An Rhein und Ruhr. Viele Menschen wollen zurzeit ihre Haustiere loswerden, wie Tierheime an Rhein und Ruhr berichten. Die Heime sind überlastet, die Tiere leiden.
Kater Cornflake schaut durch die schmalen Gitterstäbe seiner Box, die Augenlider halb geöffnet. Sein Kopf fällt langsam auf sein rechtes Vorderbein, kein Schnurren, kein „Miau“. Wenn der rote Kater seine Pfoten ausstreckt, stößt er gegen die hintere Wand und seinen Futternapf. Sein Käfig auf der Pflegestation des Duisburger Tierheims ist eng. Zu eng, um dort ein halbes Jahr zu verbringen. Doch raus kann er auch nicht, denn draußen ist kein Platz.
Seit vergangenem Dezember, als Cornflake in Duisburg gefunden wurde und zum Tierheim kam, hat der Kater keine Pfote mehr vor seine Quarantäne-Box gesetzt. Er kam mit einem Nickhautvorfall ins Heim, wurde zweimal operiert, dann hat das Team noch einen Herzfehler festgestellt. „Cornflake ist toll“, sagt Tierheimleiter Lutz Kaczmarsch, aber mit der schlechten Gesundheit sei das Tier schwer zu vermitteln. „Der wird nächsten Dezember bestimmt immer noch hier liegen.“
Tierheime sind überlastet: Warum viele ihre Haustiere abgeben
Cornflakes Schicksal macht Kaczmarsch und seine Kollegen traurig, doch es ist kein Einzelfall. Das Duisburger Tierheim platzt aus allen Nähten, vor allem bei den Katzen. Es sei für 130 Katzen ausgelegt, beheimate nun aber schon 155.
Weil alle Katzenhäuser voll seien, müssten viele Tiere im Duisburger Tierheim nun über Monate in Käfigen leben, in denen sie normalerweise nur für kurze Zeit zur Quarantäne bleiben würden. „Das kann natürlich nicht sein, aber was sollen wir machen? Wir haben den Zenit überschritten“, meint Kaczmarsch.
Vielen Einrichtungen in NRW geht es so wie dem Tierheim Duisburg. „Der Trend ist deutlich: Die Heime sind voll“, sagt Ralf Unna, Vizepräsident des Landestierschutzverbands (LTV) NRW, gegenüber der NRZ. Schuld daran ist auch ein trauriger Gegensatz: Viele Halter nehmen ihren Hund oder ihre Katze mit auf Reisen oder bringen die Tiere in einer Luxus-Tierpension unter, andere setzen sie einfach vor die Tür.
Rund um lange Schulferien würden schon seit Jahren viele Tiere ausgesetzt oder ins Heim gebracht, erklärt Unna: „Das passiert, wenn Halter merken, dass sie ihren Hund oder ihre Katze nicht mit in den Urlaub nehmen können, und wenn ihnen die Tierpension zu teuer ist.“
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Zusätzlich verschärften in diesem Jahr zwei weitere Ursachen die Lage in den Heimen. Erstens hätten sich viele in der Pandemie Haustiere angeschafft, während sie zu Hause waren. „Wenn sie jetzt wieder ins Büro müssen und das Tier nicht mehr mit ihrem Alltag vereinbaren können, geben sie es ab“, sagt der Tiermediziner. Zweitens könnten sich viele Halter ihre Haustiere nicht mehr leisten, weil sie durch die Inflation an ihre Grenzen stoßen. Zudem wurden im November 2022 die Gebühren für Tierärzte erhöht.
Viele Tiere müssen behandelt werden – Personal fehlt
Kurz nach der Erhöhung der Tierarztkosten kam auch Kater Cornflake ins Duisburger Tierheim. „Seine Operationen hätten bei einem Tierarzt mehrere hundert Euro gekostet. Es kann gut sein, dass sich der Besitzer das nicht leisten konnte“, meint Heimleiter Lutz Kaczmarsch.
Immer häufiger würden Tiere ausgesetzt oder abgegeben, die behandelt werden müssen. Auch das wird für das Tierheim zum Problem, denn nur gelernte Pfleger können die Tiere behandeln und sie mit den richtigen Medikamenten versorgen. Und von diesen Fachkräften hat das Duisburger Tierheim nur drei Vollzeit-Angestellte.
Tierheime Moers und Wesel reagieren auf Überlastung
Um nicht mehr Tiere aufzunehmen, als die Kapazitäten des Heims und Personals hergeben, hat sich das Tierheim Moers für einen drastischen Schritt entschieden: Wer Katzen, Hunde oder Kleintiere abgeben will, kommt auf eine Warteliste. „Wir würden nie ein Tier aufnehmen, für das kein Platz ist“, erklärt Heimleiterin Nicola Kreuzmann der NRZ. Und Platz gebe es vor allem für Hunde kaum.
Menschen, die Hunde wegen eines Beißvorfalls im Heim abgeben möchten, würden meist mehrere Monate warten. „Uns rufen sogar Halter aus anderen Bundesländern an“, sagt Kreuzmann. Viele Anfragen würden ganz abgelehnt.
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Auch im Tierheim Wesel ist kaum noch Platz für Neuankömmlinge, vor allem für Katzen und Kleintiere wie Kaninchen. Etwa fünf ausgesetzte Tiere nehme das Heim pro Woche auf, sagt Leiterin Daniela Möllmann. „Aber für diejenigen, die ihr Tier abgeben wollen, ist alles blockiert.“
In den Ferien sei es besonders schwierig, Tiere zu vermitteln, meint Möllmann. Bevor aber nicht erst Tiere einen neuen Besitzer gefunden hätten, könne das Heim in Wesel keine neuen aufnehmen, zumal es einige trächtige Katzen gebe, die mit ihren Jungtieren das Platzproblem verschlimmern.
Tierschutzverband fordert härtere Konsequenzen für Straftäter
Dem Landestierschutzverband NRW zufolge brauchen Tierheime mehr Geld, um der Lage Herr zu werden, denn auch dort hätten sich Personal- und Energiekosten deutlich erhöht. „Als die Landesregierung Anfang des Jahres das Hilfspaket beschlossen hat, hat es den Hilferuf der Tierheime verstanden“, meint Vizepräsident Ralf Unna. Jetzt bräuchten die Heime einen landesweit einheitlichen Tagessatz, mit dem sie die Kosten für die Tierversorgung erstattet bekommen.
Außerdem plädiert Unna dafür, eine Staatsanwaltschaft in NRW einzurichten, die sich gezielt mit Tierschutzvergehen beschäftigt. Dadurch sollen Menschen, die Tiere aussetzen und quälen, öfter bestraft werden. Er erklärt: „Zu oft werden Vergehen gegen den Tierschutz nicht vor Gericht gebracht oder bestraft.“
>> WAS MENSCHEN DROHT, DIE TIERE AUSSETZEN
- Welche Pflichten Tierhalter befolgen müssen, ist im Tierschutzgesetz festgelegt. Das Aussetzen von Tieren ist eine Ordnungswidrigkeit und wird mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro bestraft.
- Wer Tiere ohne Grund tötet oder ihnen länger andauernde Schmerzen zufügt, macht sich strafbar. Tierquälerei wird mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe geahndet.
- Halter von ausgesetzten Tieren ausfindig zu machen, ist für die Polizei oft sehr schwierig. Der Tierschutzbund fordert daher eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hunde und Katzen. Sprecherin Lea Schmitz sagte der DPA: „Es macht durchaus Sinn, als Finder Anzeige zu erstatten.“