Berlin. Inzwischen ist das Covid-19-Risiko durch die verbesserte Immunität in der Bevölkerung deutlich gesunken. Wie viel Schutz ist noch nötig?
Der Höhepunkt der Corona-Pandemie liegt lange zurück und das Tragen von Masken ist für viele inzwischen ungewohnt. Doch mit Beginn der Herbst- und Wintersaison, in der erfahrungsgemäß die Krankheitsfälle zunehmen, stellt sich die Frage erneut: Soll der Mundschutz wieder häufiger zum Einsatz kommen? Ein Infektiologe aus Jena erklärt, wann das Tragen einer Maske besonders sinnvoll ist.
RKI-Bericht: Zahl der Corona-Fälle in Deutschland steigt wieder an
Der aktuelle Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigt, dass die Fallzahlen für COVID-19 und akute Atemwegserkrankungen seit dem Spätsommer wieder ansteigen. Zwar verzeichneten das RKI und ambulante Praxen im Oktober einen leichten Rückgang der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen, ein Blick auf die vergangenen Wochen zeigt jedoch eine generelle Zunahme des Infektionsgeschehens. Bereits Mitte September wurde ein deutlicher Anstieg von akuten Atemwegsinfektionen in der Bevölkerung gemeldet, unterstützt durch das Abwassermonitoring, das seit August einen Anstieg der SARS-CoV-2 Viruslast dokumentiert.
Besonders betroffen ist derzeit Sachsen-Anhalt: Hier meldet das Bundesgesundheitsministerium eine 7-Tages-Inzidenz von 27,3 Fällen pro 100.000 Einwohner. Experten vermuten zudem eine hohe Dunkelziffer, da die Zahl der PCR-Tests derzeit deutlich geringer ist als in den Hochphasen der Pandemie. „Das geringere Testvolumen könnte dazu führen, dass viele Infektionen unentdeckt bleiben“, heißt es beim RKI.
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Warum nehmen Erkältungen in der kalten Jahreszeit zu?
Für den Jenaer Infektionsmediziner Mathias Pletz gibt es dafür mehrere Gründe. „Wenn es kälter wird, halten sich die Menschen vermehrt in geschlossenen Räumen auf, wo sich Viren und Bakterien über die Atemluft leichter verbreiten“, erklärt Pletz. Dieser enge Kontakt in Innenräumen begünstige die Übertragung von Infektionen.
Ein weiterer Faktor sei die geringere Sonneneinstrahlung im Winter. „UV-Strahlung kann Bakterien und Viren abtöten“, sagt der Experte. „Bei kalten Temperaturen bleiben Viren zudem länger auf Oberflächen stabil und können so leichter Infektionen auslösen.“
Zudem sinke in den kalten und dunklen Monaten häufig der Vitamin-D-Spiegel, da sich Menschen weniger draußen aufhalten und der Körper aufgrund der schwächeren UV-Strahlung weniger Vitamin D produziert. „Vitamin D hat viele Aufgaben, unter anderem stärkt es das Immunsystem. Ein Mangel an Vitamin D macht uns also anfälliger für Krankheiten“, betont Pletz.
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Neue Virusvarianten verschärfen die Infektionssituation
Das RKI sieht auch in den aktuell zirkulierenden Virusvarianten, die sich aus der Omikron-Variante JN.1 entwickelt haben, einen wesentlichen Faktor für das Infektionsgeschehen. Insbesondere die Subvariante KP.3.1.1, die derzeit für 41 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich ist, sowie die Omikron-Variante XEC, die im Juni 2024 erstmals in Deutschland nachgewiesen wurde und sich derzeit bei 27 Prozent stabilisiert hat, verschärfen demnach die Situation.
Wie der Infektiologe Mathias Pletz erklärt, vermehren sich Omikron-Varianten vor allem in den oberen Atemwegen, was ihre Verbreitung erleichtert. Zudem könnten sie die vorhandene Immunität in der Bevölkerung umgehen. „Unser Immungedächtnis schützt uns nach einer Impfung oder Infektion langfristig vor schweren Covid-19-Verläufen, aber leider nur kurzzeitig vor milden Infektionen“, sagt Pletz. Dieser Schutz gegen milde Verläufe nehme bereits nach wenigen Monaten ab, unabhängig davon, ob die Immunität durch eine Impfung oder eine frühere Infektion aufgebaut wurde. Gegen schwere Verläufe bleibe die Schutzwirkung dagegen länger erhalten – außer bei Immunschwäche oder Immunoseneszenz, also einem gealterten Immunsystem.
Daher rät Pletz Risikogruppen dringend zu einer Auffrischungsimpfung. Auch die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Booster-Impfung für alle Personen ab 60 Jahren, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten. Der aktuelle Impfstoff von Biontech, der seit August erhältlich ist, ist speziell auf die Omikron-Variante JN.1 und ihre Subvarianten abgestimmt. Auch Moderna bietet seit September einen an JN.1 angepassten Impfstoff an, der von der Europäischen Arzneimittelagentur zur Zulassung empfohlen wurde.
