Spahns Forderung, die Session abzusagen, stößt in der Region auf wenig Empörung. Die meisten Vereine haben bereits resigniert. Ein Überblick.

Volle Hallen, schunkelnde Menschen, ausgelassene Stimmung – geht es nach Gesundheitsminister Jens Spahn, gehört das närrische Treiben der Karnevalisten vorerst der Vergangenheit an. Der CDU-Politiker soll sich am Dienstag in einer Telefonkonferenz des Gesundheitsausschusses für einen Ausfall der kompletten Session ausgesprochen haben. Während große Verbände in NRW Alarm schlagen, hält sich die Empörung an Rhein und Ruhr in Grenzen. Karneval während der Corona-Pandemie – für viele Vereine undenkbar.

„Unter den derzeitigen Bedingungen kann man nichts veranstalten“, sagte Helga Heirich, Geschäftsführerin des Carnevals-Ausschuss-Wesel (CAW). Bereits Ende Juni hatte der Dachverband der Weseler Karnevalsgesellschaften die Saison abgesagt – inklusive Rosenmontagszug. Zu groß sei das Risiko, dass sich Karnevalisten mit dem Coronavirus infizieren. „Wir haben bewusst früh eine Entscheidung getroffen, weil die Vereine ja auch vorausplanen und Künstler organisieren müssen.“ Aufgrund der schnellen Absage sei kein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden.

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„Wenn wir sagen, wir feiern mit maximal 50 Leuten, mit Abstand und ohne Alkohol – da kommt doch keiner“, so Heirich. Die Corona-Regeln seien in der Niederrheinhalle ohnehin kaum umsetzbar. „In Köln haben sie vielleicht größere Säle, aber bei uns funktioniert das nicht.“ Da die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen Wochen nicht signifikant zurückgegangen sei, könne sie die Forderung des Gesundheitsministers nachvollziehen. „Außerdem will das Prinzenpaar ja auch seinen Spaß haben“, gibt die Geschäftsführerin zu bedenken. In halbleeren Hallen komme aber keine Stimmung auf.

Präsident KGK Moers: „Diese Verantwortung will ich nicht übernehmen“

Auch in Moers wird es in dieser Saison weder Prinzenproklamation noch Nelkensamstagszug geben. „Wir wollen die Teilnehmer keiner Infektionsgefahr aussetzen. Viele Karnevalisten sind über 60 Jahre alt“, sagte Hans Kitzhofer, Präsident des Kulturausschuss Grafschafter Karneval (KGK) Moers. Bereits im April habe der KGK alle Veranstaltungen auf Eis gelegt, angefangen mit der Prinzenproklamation. „Die Prinzenpaare finanzieren ihre Kleider selber, das kostet sie sehr viel Geld.“ Dieses finanzielle Risiko habe Kitzhofer dem Prinzenpaar ersparen wollen.

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Am Nelkensamstagszug nehmen laut Kitzhofer jährlich rund 120.000 Besucher teil. „Wie will man da ein Sicherheitskonzept aufstellen“, so der Präsident. „Diese Verantwortung möchte ich persönlich nicht übernehmen.“ Karnevalssitzungen mit begrenzter Teilnehmerzahl seien, neben gesundheitlichen Bedenken, auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht rentabel: „Wir sind nicht in Köln, wo man für eine Eintrittskarte 36 Euro oder mehr zahlt.“ Rund 20 Euro koste ein Ticket beim KGK. 5.000 Euro zahle der Kulturausschuss allein für Künstler. „Das ist mit der Hälfte der Gäste nicht finanzierbar.“

Kitzhofer unterstütze die Forderung von Jens Spahn: „Ich bin derselben Meinung. Ein bisschen schwanger geht nicht.“ Mindestabstand, Alkoholverbot und eine Begrenzung der Teilnehmerzahl seien keine sinnvollen Lösungsansätze. „Das hat nichts mehr mit Karneval zu tun.“ Trotzdem wolle er die Hoffnung nicht aufgeben. „Wir denken immer nach vorne. Aber vorne bedeutet in diesem Fall ein Jahr später.“

Düsseldorf: Wagenbauer Jacques Tilly hofft auf Karnevalszüge

Verständnis auch aus Düsseldorf: „Das Großveranstaltungen nicht stattfinden, davon sind wir ausgegangen und daher fahren wir sowieso eine reduzierte Planung“, sagte Lothar Hörning, Präsident der Prinzengarde Blau-Weiss. Wagenbauer Jacques Tilly hofft, dass zumindest die Karnevalszüge stattfinden können. „Da könnte ein gesundheitlich verträgliches Konzept sicher erarbeitet werden.“ Hans-Peter Suchand, Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval, will an den bisherigen Karnevalsplänen vorerst festhalten. Anfang September solle dann eine Entscheidung fallen.

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Auch in Rees gibt es noch keine offizielle Absage des Sitzungskarnevals und der beiden Rosenmontagszüge. Vertreter der Karnevalsvereine und der Stadt hatten sich am Dienstagabend getroffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. „Die Vorbereitungen, auch die der Wagenbauer, würden reichen, wenn die Entscheidung erst in vier Wochen fällt“, so Stadtsprecher Jörn Franken. Zunächst wolle man die weitere Entwicklung der Corona-Neuinfektionen im Auge behalten. Ein finales Gespräch sei für den 15. September angesetzt.

Hiesfelder Carneval Club: „Von unserer Seite aus wird nichts gefeiert“

In Goch fiel bereits am Dienstag die Entscheidung: „Es wird 2020 kein Prinzenpaar mit Gefolge geben, es wird keine offizielle Sessionseröffnung am 11.11., keine Prinzenkür und auch kein Prinzentreffen im Januar 2021 geben und es wird ebenfalls keinen offiziellen Sitzungskarneval geben“, sagte Frank Bömler, 1. Vorsitzender des Festkomitees Gocher Karneval. Der Beschluss sei mit allen neun Prinzen-stellenden Vereinen gefasst worden. „Wir machen keinen Karneval light“, so Bömler. Unklar ist, ob der Rosenmontagszug stattfinden kann. Die derzeitigen Fallzahlen sprechen aber eher für eine Absage.

Traurige Nachrichten auch aus Dinslaken und Voerde: In der aktuellen Session wird es weder ein Stadtprinzenpaar noch ein Kinderprinzenpaar geben. Darauf hatten sich die Karnevalsvereine Anfang Juli geeinigt. Sitzungen und Umzüge stünden laut Fredi Gliche, Sprecher des Hiesfelder Carneval Clubs (HCC), ebenfalls vor dem Aus. „Von unserer Seite aus wird nichts gefeiert“, so Gliche. „Ich gehe davon aus, dass in Dinslaken und Voerde von Hoppeditz bis zu den Sitzungen alles ausfallen wird.“

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Karnevalsveranstaltungen seien während der Corona-Pandemie nicht umsetzbar: „Das bringt es einfach nicht, wir kriegen die Hallen nicht voll“, sagte Gliche. „Die Kosten bleiben gleich, aber die Einnahmen halbieren sich.“ Gliche würde gerne eigene Sitzungen auf die Beine stellen. „Aber wir buttern da nur Geld rein.“ Ein finales Gespräch der Karnevalsvereine in Dinslaken und Voerde ist für Anfang September geplant.