Düsseldorf. Die Düsseldorfer Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Wilfart über inkludierte Sprache, über Männerquoten und über das Queere Zentrum. Mit Video.

Elisabeth Wilfart läuft über den Weihnachtsmarkt am Rathaus. Sie hat allerdings nur Zeit für eine kurze Visite zwischen Glühweinstand und Puppenhäuschen. Denn gleich beginnt der Gleichstellungsausschuss. Wir sprachen mit der Düsseldorfer Gleichstellungsbeauftragten über das Gendern, über Frauen- und Männerquoten und über das Queere Zentrum.

Frau Wilfart, in einer halben Stunde beginnt der Gleichstellungsausschuss. Ich habe mal gezählt: Im Ausschuss gibt es 20 Frauen und sechs Männer. Ist das Gleichberechtigung?

Nein. Ich bin für Parität in den Parlamenten. Es fängt an mit unserem Stadtrat, es geht weiter mit dem Landtag und dem Bundestag. Denn die Parlamente sind nicht repräsentativ für die Bevölkerung, auch nicht für die Landeshauptstadt Düsseldorf. Und natürlich würde ich mich auch sehr freuen, wenn noch mehr sachkundige Bürger und männliche Ratsmitglieder sich für das Thema Gleichstellung einsetzen würden.

Liegt das am fehlenden Interesse der Männer am Thema Gleichberechtigung?

Das weiß ich nicht. Das müssten Sie die Männer fragen.

Sie haben mich im Vorfeld darum gebeten, keine unnötigen Fragen übers Gendern zu stellen. Warum?

In das Thema gendergerechte Sprache wird unheimlich viel Emotion gesetzt. Ich persönlich habe den Anspruch, dass ich alle Menschen ansprechen möchte: männliche, weibliche und solche, die sich weder als das eine noch als das andere identifizieren. Und deshalb finde ich Gendern richtig. Das muss aber auch jeder für sich selbst entscheiden. Ich finde nur, wenn man Vertreterin einer Stadt ist, sollte man auch alle Menschen ansprechen, die in dieser Stadt leben.

Genau, Sie befinden sich in einer exponierten Stellung. Es kommt ja oft der Vorwurf, dass die Genderthematik von einer elitären Minderheit ins Leben gerufen worden ist, sozusagen dogmatisch von oben drauf gestülpt wurde. Und der Rest der Bevölkerung fühlt sich bevormundet und reagiert pubertär-bockig.

Ja, das wird immer so dargestellt. Aber es wird ja nichts vorgeschrieben oder verboten. Ich sage noch einmal: Das Thema wird zu sehr emotionalisiert. Es ist tatsächlich so, dass das Landesgleichstellungsgesetz vorgibt, dass wir Männer und Frauen benennen sollen. Und alles darüber hinaus, etwa die Geschlechts-inkludierende Sprache, ist frei wählbar.

Das ist Elisabeth Wilfart

Seit 2012 ist Elisabeth Wilfart die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Düsseldorf. Am 1.11. 2023 ging sie in ihr elftes Jahr. Zuvor war sie unter anderem bei der Schwangerschaftskonfliktberatung in Niederbayern tätig, danach Fachreferentin für offene Jugendarbeit in Bottrop, Leiterin einer Beratungsstelle für Prostituierte in Dortmund und Gleichstellungsbeauftragte in Lüdenscheid.

Geboren ist sie am 1. Januar 1963 in Mittelfranken, zwei Kinder, lebt in Dortmund.

Das Gendern mal außen vor gelassen: Wo stehen wir denn in Sachen Gleichberechtigung Ende des Jahres 2023?

Na ja, im Vergleich zu den siebziger Jahren sind wir natürlich schon weiter. Aber es ist halt immer noch so, dass die Rollenstereotypen wirken und auch bedient werden. Und so lange ändern sich auch die Strukturen nicht. Es ist immer noch so, dass Frauen häusliche Gewalt erleben. Es gibt immer noch ungleiche Bezahlung, dann sind da Themen wie Hausarbeit und Familienarbeit, und und und. Schauen Sie sich doch mal den Sportteil in Ihrer Zeitung an, wie viel da über Sportlerinnen geschrieben wird. Oder das Thema Medizin: Es gibt immer den Mann als Prototypen - nie eine Frau. Oder Autotests, wo gecheckt wird, wann Sicherheitsgurte nachlassen. Da sitzt dann immer ein männliches Dummy am Lenkrad.

Was macht 2023 eine moderne Frau aus?

Eine moderne Frau hat zum Beispiel einen Partner oder eine Partnerin, mit dem oder der sie sich die berufliche wie die familiäre Arbeit teilen - und zwar gleichwertig. Oder sie lebt alleine und ist so glücklich.

Arbeiten Sie eigentlich lieber mit Frauen oder mit Männern zusammen?

Das kann ich so pauschal nicht sagen. Ich arbeite mit Menschen zusammen, mit denen ich auf einer Linie bin und mit denen ich verändern kann.

