Dinslaken. Liane Schmökel aus Dinslaken litt lange unter chronischen Schmerzen, gerade während ihrer Menstruation. Dann kam die Diagnose: Endometriose.
An ihre erste Periode kann sich Liane Schmökel nach all den Jahren immer noch gut erinnern. „Das war ein ganz komischer Tag“, erzählt die Dinslakenerin. „Ich war bei Bekannten von meinen Eltern, als es losging.“ Aufgeklärt war sie, das schon, aber so richtig wusste sie als Zwölfjährige dennoch nicht, was da gerade mit ihrem Körper passierte. Und noch weniger konnte sie ahnen, dass die Menstruation ihr in Zukunft viel, sehr viel Leid bescheren würde. Erst heute, mit 40 Jahren, weiß sie: „Ich habe Endometriose.“
Dabei handelt es sich um eine chronische Krankheit, bei der Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst – zum Beispiel an den Eierstöcken, im Bauch oder am Darm. Viele Betroffene leiden dadurch unter chronischen Schmerzen, gerade während ihrer Regelblutung, oder auch an vielen weiteren Symptomen. Davon hatte Liane Schmökel allerdings noch nie gehört, als sie in ihrer Pubertät immer wieder an starken Zyklusbeschwerden litt.
„Wenn ich meine Tage hatte, ging es mir immer schlecht“, sagt die Dinslakenerin. „Mir war übel, meine Stimmung war gereizt und mit 13 Jahren bin ich dann das erste Mal umgekippt.“ Das war natürlich schlimm, „aber ich dachte, das gehört einfach dazu“. Dass mehr dahinter stecken könnte, kam ihr nicht in den Sinn. Denn tatsächlich, obwohl Endometriose zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen gehört, ist sie vielen noch immer unbekannt.
Das „Chamäleon der Gynäkologie“
Liane Schmökel selbst hörte zum ersten Mal in ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin davon. „Weil ich den Begriff ‘Schokoladenzysten’ so lustig fand.“ Was dahinter steckt, ist allerdings alles anderes als zum Lachen. Denn solche Endometriosen, die sich an den Eierstöcken bilden, sind mit bräunlichem Blut (daher der etwas seltsam klingende Name) gefüllt und können zu chronischen Entzündungen führen.
Neben starken Schmerzen kann das auch eine eingeschränkte Fruchtbarkeit zur Folge haben. Allerdings ist das nicht immer der Fall, überhaupt äußert sich die Krankheit sehr unterschiedlich. „Deshalb nennt man sie auch das ‘Chamäleon der Gynäkologie’“, weiß Liane Schmökel. Bei ihr hat sich der Kinderwunsch beispielsweise erfüllt: Sie hat eine Tochter und einen Sohn. Nach ihrem ersten Kind wurden zunächst sogar ihre Blutungen schwächer, die Beschwerden weniger. Bis vor fünf Jahren.
„Ich konnte plötzlich gar nix mehr machen“, erzählt die 40-Jährige. „Meine Blutungen waren so extrem, wie ich es bis dahin nicht kannte.“ Dazu kamen Übelkeit, Migräne… Nix half, selbst Schmerzmittel nicht. „Ich konnte mich nicht mal aufraffen, irgendetwas zu trinken.“ Das kam ihr alles ziemlich komisch vor, sodass sie kurz darauf zur Frauenärztin ging. „Sie verschrieb mir dann andere Schmerzmittel und die Pille“, sagt sie.
Ständige Bauchkrämpfe – bis zur Operation
Damit kam Liane Schmökel zurecht, irgendwie, doch als sie die Pille wieder absetzte und einige Zeit später ihr zweites Kind bekam… „ging gar nix mehr“, erklärt sie. „Es wurde zunehmend schlechter.“ Bauchkrämpfe hatte sie nun eigentlich immer, während ihrer Menstruation nur noch schlimmer. Und die Frauenärztin? „Wollte mir wieder die Pille verschreiben.“ Erst, als sie zu einer anderen Gynäkologin ging, bekam sie zu hören: Das könnten auch Schokoladenzysten sein…
Und der Begriff hatte sich bei der Krankenpflegerin ja einbrannt, sodass sie schon wusste, was ungefähr auf sie zukommen würde. Der Facharzt im Duisburger Endometriosezentrum bestätigte schließlich die Diagnose, mehr noch, er empfahl auch eine Operation. Die Gebärmutter sollte raus – „damit die Endometrioseherde nicht weiter wachsen“, sagt sie. „Denn je mehr sie sich ausbreiten, desto mehr Schaden richten sie an.“
Die Familienplanung war für Liane Schmökel glücklicherweise schon abgeschlossen, deshalb stimmte sie der OP sofort zu. Ihr einziger Gedanke: „Hauptsache, die Schmerzen hören auf!“ 2022 war es so weit, sie wurde operiert. Und heute? Ein Jahr danach? Geht’s ihr besser, das auf jeden Fall, „es ist ein Riesenplus, dass ich meine Periode nicht mehr habe“, betont sie. Und doch, ganz verschwunden sind ihre Symptome noch immer nicht.
