Am Niederrhein. Auf dem Hof Frohnenbruch in Kamp-Lintfort werden mittlerweile 100 Schweine komplett im Freiland gehalten - eine Besonderheit. Zucht ist geplant.
Die Jungschweine stürmen heran und recken die Nasen, als sich Landwirt Paul Bird dem Zaun nähert. Die kleinen, aber schon kräftigen Körper wackeln beim Rennen, die Ohren auch, der Ringelschwanz sowieso - Schweinsgalopp. Etwas weiter stehen die älteren Mastschweine, sie lassen es ruhig angehen. Zumal es an diesem Frühsommertag schon etwas wärmer ist.
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Die Birds haben die Sau rausgelassen, im Wortsinn: Auf ihrem Bioland-Hof Frohnenbruch im Kamp-Lintforter Ortsteil Hoerstgen hält die Bauernfamilie seit August 2020 Schweine komplett im Freiland - auf Ackerfläche mit Kleegras. Mittlerweile sind es knapp 100 Tiere. „Ich möchte nicht mehr zurück zur Stallhaltung“, sagt 23-jährige Paul Bird, Juniorchef und staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt Fachrichtung Öko-Landbau.
Haltung komplett im Freiland ist eine Besonderheit
Er hatte die Freilandhaltung von Schweinen in seinem Gesellenjahr während eines England-Aufenthalts erlebt. „Gerade für abferkelnde Sauen ist das da Standard“, erzählt der junge Landwirt. Zu erleben, wie sich die Tiere draußen bewegen, wie ganze Ferkelrotten toben - das hat Paul Bird begeistert. Hierzulande ist Freilandhaltung von Schweinen eine absolute Besonderheit.
Schweinehaltung im Umbruch
NRW-weit sinkt die Zahl der gehaltenen Schweine - aber auch die der Betriebe mit Schweinen. Rund 6,84 Millionen Tiere waren es bei der Viehzählung im November 2020 - rund 400.000 Schweine weniger als fünf Jahre zuvor. Die Zahl der Schweinehaltungen ging um gut 1000 auf 6430 zurück. Die Schweinehaltung ist im Umbruch. Der Trend geht zu mehr Platz in den Ställen, wenn möglich Außenklima, Beschäftigungsmöglichkeiten. In Bad Sassendorf will die Landwirtschaftskammer NRW „Schweineställe der Zukunft“ bauen, inklusive Cabrio-Dach. Die Planungen sind aber sehr komplex, dauern an. (dum)
Üblicherweise werden Schweine in Nordrhein-Westfalen in Ställen gehalten - teilweise mit Auslauf, teilweise mit offenen Fronten (Fachleute sagen: Außenklima). Die weit überwiegende Mehrheit der Tiere jedoch steht in hermetisch abgedichteten Ställen. Das geschieht, um die Schweine vor Krankheitseinträgen zu schützen. Geschützt werden sollen aber auch Anwohner, vor Geruch und Geräusch.
Schweine dürfen keinen Sonnenbrand bekommen
Dabei funktioniert Freilandhaltung, jedenfalls wenn genug Platz da ist. Das ist die Erfahrung in Kamp-Lintfort. Die Birds haben sechs Hektar eingezäunt, die Schweine stehen auf drei Hektar, unterteilt auf kleinere Flächen. Auf dem Hof Frohnenbruch wird eine Kreuzung aus Schweizer Edelschwein und Duroc gehalten. Mit einem Alter von sieben bis acht Monaten haben die Tiere 120 bis 130 Kilo Schlachtgewicht erreicht.
Der erste Winter? Kein Problem - in isolierten Blechhütten haben die Schweine Nachttemperaturen von bis -14 Grad ohne Probleme überstanden. „18 Tiere haben sich in einer Hütte aneinandergekuschelt, die andere blieb leer“, erzählt der junge Landwirt. Im Sommer nun müssen sich die Tiere in Suhlen abkühlen können. Schweine können nicht schwitzen. Schattenbereiche sind wichtig - „Schweine haben eine wenig pigmentierte Haut und dürfen keinen Sonnenbrand bekommen“.
