An Rhein und Ruhr. Den Städten in NRW drohen durch den Klimawandel mehr extreme Hitzetage. Konzepte zur Klimaanpassung müssen her. Was das Land macht.

Vor dem Hintergrund der Zunahme extremer Hitzephasen und Hochwasserlagen arbeitet das NRW-Umweltministerium an einem neuen Förderaufruf, der auf die Erstellung von Hitzeaktionsplänen der Städte und Landkreise abzielt. Es sei eine große Herausforderung für die Kommunen, sich auf die veränderten Klimabedingungen einzustellen. Die Stärkung der Klimaanpassung sei ein wichtiges Kernanliegen im aktuellen Koalitionsvertrag.

Eine „15-Punkte-Offensive zur Klimaanpassung“, die im vergangenen Jahr erarbeitet wurde, soll „engagiert umgesetzt“ werden, wie das Ministerium auf NRZ-Anfrage mitteilt. Unter anderem sollen die grün-blaue Infrastruktur gestärkt, die Forschung und Lehre in diesem Bereich ausgebaut und die Einrichtung eines Lehrstuhls für grüne und wassersensible Stadtplanung geprüft werden.

„45 Grad“. Das konnte doch der Meteorologe Karsten Schwanke nicht ernst gemeint haben, als er diese Zahl twitterte und damit eine bislang in Deutschland unvorstellbare Tageshöchsttemperatur für jenen Hitze-Dienstag vor gut zwei Wochen vorausgesagt hatte, als auch in NRW der bislang heißeste Tag in diesem Sommer erreicht wurde. Oder doch? Letztlich erreichten die Temperaturen dann „nur“ knapp die 40 Grad- Marke, beispielsweise in Duisburg-Baerl, ein Stadtteil, der 2019 schon mal die 41 Grad knackte. Dennoch: Die 45 Grad waren eine Warnung. Heiße Tage mit weit über 30 Grad werden zunehmen. Dies sagen Klimaprognosen des Regionalverbands Ruhr (RVR) voraus: Im Schnitt der nächsten 20 Jahre sollen in den dicht bebauten Innenstädten und Gewerbegebieten derart hohe Temperaturen zur Normalität gehören – an 25 bis 30 Tagen im Jahr.

Simulationen für die Region

Erstmals hat der RVR Simulationen für die Region rechnen lassen – auch für ein Szenario, in dem sich die globale Mitteltemperatur um vier Grad erhöht. In den nächsten 20 Jahren fallen die Ergebnisse zwischen „Klimaschutz“ und „Weiter so“ noch gering aus, zum Ende des Jahrhunderts hin klaffen sie dramatisch auseinander. Im günstigsten Fall stagniert die Hitzeentwicklung nach 2050. Gelingt die Eindämmung des Temperaturanstiegs nicht, könnten sich die Innenstädte zu Hitzeinseln mit mehr als 50 „heißen Tagen“ entwickeln.

„Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es aus thermischer Sicht dramatisch“, sagt Thorsten Stock, der beim RVR das Team „Klimaanpassung“ leitet. „In Zukunft wird quasi der ganze Sommer ex-trem – oder was wir heute noch als extrem empfinden.“ Die Region bekäme Temperaturen wie in Südfrankreich. Waren Tage über 30 Grad in den Jahren 1981 bis 2010 selten, so waren es in den Sommern 2015 und 2018 deutschlandweit schon 18 bis 20. Der Trend zeigt eindeutig nach oben.

Auch interessant

Auch das Landesumweltamt stützt die Erkenntnisse des RVR: Bereits heute sind 6,9 Millionen Menschen in NRW aufgrund ihrer Wohnlage bei sommerlichen Temperaturen „von besonders großen Hitzebelastungen“ betroffen, heißt es in einer Klimaanalyse. Erhöhe sich die Temperatur nur um ein Grad bis zur Mitte des Jahrhunderts würde sich ihre Zahl auf 11,1 Millionen erhöhen.

