Kamp-Lintfort. Am Niederrhein hat es sich ein Verein zum Ziel gesetzt, die Welt zu verbessern. Wieso Weltläden aktueller denn je sind, verrät Reinhard Schmeer.
Im Weltladen ist es voll, trubelig, laut. Ein Junge schlägt kurz gegen die Klangschale, ein langgezogenes „ommm“ ertönt, während zwei Mädchen neugierig die kleinen Vögel aus Filz inspizieren, die neben einem hölzernen Häuschen liegen. „Wie teuer sind die?“ Der Blick aufs Preisschild verrät es: „3,50 Euro.“ Jetzt fehlt nur noch eine Info. Ach ja, hier steht’s: „Das Herkunftsland ist Nepal.“ Sehr gut, damit haben sie den Fragebogen fast fertig ausgefüllt. In der Projektwoche des siebten Jahrgangs der Unesco-Schule dreht sich gerade alles ums „globale Lernen“ und das klappt außerhalb der Schule manchmal einfach am besten, so wie hier, im Weltladen, in dem es so viel zu entdecken gibt… Kaffee aus Guatemala, Sonnenlichter aus Südafrika oder eben Filzvögel aus Nepal. Aber was genau, das müssen die Schülerinnen und Schüler noch herausfinden, haben all die Dinge denn nun mit dem „ökologischen Fußabdruck“ zu tun? Die Antwort darauf kann Reinhard Schmeer geben, immerhin hat er – mit einigen anderen – vor über 40 Jahren den Grundstein zum Weltladen, Verein und Netzwerk „Fair Rhein“ gelegt.
Okay, dass heute so viel „Leben inne Bude“ ist, hätte der 76-Jährige auch nicht gedacht, muss er zugeben. Aber macht ja nix, ganz im Gegenteil, er freut sich doch, wenn sich die Jugendlichen mit dem Thema beschäftigen. Denn schon damals, als er Ende der 1970er Jahre Vikar in Kamp-Lintfort war, nahm der neu gegründete „Arbeitskreis Dritte Welt“ besonders die Jugendarbeit in den Fokus. „Im Mittelpunkt stand die entwicklungspolitische Bildung“, erklärt er, „und der Verkauf war eher das Beiwerk.“ 1980 gründete sich daraus der Verein, der später die „Dritte Welt“ durch die „Eine Welt“ ersetzte. Denn, das ist dem Vorsitzenden wichtig zu betonen, „wir sind nur eine Welt.“ Und zwar eine, „in der noch immer postkoloniale Strukturen herrschen.“ Wenn eine Tafel Schokolade im Supermarkt einen Euro kostet, bekommt der Kakaobauer dafür nur wenige Cent. „Die Weltwirtschaft ist ungerecht“, hält er fest. Das war vor 40 Jahren schon so und ist in manchen Bereichen sogar noch schlimmer geworden.
Fairtrade am Niederrhein
Finanzkrise, Pandemie, Klimawandel… „Wer unter all dem besonders leidet, ist der globale Süden“, sagt Reinhard Schmeer. Um das endlich zu ändern, oder um zumindest einen Beitrag dazu zu leisten, engagiert er sich seit Beginn im Verein. Er kann sich noch erinnern, wie er Anfang der 1980er Jahre die Kisten voller Kaffee und Schokolade aus Kamp-Lintfort zu seiner ersten Stelle als junger Pfarrer nach Moers-Asberg brachte… „Die Kirche ist Großverbraucher“, betont er. Und seit einem Beschluss darf die Kirche nur fair gehandelte Produkte nutzen. Also verwandelte er eine leere Garderobe in einen kleinen Weltladen, organisierte aber auch Fortbildungen und Projekte. Wobei, das muss er lachend zugeben: „Am Anfang haben wir vor allem uns selbst fortgebildet.“ Doch mit der Zeit hat sich der Verein immer weiter geöffnet, ist immer größer geworden. Mittlerweile versorgt er rund 100 Läden und Gruppen vom Niederrhein mit fair gehandelten Produkten, die er über Organisationen wie Gepa, El Puente und Weltpartner bezieht.
Das aber sind nur die großen Namen, daneben gibt’s auch kleinere und spezialisiertere wie „Mama Afrika“. Denn klar, das Angebot muss aktuell und attraktiv bleiben. Damit das auch wirklich klappt, bietet der Verein „Fair-Handels-Beratung“ für Weltläden und Gruppen an. Kleidung beispielsweise ist dabei ein großes Thema. „Mit Kaffee allein kann man nicht so viel bewegen“, weiß Reinhard Schmeer. „Das Geld sitzt vor allem in Textilien.“ Aber auch in Taschen oder… „Fußbällen“, wirft er ein. In viel zu vielen, auch in denen der Profis, steckt Kinderarbeit. Nicht so in denen, die im Weltladen ausliegen. „Die müsste es auch regional in den Vereinen geben.“ Aber einiges hat sich doch auch schon getan, oder? Der 76-Jährige nickt. „80 bis 90 Prozent kennen zumindest das Fairtrade-Siegel“, sagt er. Nicht zuletzt durch die wachsende Präsenz in Supermärkten oder auch aufgrund von so erfolgreichen Projekten wie dem Weltgarten bei der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort oder dem neuen Weltladen in der Innenstadt von Moers. „Aber der Weg vom Kopf bis zum Portemonnaie ist noch weit.“
Infos im Weltladen Kamp-Lintfort
Bis also sein Ziel – „Weltläden müssen normal werden“ – erreicht ist, wird es noch etwas dauern. Umso wichtiger ist die Aufklärung der Schülerinnen und Schüler, von denen einer gerade auf Reinhard Schmeer zusteuert. „Was sind denn die zehn Grundsätze des fairen Handels?“, fragt er und deutet auf seinen Fragebogen. Dazu am besten einmal in den hinteren Bereich des immer noch ziemlich vollen Weltladens gehen, dort gibt’s die Infos gratis – übrigens nicht nur für Jugendliche…
>>> Fairer Handel am Niederrhein
Der „Verein zur Förderung des fairen Handel(n)s am Niederrhein e.V.“ ist Träger des Netzwerks „Fair Rhein“, der „Fair-Handels-Beratung“ und des Vertriebszentrums. Er wurde offiziell 1982 mit dem Ziel gegründet, entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu fördern. Dazu gehören Bildungsangebote und die Förderung des Fairen Handels in der Region. Weitere Infos: www.fair-rhein.de
Der Weltladen in Kamp-Lintfort, Schulstraße 141, ist montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Seit 2021 gibt’s in Moers einen neuen Weltladen, Kirchstraße 5, der montags bis freitags von 10.30 bis 18.30 Uhr sowie samstags von 10.30 bis 16 Uhr geöffnet ist. Weitere Infos: www.weltladenMoers.de