An Rhein und Ruhr. Wie schädlich ist Landwirtschaft für die Umwelt? Dieser Frage geht die Klever Expertin Prof. Wiedemann nach - mit überraschenden Erkenntnissen.

Am meisten erstaunt es, wie oft Prof. Steffi Wiedemann den Begriff „Effizienz“ verwendet – und in welcher Bedeutung. Sie lehrt an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve und pflügt erst einmal so einige Vorurteile unter in Sachen Bauern und Klimawandel. Beispielsweise die Geschichte von den – Entschuldigung, aber wir sind auf dem Land jetzt – furzenden Kühen, die mit ihrem Methan den Klimawandel nochmal so richtig befeuern.

„Methan baut sich in der Atmosphäre zu CO2 ab. Und das kann in Pflanzen und im Boden gebunden werden“, sagt Steffi Wiedemann. Sie muss es wissen, sie ist Professorin für Nutztierwissenschaften und Umweltwirkungen. Wobei es auch da gewaltige Unterschiede gibt: Ökologisch bearbeiteter Boden, zumal wenn er nicht durch Traktoren verdichtet wird, bindet mehr Kohlendioxid. Ein Punkt für die Öko-Landwirtschaft, einerseits.

„Rinder stehen weniger in Futterkonkurrenz zum Menschen“

Andererseits: Extensive Landwirtschaft mit viel Platz fürs Vieh braucht genau das: Platz. Deswegen ist Steffi Wiedemann die Effizienz so wichtig: Wie sich möglichst ressourcenschonend auf jeder Fläche möglichst gutes und möglichst klimaneutral landwirtschaften lässt. Und da haben Rindviecher, Schafe und Ziegen einen Riesenvorteil: Sie können Gras fressen. Schweine und Hühner können das nicht. Mit anderen Worten: „Rinder und Schafe stehen deutlich weniger in Futterkonkurrenz zum Menschen als Schwein und Geflügel“, so Wiedemann. Und die Zeiten, in den Huhn und Schwein die Reste der menschlichen Mahlzeit bekamen, sind leider weitgehend vorbei.

Also wäre es klüger, den Mais direkt zu essen als zu warten, bis er das Hühnchen fett macht. Die Rinder – und noch weit mehr Schafer und Ziegen – hingegen machen pflanzliche Proteine für den Menschen nutzbar, die auf Böden wachsen, mit denen sonst nichts anzufangen wäre.

„Das sind rund 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen weltweit“, so Caroline Labonte. Problem ist bloß, so die Fachfrau für „Ressourcenschutz Klima und Wasser“ bei der Landwirtschaftskammer Rheinland in Düsseldorf: Die Rinder hierzulande weiden nicht auf ansonsten unwirtlichen Flächen, sondern fressen auch Kraftfutter, Soja und sonstwas alles. Ergebnis: Fürs Rindfleisch wird wertvolles Rohfutter und vor allem Fläche verbraucht. „Wir brauchen daher vor allem mehr Kreislaufdenken vor Ort“, so Wiedemann.

Prof. Steffi Wiedemann zuständig für Nutztierwissenschaften und Umweltwirkungen an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve.
Prof. Steffi Wiedemann zuständig für Nutztierwissenschaften und Umweltwirkungen an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Sicherlich werde nicht der gute alte Bauernhof mit Ackerland, Weidewirtschaft und Rind, Schaf und Geflügel auf einem Gelände zurückkehren. „Aber eine deutlich mehr an lokalen und regionalen Kreisläufen orientierte Landwirtschaft wäre ein wichtiger beitrag zum Klimaschutz.“

Und damit auch ziemlich genau das Gegenteil von der intensiven Landwirtschaft, die in den Niederlanden gerade zu großen Konflikten führt. „Dort werden beispielsweise Futtermittel weltweit importiert, um Geflügel zu züchten, das dann wieder nach Afrika verkauft zu werden“, verdeutlicht Wiedemann, wie eine zumindest aus Sicht der Klimabilanz verheerende Globalisierung der Landwirtschaft Fuß gefasst hat.

Mittlerweile hat auch bei der Ausbildung der Landwirte die Orientierung an Wetter und Klima einen hohen Stellenwert: „Unsere jungen Landwirte lernen sehr früh, dass Landwirtschaft nur mit dem Klima funktionieren kann und niemals gegen das Klima“, so Labonte. Und sie lernen auch, dass die Zukunft weg führt von Monokulturen und Turbokühen. „Statt der Jahreshöchstleistung rückt in den letzten Jahren immer mehr die Lebensleistung der Milchkühe in den Blick“, so Steffi Wiedemann. Heute sind Kühe gefragt, die länger als nur ein paar Jahre Kälber und damit Milch bringen. Den Viehbestand länger zu halten – auch das ist ressourcenschonendere Landwirtschaft. Und beim Futter gebe es auch noch Möglichkeiten: Noch mehr Nebenprodukte beispielsweise der Rapsölgewinnung als Futtermittel gewinnen – alles das, was bei der Produktion pflanzlicher Lebensmittel für den Menschen als Rest übrig bleibt, als mögliche Ressource für die Tierernährung zu verwenden – das hilft.