Unwissenheit beim Fachpersonal
„Mein Bauch ist sehr aufgebläht“, sagt die 40-Jährige. Wenn sie abends vor dem Spiegel steht, fühlt sie sich unwohl. Dazu kommen dumpfe Schmerzen, die sich regelmäßig zu starken Krämpfen entwickeln. Denn die Endometrioseherde können erneut wachsen – weil Zellen am Darm belassen wurden, um den Darm zu erhalten. Zwei Mal im Jahr muss sie daher zur Kontrolle. Bis dahin versucht sie durch gesunde Ernährung und verschiedene Entspannungsübungen den Zustand zumindest etwas zu verbessern.
Was aber hilft nun wirklich? „Das muss jede Frau für sich selbst herausfinden“, hält Liane Schmökel fest. Dabei war für sie wichtig, in der Reha mit anderen Betroffenen zu sprechen – beispielsweise über Erfahrungen mit Ärztinnen und Ärzten. Denn das hat sie mit der Zeit oft mitbekommen: „Es gibt immer noch zu viel Unwissenheit beim Fachpersonal.“ Und weil ihr der Austausch so gut getan hat, möchte sie nun – unterstützt von der Selbsthilfe-Kontaktstelle Kreis Wesel – eine Selbsthilfegruppe gründen.
Einmal im Monat sollen die Treffen stattfinden, bei denen die Frauen über ihre Erfahrungen mit Endometriose sprechen können. Aber es geht um noch mehr, betont die Dinslakenerin, „wir wollen auch verschiedene Entspannungstechniken ausprobieren oder kreative Angebote schaffen, um dadurch die Krankheit verarbeiten zu können.“ Denn ja, ihre eigenen Erfahrungen sind belastend, dazu kommt aber noch ein Gedanke: Was, wenn ihre Tochter ebenfalls erkrankt? Das kann sie natürlich nicht verhindern, dafür aber etwas anderes… Sie hat mit ihr schon ein Gespräch darüber geführt, was Endometriose ist – aber auch darüber, was mit ihrem Körper passiert, wenn sie ihre erste Periode bekommt.
>>> Selbsthilfegruppe in Dinslaken
Die Selbsthilfegruppe „Endometriose“ trifft sich am Montag, 16. Oktober, zum ersten Mal im St. Vinzenz Hospital in Dinslaken.
Die Kontaktstelle ist behilflich bei der Gründung einer Selbsthilfegruppe – sie sucht mit nach einem Raum, begleitet die ersten Treffen, nimmt Anfragen auf und vernetzt mit anderen Selbsthilfegruppen.
Weitere Informationen gibt’s bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle: 02841/900016 oder unter selbsthilfe-wesel@paritaet-nrw.org
>>> Fünf Fragen an den Experten
Frauen wie Liane Schmökel kommen täglich zu Dr. med. Georgios Stamatelos, Chefarzt des Endometriose-Zentrums in Dinslaken. Er erklärt, woran sich Endometriose erkennen lässt und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Mit welchen Symptomen kommen die meisten Frauen zu Ihnen?
Die meisten Patientinnen haben eine lange leidvolle Vorgeschichte. Immer wiederkehrende Unterleibsschmerzen, starke schmerzende Periode, Miktions- (Anm. d. Red.: Entleeren der Harnblase) und Stuhlprobleme. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Rückenschmerzen sowie unerfüllter Kinderwunsch.
Wann beginnt normalerweise die Erkrankung?
Üblicherweise zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Aber prinzipiell kann die Erkrankung auch schon bei der ersten Monatsblutung beginnen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Muss immer operiert werden?
Entscheidend ist erstmal die Diagnostik. Da die Endometriose viele Gesichter hat, ist eine ausführliche Anamnese und Diagnostik sehr wichtig. In der Regel erfolgt die Sicherung der Endometriose durch eine Bauchspiegelung und histologischen Untersuchung (Anm. d. Red.: Untersuchung von Gewebeproben). Manchmal kann die Diagnose auch durch Ultraschall, MRT und/oder einer Darmspiegelung erfolgen. Die Art der Therapie hängt vom Beschwerdebild ab. Sie kann konservativ mittels einer Schmerztherapie, hormoneller Behandlung sowie auch komplementär behandelt werden. Sie kann aber eben auch, wie in der Mehrzahl, operativ behandelt werden.
Kann sich eine Ernährungsumstellung ebenfalls positiv auswirken?
Definitiv. Endometriose ist eine ganzkörperliche Erkrankung. Oft finden sich Störungen des Immunsystems, Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit, Abgeschlagenheit vor. Verdauungsprobleme sind häufig. Eine generelle Empfehlung kann es da gar nicht geben. Jedoch bewirkt eine Ernährungsumstellung eine mitunter große Befundverbesserung bei den Patientinnen. Auch Allergien und Unverträglichkeiten können durch eine Endometrioseerkrankung getriggert werden. Zusätzlich helfen Yoga und autogenes Training, den Alltag mit einer chronischen Erkrankung besser zu meistern.
Woran liegt es, dass es oft sehr lang bis zur Diagnose dauert?
Endometriose ist ein Chamäleon der Medizin. Viele Symptome können auf verschiedene Erkrankungen hindeuten. Je nachdem, bei welcher Fachrichtung man zuerst vorstellig wird, kann es passieren, dass die Diagnostik und Behandlung variiert. Aufgrund der unterschiedlichen Symptom- und Beschwerdebilder werden Fehldiagnosen, wie zum Beispiel Entzündungen der Eierstöcke, psychogene Beschwerden oder Prämenstruelles Syndrom (PMS), häufiger gestellt als die richtige Diagnose. Außerdem gibt es noch zu wenige Experten in diesem Bereich.