Düsseldorf. Ministerin Heinen-Esser will Tierhalter finanziell unterstützen. Zudem plant NRW eine Wolfsverordnung mit genauen Regelungen für Abschüsse.
Nach der Häufung der Übergriffe von Wölfen auf Ponys in NRW weitet das Land den Herdenschutz auf kleine Pferde aus. „Unser Ziel ist es, das Leben mit dem Wolf so konfliktfrei wie möglich zu gestalten und den Herden- und Artenschutz in Einklang zu bringen“, erklärte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Deshalb hat das Land NRW die Förderrichtlinie Wolf zum Schutz von Weidetieren erweitert. So werden ab Januar 2022 in dem besonders betroffenen Wolfsgebiet Schermbeck Schutzmaßnahmen auch für Ponys, Fohlen und Jungpferde (bis zum Alter von drei Jahren) mit maximal 30.000 Euro pro Bestand gefördert.
Um die Antragsverfahren für die Weidetierhalter zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird künftig die Landwirtschaftskammer NRW die Prüfung und Förderung von Herdenschutzmaßnahmen vollständig übernehmen. Bisher waren jeweils die räumlich zuständigen Bezirksregierungen mit eingebunden. „Mit den Neuerungen wollen wir zum einen die Halter von Kleinpferden zusätzlich unterstützen und motivieren, ihre Tiere besser vor Wolfsübergriffen zu schützen“, sagte die Ministerin.
Sieben Ponyrisse im Wolfsgebiet Schermbeck seit Oktober 2020
Vor allem das Wolfsrudel im Wolfsgebiet Schermbeck bereite Sorgen. Seit Oktober ist es hier zu fünf tödlichen Übergriffen auf Ponys gekommen, hinzu kommen noch zwei aus dem Oktober 2020 und Januar 2021. Insgesamt kam es in NRW in diesem Jahr bis Dezember zu rund 40 Übergriffen auf Haus-und Nutztiere, mehrheitlich auf Schafe. Für 18 dieser Risse war das Rudel im Wolfsgebiet Schermbeck verantwortlich. In der Mehrzahl der Fälle waren die angegriffenen Tiere nicht so geschützt, wie es Experten empfehlen. Jüngst hatte das Ministerium in einem Rechtsgutachten die Entnahme der Wölfin Gloria erneut prüfen lassen. Das Ergebnis war, dass die Wölfe weiterleben dürfen, „da zumutbare Alternativen wie eine wolfsabweisende Zäunung bisher unzureichend genutzt wurden, womit weiterhin eine Entnahme von Wölfen nicht rechtssicher möglich ist.“
Auch interessant
Bislang unterstützte das Land in den Wolfsgebieten nur betroffene Weidetierhalter, in erster Linie Schäfer. 2021 wurden dafür rund 1,6 Millionen Euro bereitgestellt. „Das ist bundesweit die zweithöchste Summe, die ein Bundesland für Prävention und Entschädigung ausgegeben hat. Im kommenden Jahr werden wir weitere Geldmittel zur Verfügung stellen“, kündigt Heinen-Esser an. Auch Weiden mit potenziell gefährdeten Haus- und Nutztieren sollen wolfsabweisend umzäunt werden, zudem sollten Tiere in dunklen Tag- und Nachtstunden am besten im Stall sein.
Sind die millionenschweren Ausgaben verhältnismäßig?
Während das Land die Förderrichtlinien anpasst und zusätzliche Mittel für den Herdenschutz bereitstellt, stellt die Umweltministerin zugleich aber auch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Denn klar sei: Durch die Ausweitung des Herdenschutzes steigen dessen Kosten deutlich. „Dass der Wolf zu schützen ist, steht außer Zweifel. Aber ab welcher Größenordnung sind millionenschwere Ausgaben unverhältnismäßig?“, fragt die Ministerin. Hier müsse der Bund mehr Klarheit schaffen, die Formulierungen im Koalitionsprogramm seien sehr vage. Eine grobe Orientierung bietet ein zwischen Bund und Ländern Ende November 2021 verabschiedeter Praxisleitfaden Wolf.
Auch interessant
Im Januar will die Ministerin auf die Fraktionen im Landtag zugehen, um eine Wolfsverordnung, wie es sie schon in Niedersachsen gibt, auf den Weg zu bringen. Die niedersächsische Verordnung bestimmt auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes, unter welchen Voraussetzungen Wölfe, die ein problematisches Verhalten an den Tag legen, vergrämt, verscheucht oder abgeschossen werden dürfen. Die Entnahme, die laut Verordnung als „zielgerichtete, tierschutzgerechte Tötung“ definiert wird, kann dann erfolgen, wenn der Wolf sich gegenüber Menschen aggressiv zeigt, sich ihnen auf unter 30 Metern nähert oder Wolfschutzzäune mindestens zweimal überwunden und ein Tier gerissen hat. Aus jetziger Sicht müssten solche Übersprünge eines 1,20-Meter-Elektrozaunes „mehrfach in engem zeitlichem Zusammenhang“ passieren, um eine Verhaltensauffälligkeit des Wolfes anzunehmen, sagte die Ministerin.“ Ursula Heinen-Esser ist zuversichtlich, dass die Landtagsfraktionen der Verabschiedung einer Wolfsverordnung offen gegenüber stehen, zumal die SPD-Fraktion bereits Anfang November eine Ausweitung des Herdenschutzes in Wolfsgebieten gefordert hat.
127 Rudel in ganz Deutschland, vier in NRW
Bislang gibt es in NRW vier Wolfgebiete mit Pufferzonen (Senne, Schermbeck, Oberbergisches Land und Eifel) und eine Pufferzone an der Grenze zu Rheinland-Pfalz. Nachgewiesen sind aktuell sieben Wölfe und mindestens elf ausgewachsene Welpen, davon vier im Schermbecker Raum. Damit ist die Zahl der erwachsenen Wölfe im Vergleich zum Vorjahr nicht angestiegen. Zwei der drei Rudel leben auf den Landesgrenzen und halten sich nur teilweise in NRW auf. Hinzu kommt eine unbestimmte Zahl von durchwandernden Einzeltieren, die sich teils Tage, teils Wochen hier aufhalten und danach NRW wieder verlassen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden für die aktuelle Zählperiode 2020/2021 insgesamt 157 Rudel, 27 Paare und 9 ortstreue Einzeltiere angegeben. Die meisten Wolfsgebiete gibt es im Osten Deutschlands und in Niedersachsen. 2020 wurden bundesweit 942 Übergriffe von Wölfen auf Haus- und Nutztiere registriert, die meisten in Niedersachsen und Brandenburg.
Neuregelungen ab Januar
Ab 1. Januar können sich nun Weide,- und Haustierhalter nicht nur mit ihren Fragen zum Herdenschutz an die Landwirtschaftskammer wenden, sondern dort dann auch gleich die Anträge für die finanzielle Unterstützung stellen, wenn sie einen Wolfsschutzzaun errichten wollen. Die Hotline ist erreichbar unter: Tel. 02945 / 98 98 98. Weitere Infos werden Anfang Januar auch auf der Homepage der Landwirtschaftskammer im Internet veröffentlicht.
Bürger, die Fragen zu den Wolfsgebieten haben oder einen Wolf gesichtet haben, sollen sich weiterhin an das Landesumweltamt wenden: werktags unter Tel. 02361-305-0, außerhalb der Geschäftszeiten und am Wochenende unter Tel. 0201-714488 oder per Mail: wolf_nrw@lanuv.nrw.de