Essen. Immer mehr NRW-Städte rufen den Klimanotstand aus. Aber welche Folgen hat das für Stadtfeste und Feuerwerke? Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Der Klimanotstand spaltet die Kommunen und Ratsfraktionen an Rhein und Ruhr. Während Städte wie Düsseldorf, Kleve, Voerde oder Hamminkeln den Klimanotstand bereits ausgerufen haben, wurden in Duisburg, Essen und acht weiteren Kommunen an Rhein und Ruhr entsprechende Anträge abgelehnt.

Einer der Hauptkritikpunkte der Klimanotstand-Gegner: Die Ausrufung des Klimanotstand sei reine Symbolpolitik, der Begriff „Notstand“ irreführend. Doch was bedeutet der Begriff überhaupt? Und welchen Einfluss hat diese Entscheidung auf Stadtfeste, Osterfeuer und Kirmesfeuerwerke? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

1.) Klimanotstand – was ist das eigentlich?

„Im rechtlichen Kontext verbindet man mit dem Begriff des Notstands immer einen Ausnahmezustand, der es sogar erlauben kann, Gesetze zu überschreiten“, erklärt Juraprofessor Johannes Dietlein von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Die Ausrufung des Notstands soll der öffentlichen Gewalt ermöglichen, schnellstmöglich auf Naturkatastrophen, staatsgefährdende Straftaten oder andere unüberschaubare Lagen zu reagieren.

2.) Können Städte und Kommunen überhaupt einen Notstand ausrufen?

„Kommunen, die einen Notstand ausrufen, verstoßen streng juristisch betrachtet gegen das verfassungsrechtliche Verbot des ‘allgemeinpolitischen Mandats’ von Städten und Gemeinden“, sagt Professor Johann-Christian Pielow von der Ruhr-Universität Bochum. „Das Verbot besagt, dass sich Kommunen nicht mit Angelegenheiten befassen dürfen, die an und für sich in die Kompetenz der Bundes-, Landes- oder Europapolitik fallen.“

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In den 1980er Jahren habe es eine vergleichbare juristische Debatte gegeben: „Damals ging es um die Selbsterklärung von Gemeinden zu ‘atomwaffenfreien Zonen’ angesichts der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland“, so Pielow.

3.) Ist der Klimanotstand rechtlich gesehen ein Notstand?

Nein. „Das Ganze hat eher symbolischen Charakter“, sagt Dietlein. Von einem Notstand im juristischen Sinne könne beim Thema Klimaschutz keine Rede sein. „Vor allem haben die Kommunen sicher nicht das Recht, aus eigener Macht und ohne gesetzliche Grundlage die Rechte der Bürger einzuschränken“, so Dietlein. Die Städte und Gemeinden würden damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie den Umweltschutz und die Forderungen der Klimaaktivisten ernst nehmen.

4.) Welche Folgen hat die Ausrufung des Klimanotstands?

Erstmal keine. „Die Städte und Gemeinden sind öffentliche Verwaltung und bleiben natürlich uneingeschränkt an die Gesetze gebunden“, sagt Dietlein. In einer schriftlichen Antwort des NRW-Wirtschaftsministeriums heißt es: „Durch die Ausrufung des Klimanotstandes (...) werden einer Kommune keine besonderen Rechte oder Pflichten eingeräumt.“ Soll heißen: Unmittelbare Konsequenzen wie zum Beispiel die Absage von Stadtfesten oder ein Verbot von Kirmesfeuerwerken ergeben sich daraus nicht.

Begriff „Klimanotstand“ laut Experten irreführend

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Wenn die Ausrufung des Klimanotstands lediglich gemeindeinternen Appellcharakter habe und damit ausschließlich gemeint sei, dass alle kommunalpolitischen Entscheidungen vor Ort auch unter Klimaschutzaspekten getroffen werden sollen, sei sie laut Pielow „Augenwischerei“. Zumal die Kommunen schon nach geltendem Planungs- und Umweltrecht dem Klimaschutz verpflichtet seien.

Auch Juraprofessor Dietlein übt Kritik: „Ob die Ausrufung eines Klimanotstandes durch einzelne Städte wirklich so glücklich ist, erscheint mir doch sehr fraglich.“ Der Begriff „Notstand“ suggeriere, dass sich Städte und Gemeinden im Interesse des Klimaschutzes über geltendes Recht hinwegsetzen könnten. Das sei nicht der Fall.

5.) Können Kommunen eigene Klimaschutz-Maßnahmen treffen?

Ja. „Kommunen haben das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Das heißt, sie haben das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“, heißt es in dem Schreiben des NRW-Wirtschaftsministeriums. Darunter fallen laut Dietlein zum Beispiel die Frage der Wärme- und Stromversorgung städtischer Verwaltungsgebäude, von Schulen und Schwimmbädern oder des öffentlichen Nahverkehrs.

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Auch über die Absage von Stadtfesten oder ein Verbot von Kirmesfeuerwerken können die Stadt- und Gemeinderäte entscheiden. „Beim Thema Klimaschutz können die Städte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten sicherlich ganz Wesentliches leisten“, sagt Dietlein. „Die Ausrufung eines Klimanotstands braucht man dafür aber nicht – und sie hilft auch nicht dabei.“

Heinen-Esser lobt Engagement der Bürger

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser begrüßt das gestiegene Umwelt- und Klimabewusstsein in der Bevölkerung und die kommunalen Initiativen zu einem Klimanotstand: „Dieser Rückenwind ist immens wichtig, denn er hilft uns, in der Politik die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung zu setzen“, so die CDU-Politikerin. Nur so sei es möglich, konkrete Maßnahmen auch erfolgreich umzusetzen.

In diesen Kommunen war ein Klimanotstand bislang Thema:

Am Niederrhein

Im Ruhrgebiet

In Südwestfalen