An Rhein und Ruhr. Viele Städte in NRW haben sich vor Jahren dem Klimaschutz verpflichtet. War es nur eine Symbolpolitik oder effektives Mittel?

2019 kam etwas in Bewegung: Überall im Land gingen junge Menschen auf die Straße, schwänzten die Schule, um lautstark und medienwirksam auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Und es war das Jahr, in dem auch an Rhein und Ruhr Städte und Gemeinden darüber diskutierten, für ihre Kommune den Klimanotstand auszurufen. Bloße Symbolpolitik oder eine Entscheidung mit nachhaltigen Auswirkungen?

2019 waren sich die Düsseldorfer Kommunalpolitiker darüber auch nicht einig, nur mit knapper Mehrheit sprach sich der Rat für das Ausrufen des Klimanotstands aus. Und auch in der Stadt Kleve – aber nicht im Kreis – plädierten die Politiker dafür. Und in Münster, Köln, Neukirchen-Vluyn, in Bochum, Aachen und rund 60 weiteren Städten...

Mehr Geld für Klimaschutz

Heute ist die Stadt Düsseldorf froh über die Entscheidung von damals. Zwar habe man durchaus auch vorher schon Klimaschutz betrieben, meint Thomas Loosen, Leiter des Amtes für Umwelt- und Verbraucherschutz, im Gespräch mit der NRZ. Doch der entscheidende Unterschied ist: Seit dem Klimanotstandsbeschluss wird mehr Geld in den Klimaschutz investiert. Viel mehr Geld. 60 Millionen jährlich. Es fließt etwa in die Förderung von Dämmungen oder Photovoltaikanlagen von Privatwohnungen. Oder in die Beratung von Altbau-Eigentümerinnen und -Eigentümern, in Mobilitätsstationen an Haltestellen, in die Sanierung von städtischen Gebäuden oder in die Umstellung der eigenen Fahrzeugflotte. Kurzum: Klimabaustellen gibt es noch viele – auch wenn sich schon Erfolg abzeichnen, wie die alle zwei Jahre veröffentlichte Klimabilanz der Stadt zeigt. Im Jahr 1987 hat Düsseldorf 14 Tonnen CO pro Kopf verbraucht; in der Klimabilanz 2020 (basierend auf Daten aus 2018) waren es 6 Tonnen. Die nächste Bilanz erscheint Ende dieses Jahres.

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Noch etwas hat der Klimanotstand gebracht: Die Landeshauptstadt hat sich damit verpflichtet, früher klimaneutral zu sein: statt 2050 soll es im Jahr 2035 so weit sein. Rechnerisch darf dann jede Düsseldorferin und jeder Düsseldorfer nur noch zwei Tonnen CO2 verbrauchen.

Von Lukas Mielczarek und dem Jugendrat ging damals die Initiative für den Klimanotstand aus. Heute ist er für die Grünen im Stadtrat. Die damals so umstrittene Entscheidung, den Klimanotstand auszurufen, stelle heute so gut wie niemand mehr infrage. Es herrsche ein breiter Konsens. Er lobt die Haushaltsmittel von 60 Millionen Euro für den Klimaschutz, freut sich, dass mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Umwelt eingestellt worden sind. „Es läuft an, aber es läuft langsam“, sagt er gegenüber der Redaktion. Handwerker für Gebäudesanierungen sind rar, die Umstellung des ÖPNV, der Ausbau von Radwegen – all das dauert lang. „Vielleicht sollten wir etwas unkonventioneller denken“, überlegt er laut. Die große Lösung sei gut und schön, aber vielleicht muss manchmal eine schnellere Zwischenlösung her. Zu den tief hängenden Früchten, die man schnell ernten könne, so Mielczarek, gehöre eben der Radverkehr. Warum nicht die Seitenstreifen der Autospuren in der Stadt für Radfahrer freigeben?

Keine Vorteile bei der Fördermittelvergabe

In Kleve hat die Entscheidung pro Klimanotstand ebenfalls dazu geführt, dass mehr Investitionen in den Klimaschutz getätigt werden. Ein Klimaschutzmanager ist eingestellt worden und sogar ein Fachbereich gegründet und mit Personal sowie finanziellen Mitteln ausgestattet worden. Entsprechend ist es hier keine reine Symbolpolitik, aber dennoch ein wichtiges politisches Symbol. „Viele Menschen, so auch die Vertreter des Rates und der Verwaltung, sind sich seit dem Ausrufen des Klimanotstandes noch mehr darüber im Klaren, dass es sich beim Klimawandel um eine Krisensituation handelt, die dringend bearbeitet werden muss“, erläutert ein Sprecher der Stadt auf NRZ-Anfrage. Davon lasse sich insbesondere auch eine höhere Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen erhoffen.

Beschlussempfehlungen für den Rat der Stadt Kleve seien hingegen auch in der Vergangenheit in Bezug auf Natur und Umwelt einer Abwägung unterzogen worden, schildert er. Dazu gehörten auch schon immer klimatologische Aspekte, die untrennbar mit stadtökologischen Gesichtspunkten vernetzt sind. „Was die Verfügbarkeit der Fördermittel von Bund und Land betrifft, so hat die Stadt Kleve hier keinerlei Vorteile gegenüber Kommunen, die den Klimanotstand nicht ausgerufen haben“, räumt er ein.

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Helena Daum vom deutschlandweiten Klima-Bündnis, dem viele Kommunen beigetreten sind, sieht in dem Klimanotstand weit mehr als Symbolpolitik. „Zahlreiche Beispiele zeigen, dass diese Erklärungen nicht nur leere Worthülsen sind, sondern dem Klimanotstand konkrete Taten folgen. Konstanz hat als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand ausgerufen. Nur zwei Monate später wurden Sofortmaßnahmen, unter anderem in den Bereichen Mobilität, Energie und Gebäude, durch einen zweiten Beschluss in die Wege geleitet“, sagt sie. Aschaffenburg habe direkt im städtischen Klimanotstandsbeschluss festgelegt, dass die Stadtverwaltung zukünftig die Klimaschutzrelevanz in allen Stadtratsbeschlüssen berücksichtigen muss. Leipzig habe 2020, nur wenige Monate nach der Ausrufung, eines der zentralen Anliegen des Klimanotstandsbeschlusses vorgestellt: ein umfassendes Programm für die städtische Energie- und Klimaschutzarbeit.

„Diese Beispiele machen deutlich, dass der Klimanotstand mehr als nur Symbolpolitik ist. Die Ausrufung des Klimanotstands kann für eine gesteigerte Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und den kommunalen Verwaltungen sorgen, konkrete Maßnahmen in die Wege leiten und somit den lokalen Klimaschutz aktiv voranbringen“, lautet ihr Fazit.