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Infektiologe erklärt: Wann der Mundschutz sinnvoll ist
Masken können – neben Impfungen – wirksam dazu beitragen, Infektionen zu vermeiden. Das hat nicht nur die Corona-Pandemie gezeigt, sondern war bereits vor der Pandemie aus Studien zu Influenza belegt
Der Infektiologe Mathias Pletz bestätigt: „Masken sind eine bewährte Präventionsmaßnahme vor allem die durch Tröpfchen übertragenen Virusinfektionen“. Während der Pandemie hätten sie nicht nur vor COVID-19 geschützt, sondern auch die Ausbreitung anderer Atemwegserkrankungen wie Influenza, verschiedene Bakterien, die Lungenentzündungen auslösen und sogar Magen-Darm-Infektionen wie Noroviren reduziert. Vor allem Menschen aus Risikogruppen, etwa Ältere oder Personen mit Vorerkrankungen, sollten daher das Tragen einer Maske „zum Selbstschutz“ in Erwägung ziehen, rät Pletz.
Die langfristige Anwendung von Masken in der Allgemeinbevölkerung hatte laut Pletz jedoch auch Nachteile: „Zwar wurden viele Infektionen verhindert, aber wenn die Masken irgendwann nicht mehr getragen werden, könnte die Anfälligkeit für Infektionen wieder steigen“, erklärt er. Tatsächlich seien in den vergangenen Monaten vermehrt Infektionen mit Mykoplasmen, Pneumokokken und Gruppe A Streptokokken beobachtet worden – möglicherweise, so Pletz, eine Folge der während der Pandemie verminderten Exposition gegenüber Alltagserregern und der dadurch geschwächten Immunabwehr.
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Vorbild Japan: Masken tragen als Zeichen der Rücksichtnahme
Der Infektiologe Mathias Pletz hingegen hält den Mundschutz für Menschen, die mit älteren oder gesundheitlich eingeschränkten Angehörigen zusammenleben und vor allem, wenn man selbst Anzeichen einer Erkältung bemerkt, nach wie vor für sinnvoll – weniger als Selbstschutz, sondern aus Rücksicht auf andere. „Ein Kulturwandel wie in Asien wäre wünschenswert“, so Pletz. Japan diente während der Pandemie als Vorbild: Trotz einer im Durchschnitt älteren Bevölkerung blieben die Infektions- und Todeszahlen weit geringer als jene in anderen liberalen Gesellschaften wie den USA oder in Europa – ein Erfolg, der laut Pletz unter anderem auf die konsequente Einhaltung von Hygienemaßnahmen zurückzuführen ist.
Husten, Schnupfen und Fieber seien zudem oft „nur die Spitze des Eisbergs“, so Pletz weiter. Neuere Studien weisen darauf hin, dass Virusinfektionen Entzündungsprozesse im Körper auslösen können, die langfristig das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz und beschleunigtes Altern erhöhen. Eine umfangreiche Analyse von Krankenakten in den USA bestätigte diesen Zusammenhang: Eine größere Gruppe älterer Menschen, im Durchschnitt 73 Jahre alt, wurde vier Jahre lang beobachtet. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die sich regelmäßig gegen Grippe impfen ließen, im Beobachtungszeitraum von etwa sechs Jahren ein geringeres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken.
Pletz plädiert daher für das freiwillige Tragen von Masken, insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln und geschlossenen Räumen wie Arztpraxen, wo enger Kontakt unvermeidbar ist. Ähnlich äußerte sich im September auch RKI-Präsident Lars Schaade, der betonte, dass Masken helfen könnten, sich vor anderen zu schützen, „wenn man trotz Symptomen den Kontakt zu Risikopersonen nicht ganz vermeiden kann“.
Infektiologe: Medizinische Masken reichen im Alltag meist aus
Zur Wahl der Maskenart sagt Pletz: „Chirurgische Masken bieten einen guten Schutz vor Tröpfchenübertragung, während FFP2-Masken zusätzlich Aerosole abwehren“, erklärt Pletz. Dennoch hält er FFP2-Masken im Alltag nicht für notwendig. „In den meisten Situationen, zum Beispiel bei Influenza, sind OP-Masken und FFP2-Masken gleich wirksam“, sagt der Experte. Nur in speziellen Krankenhausbereichen, etwa bei der Lungenspülung oder bei beatmeten Patienten, wo große Mengen an Aerosole gezielt erzeugt werden, sind FFP2-Masken zum Schutz des Personals vorgeschrieben.
Wichtiger als der Maskentyp ist für Pletz die Passform der Maske: „Eine schlecht sitzende FFP2-Maske bietet weniger Schutz als eine gut sitzende OP-Maske“, erklärt er.
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Corona-Selbsttests weiterhin sinnvoll – aber Vorsicht bei negativen Ergebnissen
Auch Corona-Selbsttests sind nach wie vor sinnvoll, betont der Infektiologe Mathias Pletz „Bei leichten Symptomen kann ein Selbsttest hilfreiche Klarheit schaffen“, sagt er. Denn die Tests würden auch bei neuen Varianten gut anschlagen, da sie nach wie vor das stabile Kapsid-Protein des Virus erkennen, das sich auch bei Mutationen nicht verändert hat.
Gleichzeitig warnt Pletz vor trügerischer Sicherheit: Schnelltests könnten in einigen Fällen erst mit Verzögerung ein positives Ergebnis anzeigen. „Das führt dazu, dass sich manche trotz eines negativen Testergebnisses in Sicherheit wiegen und andere anstecken, bevor die Infektion nachweisbar ist“, sagt Pletz.
Entscheidend bleibt für den Infektiologen daher der bewusste Umgang mit Krankheitssymptomen. „Teststrategien und Vorschriften allein reichen nicht aus“, betont Pletz. „Wünschenswert wäre, dass die Gesellschaft auch nach der Pandemie wachsam bleibt und Rücksicht auf die Gesundheit anderer nimmt.“