Schweine auf dem Acker sind tiefenentspannt
Vom Kleegras ist örtlich schon nach kurzer Zeit nicht mehr viel zu sehen. Die kräftigen Rüsselnasen drehen Teile des Ackers auf links. Tatsächlich: Schweine grasen auch, wie Bird berichtet. Hauptnahrung freilich ist ein Futtermix aus Weizen & Co., der an Fressstellen bereitsteht. Die ganze Zeit können die Schweine wühlen, graben, nach Futter suchen - und eben fressen. Zwischendurch: Siesta. Die Schweine sind tiefenentspannt. Paul Bird krault einer Sau den Bauch.
„Freiland-Haltung kommt Schweinen in ihrem Artverhalten am Nächsten“, erklärt Christian Wucherpfennig, bei der Landwirtschaftskammer NRW Fachberater für Öko-Schweine. Im Freiland gibt es ständig Reize für die schlauen Tiere. Die Schweine sind nicht auf enge Fütterungszeiten angewiesen, kein Stress am Trog. „Sie müssen sich nicht fragen, was fang’ ich nach der Fütterung mit dem Rest des Tages an“, erklärt Wucherpfennig.
Artgerechte Haltung und Aufwand haben ihren Preis
Das Entspannte, das sei typisch für im Freiland gehaltene Schweine. Mit Platz und Beschäftigung könne man das durchaus auch in einem Biostall erreichen, sagt der Kammerberater. Mindestens 2,7 Quadratmeter müssen dort zur Verfügung stehen (mit Auslauf). In der konventionellen Mast liegt der Wert hingegen bei nur bei 0,75 Quadratmeter pro Tier. Nichts für Biobauer Bird.
Der junge Landwirt sagt: „Wir bieten unseren Kunden eine Leistung, die muss dann aber auch bezahlt werden.“ Soll heißen: Artgerechte Haltung und der ganze Aufwand haben ihren Preis. Beim Kilo Schweinenacken aus dem Freiland liegt dieser im Hofladen bei 31,50 Euro - und damit ziemlich nah am Bio-Rindfleisch dort. Bei den Kunden komme es sehr gut an.
Böden und Grundwasser dürfen nicht überlastet werden
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„Es ist kernig, bissfest - weil die Tiere ihre Muskeln benutzt haben“, erläutert Bärbel Bird, Metzgermeisterin und Mutter von Paul und Schwester Eva. Vater Klaus Bird ist der Betriebsleiter. Ein Faktor für den Preis sind die Futterkosten. „Unsere Tiere legen pro Tag etwa 800 Gramm zu“, erklärt Paul Bird. Die Mast dauere nicht länger als im konventionellen Stall. Nur, dass die Tiere viel mehr fressen. „Ich schätze, dass es bis zu fünf Kilo pro Tag sind.“
Fläche ist auch ein Faktor. Sie gibt es in der Landwirtschaft nicht umsonst, weil Fläche ja im Zweifel ja auch immer anders gewinnbringend genutzt werden könnte. In der Freilandhaltung von Schweinen, für die das örtliche Veterinäramt eine Genehmigung geben muss, dürfen Boden und Grundwasser nicht durch zu viele Auscheidungen überlastet werden. Ein kluges Flächenkonzept mit nicht zu vielen Tieren ist nötig.
Zehn Sauen sind schon für die Zucht ausgesucht
Landwirt Bird in Kamp-Lintfort stellt seine Schweine zweimal im Jahr um. Grundsätzlich sei ein lockerer und leichter Boden nötig, erklärt Fachberater Wucherpfennig. Auf dem Frohnenbruch-Hof freilich ist noch Luft für weitere Schweine, auf dem Acker noch Platz. Paul Bird plant den Bestand an Freilandschweinen nach und nach noch etwas aufzustocken - und denkt aber auch schon weiter.
Noch holt der junge Landwirt die Ferkel, etwa 20 Kilo schwer, von einem Betrieb im ostwestfälischen Höxter. In drei Monaten etwa soll es aber auch in Kamp-Lintfort den ersten Nachwuchs geben. Eine Sau ist bereits künstlich besamt, berichtet Bird. Danach soll die Zucht richtig losgehen: Zehn Sauen sind ausgesucht - und ein Eber steht auch schon bereit.