Allerdings, das räumt sie auch ein, gilt für den Kunden: In Sachen Klimabilanz liegt die vegetarische Ernährung immer noch deutlich vor Milchprodukten und Fleisch. Aber die Information, dass ein reines Weiderind, das ansonsten nicht zugefüttert wird und nur dort grast,wo mit dem Land nichts anderes anzufangen wäre, beinahe klimatechnisch okay wäre – das ist ja eine Info, fast so wichtig wie ein kleines Steak. Zu dumm bloß, dass weltweit immer noch Wald in Weide verwandelt wird. Das macht das Steak eben doch zur Klimasünde.

Carolin Labonte von der Landwirtschaftskammer Rheinland.
Carolin Labonte von der Landwirtschaftskammer Rheinland. © Stephan Glagla / Funke Foto Service | Stephan Glagla

Immerhin: Ein weiteres großes Energieverbrauchsproblem der Landwirtschaft löst sich gerade von allein: Die Gaspreisexplosion macht Mineraldünger so teuer, dass der Einsatz wohl überlegt wird. „Als Dünger kommen ja auch Gülle, Mist, Kompost und Abfälle aus Biogasanlagen in Frage“, so Caroline Labonte zu den Alternativen.

Jedenfalls auf vielen Flächen. Bei einigen jedoch nicht: „Würden Sie Salat von Feldern essen, wo der Güllewagen drübergefahren ist?“ Mahlzeit. Ist übrigens auch per EU-Verordnung verboten im gesamten Anbau von Obst und Gemüse. Nicht, dass hier noch jemand vom Vegetarier zum klimakillenden Karnivoren mutiert.

Denn beim Flächenfraß sind wir auch gleich beim größten Klimakiller. Und auch da geraten die Landwirte in große Zwickmühlen: Denn wo, wenn nicht auf ihrem Land, sollen Windräder und Solarpaneele die Energie herholen, die wir ja weder aus Russengas noch aus Oligarchenöl gewinnen wollen.

„Es tut in der Seele weh, wenn Felder zugepflastert werden“

„Es tut uns schon in der Seele weh, wenn wertvolles Land mit Photovoltaik zugepflastert wird“, sagt Caroline Labonte. „Der Flächenfraß hier in NRW ist ohnehin beachtlich. Ich finde, erst einmal gehören sämtliche Supermärkte und deren Parkplätze genutzt und möglichst viele Hausdächer.“ Dann kommt das Aber: Es gibt neue Ansätze auch für Freiland-Photovoltaik. In Westfalen wird demnächst in der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Haus Düsse bei Bad Sassendorf experimentiert: mit senkrecht stehenden Photovoltaikanlagen.

Die gewinnen zwar, wegen des schlechteren Winkels zur Sonne, etwas weniger Strom – den aber vor allem morgens und abends, wenn die Sonne tief steht, aber der Energiehunger groß ist. Zweiter Vorteil: Zwischen den Paneelen lässt sich damit auf einem Großteil der Fläche weiter Ackerbau betreiben – oder es können zumindest Rindviecher weiden.

Klimaschutz und Ökolandwirtschaft

Das Umweltbundesamt hat es 2019 bilanziert: Die Landwirtschaft ist in Deutschland für rund 7,4 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Immerhin: der Ausstoß ging seit 1990 zurück, vor allem aufgrund besseren Düngereinsatzes. Denn Kunstdünger zu produzieren, verschlingt Energie. Und der Energieverbrauch ist es auch, der für 85 Prozent des CO2-Ausstoßes in der Landwirtschaft verantwortlich ist.

Mit anderen Worten: Geringerer Kunstdüngereinsatz wäre schon ein wichtiger Punkt. Die ökologischen Betriebe liegen daher zunächst einmal, was den CO2-Ausstoß pro Fläche angeht, weit vorn. Der Vorsprung allerdings egalisiert sich weitgehend, weil die Erträge pro Hektar geringer sind als bei konventioneller Landwirtschaft.

Allerdings: Was die Bindung von CO2 im Boden angeht – von Tierwohl und Artenvielfalt nicht zu reden – liegen die Ökobetriebe wieder vorn. Noch besser wäre es, sie würden bessere stickstoffbindende Pflanzen einsetzen oder Sojapflanzen. Doch dafür braucht es oft Gentechnik.