‘s eine Studie der IHK NRW und der Bergischen Universität Wuppertal, die belegt, dass im Jahr 2023 der Anteil von Gründerinnen im Bereich der Start-ups bei 20 Prozent liegt. Bei allen Selbstständigen beträgt er 37 Prozent. Da ist noch Luft nach oben! Die Studie zeigt auch, dass sich Gründerinnen mehr Vernetzungsangebote, mehr Unterstützung in Partnerschaften und mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft wünschen. Deshalb haben wir bereits in der vergangenen Projektphase ein Female-Mentoringprogramm für Existenzgründerinnen in der Region Niederrhein gestartet, bei dem wir jeweils eine erfahrene Unternehmerin mit einer jungen Existenzgründerin zusammengebracht haben. Das Fazit: Mentoring ist für beide Seiten eine echte Bereicherung, gibt Rückenwind für Frauen bei den Herausforderungen in der Aufbauphase ihres Unternehmens und erweitert die eigenen Geschäftskontakte. Die nächste Mentoring-Staffel für Female Start-ups und Existenzgründerinnen am Niederrhein für 2024 ist schon geplant. Zeitplan und Termine folgen im Februar 2024.

Welche Gründerin hat Sie besonders beeindruckt?

Schwierige Entscheidung, denn jede einzelne Gründerin, die sich auf einen Erfolg versprechenden Weg macht, zählt für den Wirtschaftsstandort! Vielleicht aber Sarah Zuliani, die sich dem Thema der Work-Life-Family-Balance widmet und dazu eine Beratungsdienstleistung entwickelt hat. Ihre Mentorin war Alkje Stuhlmann, die mit einem Gründungsteam „icho systems“ und einen digitalen Therapieball entwickelt hat, der für Demenzkranke eingesetzt werden kann. Mit ihrer Idee war sie übrigens auch schon bei „Höhle der Löwen“. Grundsätzlich ist es einfach wichtig, Vorbilder zu haben und genau das können Mentorinnen sein.

Kompetenzzentrum Frau & Beruf Niederrhein

Insgesamt gibt es 16 Kompetenzzentren in den jeweiligen Arbeitsmarktregionen Nordrhein-Westfalens. Das „Kompetenzzentrum Frau & Beruf Niederrhein“ ist bei der Stadt Duisburg angesiedelt und Ansprechpartnerin in Duisburg sowie in den Kreisen Kleve und Wesel.

Weitere Informationen und aktuelle Termine sind online zu finden unter https://duisburg.de/microsites/wirtschaft/projekte-themen/Kompetenzzentrum-Frau-und-Beruf.php

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wann braucht es keine Anlaufstelle mehr, die „Frau und Beruf“ in den Fokus nimmt?

Das ist eine berechtigte Frage. Wagen wir tatsächlich einen Blick in die Zukunft, dann braucht es keine Anlaufstelle, wenn die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben eine Selbstverständlichkeit ist. Für die Gegenwart heißt es aber noch für das „Kompetenzzentrum Frau & Beruf Niederrhein“, mit unseren Angeboten die unterschiedlichen Zielgruppen zu erreichen und immer unterstützend am Ball zu bleiben!