Am Niederrhein ist die Diskussion um einen Abschuss von Wölfen neu entbrannt. Folgerichtiger Schritt oder der falsche Weg? Ein Pro und Contra.
Nach der Tötung mehrerer Ponys im Wolfsgebiet Schermbeck ist die Diskussion um einen Abschuss von Wölfen neu entbrannt. Das NRW-Umweltministerium hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll, ob die Niederrhein-Wölfe als verhaltensauffällig gelten und zur „Entnahme“, sprich zum Abschuss, freigegeben werden müssen.
Wäre ein Abschuss nach den Vorfällen der letzten Wochen eine folgerichtige Reaktion, oder müssen andere Lösungen her? Ein Pro und Contra zum Thema.
Pro: Der Wolf ist zum Problemwolf geworden und muss abgeschossen werden!
Das Experiment ist schiefgegangen. Die Freude war groß, als sich der erste Wolf am Niederrhein niederließ. Wir Menschen sind so lange Zeit schlecht zur Natur gewesen, verändern das Klima und rotten Tiere aus. Da klingt die Ansiedlung des Wolfs nach ein wenig Wiedergutmachung, streichelt die romantische Seele, die sich nach harmonischem Miteinander von Mensch und Tier sehnt.
Es hätte so schön sein können. Doch dann passierte das, wovor Skeptiker von Beginn an gewarnt hatten. Die Wölfe erweiterten ihren Speiseplan und vertilgten nicht nur Hasen, Rehe, Aas. Nun rissen sie Haustiere in Stücke: Schafe dutzendweise, dann auch Ponys, die Haustiere von Familien, geliebte Freunde von Kindern. Und wenn sich die neuesten Spuren zu Tatsachen verdichten, holt sich der Wolf seine Nahrung jetzt sogar aus den Gärten der Menschen. Ein Schaf wurde in der Nähe der Bushaltestelle gefressen. Nicht nachts, wenn alles schläft, sondern morgens, wenn Kinder unterwegs sind.
Die Umweltbehörde will die Lage nun „erneut gut prüfen und gegebenenfalls neu bewerten“. Sie sollte sich damit beeilen und entscheiden, bevor es zur ersten gefährlichen Begegnung von Wölfen und Menschen kommt. Das Experiment ist schiefgegangen. Der Wolf ist zum Problemwolf geworden. Er muss abgeschossen werden!
Contra: Ein Abschuss ist nicht die Lösung – der Herdenschutz muss ausgeweitet werden
Der Wolf ist zurück in NRW. Und er wird bleiben. Daran würde auch ein Abschuss von Gloria nichts ändern. Auf Gloria wird ein anderer Wolf folgen. Und dann? Wieder abschießen? Der Wolf ist nach Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Das ist gut so! Wir müssen in NRW lernen, mit dem Wolf zu leben.
Über 100 Schafsrisse, fünf getötete Ponys: Da spielen viele Emotionen mit. Auch Ängste. Aber zur Wahrheit gehört auch: Die Tiere waren leichte Beute. Sie standen draußen. Ob im Garten oder auf der Weide ist da zweitrangig. Der Garten mag näher am Haus und damit am Menschen sein. Aber: Auch bei den jüngsten Rissen waren sie für den Wolf nicht sichtbar in der Nähe. Gloria hat die Scheu vor dem Menschen verloren, sagen viele Kritiker. Hat sie? Bislang sind Bilder von ihr und vom Wolfsrudel Zufallstreffer.
Die Frage ist vielmehr, ob bei der Prävention genug getan wurde. Dass das Umweltministerium über ein halbes Jahr nach dem ersten Ponyriss den Herdenschutz nicht auf die Pferde ausgeweitet hat, ist ein Versäumnis. Ein totes Pony reichte scheinbar nicht. Es mussten vier folgen, damit Bewegung in die Sache kommt. Eine Ausweitung des Herdenschutzes hätte längst umgesetzt sein müssen. Der Abschuss von Gloria ist nicht die Lösung.