Dinslaken. Für viele ist Regieassistenz nur ein Zwischenstopp, nicht aber für Julia Kempf. Ihr Job bei der Burghofbühne in Dinslaken ist abwechslungsreich.

Regieassistenz ist für die meisten Theaterleute nur eine Durchgangsstation gleich nach dem Studium, ein Sprungbrett, um irgendwann selbst Regie zu führen. Nicht so für Julia Kempf. Die 31-Jährige macht den Job bereits seit 2014 und sie brennt immer noch für ihre Arbeit. Weil sie so abwechslungsreich ist und ihr ordentlich action bietet.

Beobachtet man die blonde junge Frau, wenn sie in der ersten Reihe des kleinen Zuschauerraums der Probebühne in der ehemaligen Remise des Tenterhofes sitzt, wirkt sie allerdings sehr ruhig. Und vor allem konzentriert. Ein Gastregisseur probt auf der Bühne mit dem Ensemble. Schillers „Räuber“.

Das Manuskript immer im Blick

Julia Kempf hat das Manuskript des Stückes vor sich und notiert am Rand mit Bleistift alles, was der Regisseur zu den jeweiligen Szenen sagt: „Damit die Schauspielerinnen und Schauspieler auch bei der nächsten Probe noch wissen, ob sie an einer bestimmten Stelle im Stück von der linken oder von der rechten Seite auf die Bühne kommen sollen“, erklärt sie. Ist die Probe beendet, überträgt sie ihre Notizen in das Manuskript und lässt dem Ensemble die geänderte Version zukommen.

Schon während ihrer Schulzeit im bayerischen Dinkelsbühl hat sie regelmäßig am dortigen Landestheater hospitiert, und sie hatte auch die Zusage, nach dem Abi dort als Regieassistentin anfangen zu können. Doch zunächst lernte sie was „Solides“: Sie machte eine Ausbildung als Kauffrau für Tourismus und Freizeit. Es gefiel ihr am Dinkelsbühler Landestheater, „doch da war man auf Komödie und Boulevard spezialisiert, ich wollte aber gern auch mal andere Stoffe machen, ich wollte kreativer arbeiten“, erinnert sie sich. Und so bewarb sie sich um die Regieassistenzstelle in Dinslaken, als der damals noch designierte Intendant Mirko Schombert im Sommer 2014 sein Team zusammenstellte.

Von Bayern nach NRW

Außerdem zog es sie nach Nordrhein-Westfalen. Sie hatte regelmäßig mit einer Tante ihre Ferien in Köln verbracht und es hatte ihr dort sehr gefallen. Bei Schombert beworben hatte sie sich, als der noch seine letzten Arbeitswochen am Staatstheater Mainz absolvierte. Als sie aus dem malerischen Dinkelsbühl dann zum ersten Mal nach Dinslaken kam, dachte sie „ach du liebe Zeit, wo bin ich denn hier gelandet?“. Doch dann hat sie mit den anderen neuen Kolleginnen und Kollegen gemeinsam die Stadt erkundet und nun fühlt sie sich hier längst fast wohler als in Bayern. Man hört es auch gar nicht mehr, wo sie herkommt. Sie klingt inzwischen beinahe niederrheinisch.

Als Regieassistentin betreut sie die Stücke des Abendprogramms und das jährliche Weihnachtsmärchen. Sie ist das Bindeglied zwischen Regie und den übrigen Gewerken. Wenn im Bühnenbild ein Nagel fehlt oder etwas geändert werden muss, bespricht sie das mit der hauseigenen Werkstatt. Und wenn an einem Kostüm etwas noch nicht perfekt ist, schaltet sie die Kostümbildnerin ein. Und sie souffliert bei Stücken mit viel schwierigem Text. Bei Goethes „Faust“ zum Beispiel war das zuletzt nötig.

In letzter Sekunde

Die Truppe spielt zwar ihre Premieren zuhause, doch meist ist sie unterwegs. Und dann ist Julia Kempf laut Stellenbeschreibung nicht nur die Chauffeurin des Team-Busses, sie führt auch die Abendregie. Und das ist gelegentlich mit Stress verbunden. Wenn etwa der USB-Stick mit den für die abendliche Aufführung von Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ notwendigen Tönen und Geräuschen vergessen wurde und niemand sie überspielen kann. „Gott sei Dank traf uns das an einem Theater, das über einen eigenen Geräusche-Fundus auf dem PC verfügte. Wir haben es dann mit vereinten Kräften geschafft, daraus etwas zusammenzustellen, das doch noch die vom Regisseur vorgesehene Atmosphäre schuf,“ erzählt sie. Schlimm war auch, als der Truck mit der Technik an Bord in einer Vollsperrung stand und drohte, nicht mehr rechtzeitig zu kommen. Es hat dann aber doch noch geklappt.

Von Ton bis Requisiten

An einem Spielort angekommen, spricht sie erst einmal mit den Veranstaltern und dann checkt sie die Lage. Ob etwa die Schauspielerinnen und Schauspieler von allen Seiten auftreten können. Denn oft treffen sie auf Bühnen, die normalerweise andere Funktionen erfüllen, als Turnhallen zum Beispiel. Ist das Bühnenbild zu groß, muss sie sich ebenfalls etwas einfallen lassen.

Es folgt der Ton-Check. Dafür setzt sie sich in die letzte Reihe des Auditoriums und vergewissert sich, dass man das Ensemble auch dort noch gut hört. Entsprechend müssen die Mimen ihre Sprechlautstärke anpassen. Sie legt auch der Truppe die Requisiten zurecht: Wenn sich ein Schauspieler eine Tasche umhängen muss, legt sie sie genau dorthin, wo er sie braucht.

Mit Tränen in den Augen

In den letzten zwanzig Minuten vor Beginn sagt sie alle fünf Minuten die Uhrzeit an, damit sich das Ensemble auf das Schminken und Ankleiden konzentrieren kann und nicht ständig auf die Uhr schauen muss. Und wenn es dann losgeht, setzt sie sich ins Publikum. Mit einem Notizblock, um alles festzuhalten, was nicht geklappt hat oder verbesserungswürdig ist. Für die Nachbesprechung.

Julia Kempf hat zwar eine Festanstellung, doch immer nur für ein Jahr, wie es am Theater allgemein üblich ist. Da sie sich so wohlfühlt in Dinslaken und an der Entwicklung der Inszenierungen mitwirken kann, hat sie ihren Vertrag immer wieder erneuert. Wie gern sie ihren Job macht, ist ihr ganz besonders aufgefallen, als bei der ersten Aufführung nach der Corona-Zwangspause beim Weihnachtsmärchen „Peterchens Mondfahrt“ 500 Kinder begeistert klatschten und eine Zugabe wollten: „Da standen mir die Tränen in den Augen und ich habe gedacht, dass wir doch gebraucht werden.“

>>> Hinter den Kulissen

Die vier NRW-Landestheater aus Castrop-Rauxel, Detmold, Dinslaken und Neuss spielen in ihren Heimatstädten und sie gehen auf Tournee. Regelmäßig sorgen sie in Stadthallen, Schulen und Bühnenhäusern am Niederrhein dafür, dass auch in der Provinz gutes Theater geboten wird.

Wir stellen in einer Serie „unser“ niederrheinische Landestheater vor – die Burghofbühne Dinslaken. Wer macht da eigentlich „Theater“? Wir schauen hinter die Kulissen des kleinsten NRW-Landestheaters, das auf dem ehemaligen Gestüt Tenterhof zuhause ist.