Über das Thema Gendern wird zu emotional diskutiert, findet Elisabeth Wilfart.
Über das Thema Gendern wird zu emotional diskutiert, findet Elisabeth Wilfart. © NRZ

Sie haben in Ihren Job, der ja in die Gesellschaft wie in die Politik hineinspielt, mit vielen Männern zu tun. Wie gehen die auf Sie zu? Eher vorsichtig-verhalten oder doch auch angriffslustig und provozierend?

Meine Erfahrung ist, dass gut mit mir umgegangen wird. Ich glaube, weil ich den Leuten nicht irgendwelche Verbote diktiere, sondern versuche, sie zu überzeugen - wie etwa beim Thema Sprache. Ich habe auch damals bei den Düsseldorfer Jonges schon versucht zu überzeugen. Ich wollte klarmachen, dass es keinem modernen Verein entspricht, der sich der größte Heimatverein Europas nennt, dass dort per se die Frauen außen vor gelassen werden. Bei gewissen Dingen wird man auch übel beschimpft, da sind natürlich zuerst die sozialen Medien zu nennen. Wenn ich in Interviews das erzähle, was ich Ihnen eben erzählt habe, dann ist der Shitstorm garantiert.

Leider der übliche Reflex.

Ja. Manche machen sich noch sehr viel Mühe und behaupten etwa, inkludierende Sprache hätte Goethe auch nicht gewollt. Da frage ich mich, woher die wissen, was Goethe gewollt hätte?

Ich kann mir vorstellen, dass so etwas Spuren hinterlässt. Sie sind jetzt auch schon seit 2012 Gleichstellungsbeauftragte in Düsseldorf. Haben Sie vor diesem Hintergrund der ständigen Angriffe manchmal keine Lust mehr auf Ihren Job?

Na ja, es gibt immer Höhen und Tiefen, wie in jedem anderen Beruf auch. Durchhänger hat jede und jeder. Aber grundsätzlich finde ich es richtig und spannend, sich für das Thema Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Und wenn ich zurückblicke, glaube ich, dass ich den einen oder anderen in elf Jahren auch sensibilisieren konnte. Und Düsseldorf ist eine gute Stadt dafür, hier gibt sehr viele Kooperationspartner:innen. Es ist eine Mischung aus Verwaltung und Politik, aber auch ein Arbeiten in die Stadtgesellschaft hinein. Und da ist Düsseldorf einfach sprudelig und spannend. Außerdem hat sich bei uns viel getan. Wir sind vom Gleichstellungsbüro zum Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung geworden. Dort haben wir einen intersektionalen Ansatz, das heißt, wir schauen, was den einzelnen Mitarbeitenden ausmacht, Geschlecht ist dabei eine von mehreren Dimensionen. So haben wir dort beispielsweise nun eine Kollegin, die sich im Speziellen mit dem Thema Gewalt gegen Frauen auseinandersetzt. Wir haben dort aber auch einen Kollegen, der für die Männer- und Jungenperspektive zuständig ist. Das ist ein innovativer Ansatz, und meiner Meinung nach geht Düsseldorf da den richtigen Weg.

Thema Queeres Zentrum. Sie sagten unlängst, dieses Zentrum sei das richtige Signal an die Stadtgesellschaft und zudem ein Safe Space. Besser wäre es doch, wenn solch ein Zentrum gar nicht nötig wäre, oder?

Da bin ich ganz bei Ihnen. Aber es wäre ja auch besser, keine Gleichstellungsbeauftragte nötig zu haben.

Thema Redezeit im Rat: Vor einigen Jahren ließen Sie die Sprechanteile von Männern und Frauen im Stadtrat messen. Mit dem Ergebnis, dass die Männer viel häufiger und länger am Pult standen. Hat sich da was getan im Sinne der Gleichberechtigung?

Es hat sich einiges zum positiven verändert, aber auch hier sind wir noch längst nicht da, wo wir hinsollten. Schauen wir auf die Leitung der 16 Ratsausschüsse in Düsseldorf: von den 16 werden nur 3 von Frauen geleitet. Andererseits gab es, als ich angefangen hatte, nur die Helga Stulgies als Dezernentin. Jetzt haben wir deutlich mehr Frauen in diesem Bereich, da sind wir nun paritätisch. Das gleiche gilt für die Amts- und Institutsleitungen. Als ich angefangen habe, war das noch ein deutlicher Unterschied. Und ich erlebe unseren OB Stephan Keller als jemanden, der das unterstützt.

Wir sind hier gerade auf dem Weihnachtsmarkt, und es ist nicht mehr weit bis zum Fest. Was wünschen Sie der Stadt Düsseldorf zu Weihnachten?

Tatsächlich ein friedliches Miteinander, da all das, was im Moment in der Welt geschieht, schon sehr beängstigend ist. Und dazu Vielfalt und Queerness und vor allem Offenheit, denn darin liegt die Kraft.

Und wie gendern wir jetzt den Weihnachtsmann?

Dazu gibt es eine Geschichte: Einer meiner ersten Ausschüsse war gleich am Nikolaustag. Und statt einen Weihnachtmann hatten wir eine Weihnachtsfrau aus Schokolade, „Nicola“, als kleines Präsent für die Ausschussteilnehmenden. Nicola ist bis heute noch bei einigen Teilnehmenden berühmt!