Kreis Wesel. Laut Rechtsgutachten, das das Umweltministerium in Auftrag gegeben hat, sind die Voraussetzungen für eine Entnahme der Wölfe nicht gegeben.

Für Schäfer Kurt Opriel war es ein „Tiefschlag“, schon wieder: „Gloria“ und ihr Wolfsrudel dürfen weiterleben. So bewertet das Rechtsgutachten, das das NRW-Umweltministerium nach der räumlichen und zeitlichen Häufung von Nutztierrissen in Hünxe in Auftrag gebeben hat, die Lage. Die Voraussetzungen zur Entnahme der Wölfin oder des Rudels seien danach nicht gegeben. Seit dem 11. Oktober wurden in Hünxe vier Ponys gerissen, eines verletzt und ein Schaf in einem Umkreis von wenigen Kilometern getötet.

Kurt Opriel ist fassungslos. Zahlreiche Tiere des Hünxer Hobbyschäfers wurden schon gerissen, zuletzt, am 29. Oktober, holte sich mutmaßlich der Wolf morgens ein trächtiges Schaf aus seiner Herde – die gerade erst aus dem Stall gelassen worden war. Seitdem lässt er die Tiere im Stall – auch wenn das nicht artgerecht ist. „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch weitermachen soll“, sagt Kurt Opriel.

Das Ergebnis des Gutachtens erfreue ihn, so hingegen der Kreis-Nabu-Vorsitzende Peter Malzbender. Aber Schadenfreude habe er kein bisschen. Die Nutztierhalter tun ihm leid, die durch Wolfrisse Tiere verloren haben. Jetzt sei die Landesregierung in der Pflicht, ganz schnell die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen.

Das sagt das Gutachten

Das Rechtsgutachten sollte klären, ob die Wölfe des Schermbecker Rudels verhaltensauffällig sind und deswegen entnommen werden sollten. Zwar hätten die Schermbecker Wölfe seit 2018 insgesamt 143 Tiere getötet und damit „ernste wirtschaftliche Schäden verursacht“. Aber maßgebend sei, ob auch „zukünftig ernste wirtschaftliche Schäden an landwirtschaftlichen Nutztieren zu erwarten“ seien. Das sei nur der Fall, wenn die Wölfe „empfohlene und zumutbare Herdenschutzmaßnahmen überwinden“, was in nur vier Fällen geschehen sei – und die stünden nicht in zeitlichem Zusammenhang.

Eine „bloße Verschlechterung der Rentabilität eines Betriebs“ sei kein ernster Schaden, so das Gutachten. Einen „absoluten Schutz vor Wolfsrissen“ könne es nicht geben, die Tötung des gesamten Rudels wäre „unverhältnismäßig“. Das Gutachten kommt somit zu dem Ergebnis, dass „…davon ausgegangen werden kann, dass zumutbare Alternativen zur Tötung der Wölfin bzw. des Rudels vorhanden sind“ – also Zäune – sodass die Voraussetzungen für eine Entnahme nicht gegeben seien.

Damit sei eine Entnahme von Wölfen im Wolfsgebiet Schermbeck, wie von Nutztierhaltern und Bauern gefordert, auch aktuell weiterhin nicht rechtssicher möglich, so das Ministerium. Das Gutachten bestätigt somit den Tenor des Urteils des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts aus dem Mai. Damals hatte Opriel ebenfalls eine Entnahme der Wölfin „Gloria“ erreichen wollen.

Für zwei Risse war der Rüde verantwortlich

Für die Pony-Risse am 11., 20., und 22. Oktober sowie das verletzte Pony am 21. Oktober war auf jeden Fall ein Wolf verantwortlich. Das haben die Genanalysen des Senckenberglabors für Wildtiergenetik in Gelnhausen laut Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz ergeben. Bei den Übergriffen am 20. und 21. Oktober konnte erstmals der männliche Wolf GW1587m als Verursacher nachgewiesen werden. Für die Risse am 11. und 22. Oktober konnte kein bestimmtes Wolfsindividuum nachgewiesen werden. Die genetischen Analysen der Proben vom 29. Oktober (an diesem Tag wurde morgens ein Schaf nahe einer Schulbushaltestelle gerissen) und 3. November (der Riss eines Ponys an einem Wohnhaus) sind noch in der Bearbeitung.

Land will wolfsabweisende Zäune für Pferde ab Dezember fördern

Als „zumutbare Alternativen“ zu einer von Nutztierhaltern und Bauern geforderten Entnahme werden Herdenschutzmaßnahmen wie wolfsabweisende Zäune, nächtliches Aufstallen oder der Einsatz von Herdenschutzhunden genannt. Diese sind aber kostspielig und werden vom Land bislang nicht gefördert. Die Landesregierung will künftig nun auch die Halter von Kleinpferden finanziell unterstützen. Das Landwirtschaftsministerium werde dien Förderrichtlinien Wolf auch für Kleinpferde-, Fohlen- und Jungpferde-Haltungen öffnen, mit dem Ziel, ab 1. Dezember 2021 Schutzmaßnahmen für sie zu fördern – ähnlich, wie es für Gehegewild, Schaf- und Ziegenhaltung heute schon der Fall ist. Die Details werden derzeit ausgearbeitet. Zusätzlich wurde bei der Landwirtschaftskammer eine neue Hotline für die Herdenschutzberatung eingerichtet, die u.a. auch zu wolfsabweisenden Zäunen berät (0 29 45 / 98 98 98).

Das sagt die Ministerin

Landwirtschafts- und Naturschutzministerin Ursula Heinen-Esser: „Die Übergriffe seit Oktober dieses Jahres auf Kleinpferde erfüllen uns mit Sorge. Für die betroffenen Tierhalter stellen die Verluste eine schwere emotionale Belastung dar. Wir nehmen die daraus resultierenden Ängste der Betroffenen vor Ort sehr ernst, beobachten die Lage und Entwicklung sehr genau und passen wo erforderlich und möglich unser Wolfsmanagement an.“ Aber: Eine „Entnahme von Wölfen in Schermbeck ist nach aktueller rechtlicher Bewertung nicht möglich.“ Umso wichtiger sei es, die Weiden mit potenziell gefährdeten Haus- und Nutztieren „wolfsabweisend zu zäunen“ und die Tiere „in den dunklen Tag- und Nachtstunden nach Möglichkeit in einen Stall zu verbringen.“

Neben den erweiterten Förder- und Beratungsangeboten prüft das Ministerium derzeit, wie die Organisationsstruktur auf der Landesebene verstärkt und das Wolfsmanagement optimiert werden kann. Heinen-Esser: „Übergeordnetes Ziel ist und bleibt es, nach der Rückkehr des Wolfs in seine ursprünglichen Verbreitungsgebiete, die Erfordernisse des Naturschutzes und des Herdenschutzes in Einklang zu bringen und das Leben mit dem Wolf so angst- und konfliktfrei wie möglich zu gestalten.“ (aha/mt)

Informationen zum Herdenschutz der Landwirtschaftskammer: https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tierproduktion/herdenschutz/herdenschutz-nrw.htm.