Den Haag/Berlin. Sollte Deutschland die Niederlande in der Stickstoffkrise mehr unterstützen? So blickt das Landwirtschaftsministerium in Berlin aufs Nachbarland.

In den Niederlanden kochen die Emotionen in der Stickstoffkrise weiter hoch. Trotz Gesprächen mit der Politik haben Landwirtinnen und Landwirte im Nachbarland zuletzt weiter gegen geplante Einschränkungen protestiert. Am Freitag wurde dann noch bekannt: Die niederländischen Naturgebiete sind laut einer internationalen Studie noch stickstoffempfindlicher als bislang gedacht. Neue Umweltauflagen dürften deshalb wohl noch strenger ausfallen.

Viele niederländische Landwirte fürchten schon jetzt, ihre Höfe verkaufen zu müssen – und demonstrierten in den letzten Monaten teils mit Gewalt gegen die Stickstoff-Pläne der Regierung. Erst vergangene Woche sprach Natur- und Stickstoffministerin Christianne van der Wal mit niederländischen Bauern im Grenzraum. Vor Ort sagte sie, dass auch Deutschland seine Stickstoffmenge reduzieren müsse.

Der Hintergrund: Die Landwirtinnen und Landwirte in NRW, teils nur wenige Kilometer von den niederländischen Kolleginnen und Kollegen entfernt, müssen aktuell nicht dieselben strengen Auflagen wie im Nachbarland einhalten. „Das ist für die niederländischen Landwirte superfrustrierend“, so ein Sprecher von Christianne van der Wal auf Anfrage. Auch, weil sich der Stickstoff aus der deutschen Landwirtschaft auf der niederländischen Seite der Grenze niederschlage.

Den Haag und Berlin in Kontakt über Stickstoffkrise

In den Niederlanden wünscht man sich deshalb eine engere Zusammenarbeit. Erste Gespräche mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke habe es bereits gegeben. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin bestätigt auf Anfrage dieser Redaktion: „Es besteht schon lange ein regelmäßiger Austausch zu Stickstofffragen zwischen den Ländern NRW, Niedersachsen und den Niederlanden. Dies betrifft die Gülletransporte, aber auch andere Fragen zum Stickstoffanfall.“

Auch das NRW-Landwirtschaftsministerium verwies auf Anfrage auf die bestehende Zusammenarbeit mit den niederländischen Grenzprovinzen Gelderland, Limburg, Nordbrabant und Overijssel. Beide Ministerien lassen allerdings offen, wie die deutsche Seite zu den geplanten politischen Maßnahmen im Nachbarland steht. „Die Niederlande haben ein ambitioniertes Stickstoffprogramm aufgesetzt und nehmen viel Geld in die Hand, insbesondere, um die Tierzahlen zu reduzieren“, so eine Ministeriumssprecherin aus Berlin. „Es steht dem BMEL nicht zu, diesen Weg zu bewerten.“

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Gleichzeitig teilt das Ministerium zur Aussage der niederländischen Ministerin aber mit: „Es macht keinen Sinn, mit dem Finger auf den anderen zu zeigen. Dass wir die Stickstoffreduktion europaweit angehen müssen, ist spätestens seit den 1980er Jahren bekannt. Denn reaktive Stickstoffverbindungen werden über den Luftpfad weiträumig verfrachtet.“

In den Niederlanden gebe es ebenso wie in den Veredelungsregionen im Nordwesten Deutschlands eine sehr hohe Konzentration von Tieren. Hinzu komme eine hohe Verkehrsdichte in einer dicht besiedelten Region. Alles Faktoren, die das Entstehen von reaktiven Stickstoffverbindungen begünstigten.

„Wir haben also ähnliche Anstrengungen vor uns“, resümiert die Ministeriumssprecherin. Deutschland müsse bis 2030 seine Ammoniakemissionen um 29 Prozent reduzieren, die Niederlande „aufgrund ihrer geografischen Lage und naturräumlichen Gegebenheiten“ um 21 Prozent. Dass die Niederlande die Auflagen allerdings auf einer wesentlich kleineren Fläche umsetzen müssen, darauf geht das Ministerium nicht ein.

Offen bleibt auch, ob es in naher Zukunft so strenge Auflagen für die Landwirtschaft wie in den Niederlanden geben wird. „Die mit dem Umbau der Tierhaltung zu erwartende Reduzierung der Tierbestände wird ihren Anteil zu der Reduzierung beitragen. Das nationale Luftreinhalteprogramm wird derzeit überarbeitet“, heißt es aus dem Bundesministerium. „Sobald der Bundesregierung aktuelle Berechnungen zur Emissionssituation und eine Entwicklungsprognose vorliegen, werden wir sehen, ob und welche weiteren Minderungsmaßnahmen erforderlich sind.“ Klar sei, dass dafür die volle Unterstützung der Bundesländer nötig sei.