Nina Frense, die beim RVR die Bereiche Umwelt und Grüne Infrastruktur leitet, zeigt sich davon „nicht überrascht. Wir als Region sollten das sehr ernst nehmen.“ Es gehe nun darum, erneuerbare Energien auszubauen, Freiräume zu schützen und Grün in die Städte zu bringen.

Die Kühlung steht im Vordergrund

Doch wie weit sind die Städte und Landkreise in NRW bereits mit ihren Anstrengungen? Eine der wenigen Städte in der Region, die bereits an einem eigenem Hitzeaktionsplan arbeitet, ist Dinslaken. 2018 wurde die Stadt von der Politik beauftragt, einen solchen zu erstellen. Noch steht er nicht, aber er nimmt Form an. Im März hat der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zur „klimagerechten Flächenentwicklung“ auf den Weg gebracht. Danach müssen in Bau- und Gewerbegebieten alle Gebäude mit Flachdächern mindestens extensiv begrünt werden und Vorgärten einen mindestens einen Meter breiten Grünstreifen haben. Entsiegelungsmaßnahmen werden von der Stadt gefördert – beispielsweise zur Begrünung, Herrichtung und Gestaltung von Hofflächen sowie von Außenwänden und Dächern.

NRW ist das am dichtesten besiedelte Flächenland in Deutschland. „Ein Riesenpfund ist, dass wir nicht eine zugebaute Megacity sind wie Paris oder London“, sagt Nina Frense. Nun sehe man, „dass den Grünzügen eine große Bedeutung zukommt für die Frischluftzufuhr und auch für die Erholung der hitzegestressten Menschen.“

Die Zeit zum Handeln drängt. Die weitere Stärkung der Klimaanpassung sei „ein wichtiges Kernanliegen im aktuellen Koalitionsvertrag“, heißt denn auch im NRW-Umweltministerium. „Wir wollen die Städte, Gemeinden und Landschaften klimaresilienter machen und Anstrengungen zur Klimawandelvorsorge verstärken“, betont NRW-Umweltminister Oliver Krischer.

Auch interessant

Eine 15-Punkte-Offensive zur Klimaanpassung wurde im vergangenen Jahr vom Ministerium erarbeitet, ein noch in Arbeit befindlicher neuer Förderaufruf soll ein „wichtiger Bestandteil der Kommunalentwicklung werden.“ Zur Unterstützung der Kommunen hat das Umweltministerium bereits das Programm „Kommunalberatung Klimafolgenanpassung NRW“ gestartet. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) berät im Auftrag des Umweltministeriums die Kommunen und Kreise bei Fragen zur Klimaanpassung.

Daneben gibt es bereits einige mit insgesamt rund 60 Millionen Euro aus Landes- und EU-Mitteln geförderte Programme, auf die Kommunen hätten zurückgreifen können und zum Teil auch zurückgegriffen haben. Zudem investieren im Rahmen des Projektes „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ der Ruhr-Konferenz das Land und die Wasserverbände im Ruhrgebiet über einen Zeitraum von zehn Jahren rund 250 Millionen Euro, um die Lebensqualität der Städte zu erhalten.

Dabei steht immer ein Aspekt im Vordergrund: die Kühlung. Maßnahmen wie Fassaden- und Dachbegrünungen sowie der Erhalt oder die Neuanlage wohnungsnaher Parks, Grünanlagen oder Wasserflächen dienen dazu, übermäßige Wärmebelastungen in Siedlungsbereichen zu vermindern. „Je höher versiegelt ein Bereich ist, desto stärker ist die Erwärmung“, erklärt Nicole Kauke, Klimadezernentin beim Landesumweltamt und sagt weiter: „Im Grunde können wir jederzeit erwarten, dass die Rekorde geknackt werden.“

Dateninfos: klima.geoportal.ruhr